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Bude und hättest nichts mehr zu heizen. Da wärst du bestimmt auch froh, wenn dich jemand ins warme Wohnzimmer nähme.“

      „Natürlich.“ Hefeklöße wirken beruhigend, und Frieder futterte und sagte nichts mehr. Erst als er satt war, kam er auf das Thema zurück.

      „Und du meinst wirklich, Hartwig zahlt alles nach, wenn er das Staatsexamen hat? Ich glaube kaum. Dann muß er erst mal für sich und seinen neuen Start sorgen. Das ist ja immer so. Und auf Freiersfüßen geht er auch, soviel ich beobachten konnte.“

      „Ich weiß. Und ich weiß auch, daß jeder, der einen eigenen Hausstand gründen will, Geld braucht. Aber, lieber Himmel, er kann doch jetzt nicht auf Budensuche gehen, jetzt, wo sein Endspurt einsetzt! Nein, rauswerfen kann man ihn unmöglich. Außerdem ist noch gar nicht gesagt, daß er nicht zahlen wird.“

      „Wer? Von wem sprecht ihr?“

      Die Küchentür flog mit einem Krach auf, und Pytt stand im Raum. Kleiner als Petra, mit kurzem, dunklem Fransenhaar, die Backen knallrot von der Schneeluft. „Nun ratet mal, ob ich durch bin oder nicht!“

      „Hast du heute – bei dem Schnee ...“

      „Jawohl! Der Fahrlehrer bestand darauf. Die Prüfer wollten eigentlich nicht, sie sagten, es wäre ein geradezu abnormes Wetter. Aber Schimmelfennig schien sehr sicher zu sein, daß wir durchkommen würden, zwei Jungen und ich. Und wir mußten fahren. Wir wollten auch, jedenfalls ich. Anfahren am Berg ist ja meine Stärke, aber einparken, wenn einem der Wagen dauernd seitlich wegrutscht ...“ Pytt war zum Tisch getreten und demonstrierte voller Temperament mit dem Salzfaß, wie ihr Wagen gestanden und wie sie ihn vorschriftsmäßig aus der Parklücke herausgeholt habe.

      „Und das Theoretische?“

      „Hab’ ich schon vorgestern gemacht. Nur nichts davon verlauten lassen“, strahlte Pytt. „Womöglich geht es beim Praktischen schief, dachte ich, und da will ich mal lieber schön den Mund halten – –. Gibt’s eigentlich etwas zu essen für mich?“

      „Natürlich, setz dich. Nein, sowas, die große Schwester zu überflügeln!“ Petra lachte und stellte Pytt den Teller hin. „Ich gratuliere, also ich finde das enorm.“

      Pytt hatte ein sehr gutes Abitur gemacht. Sie gehörte zu der Sorte Menschen, die alles, was sie tun, mit Elan tun. Um so mehr hatte es die Geschwister gewundert, daß sie nicht sofort mit dem Studium anfing. Deutsch und Geschichte, davon hatte sie von jeher gesprochen. Aber nein, Pytt ging ihren eigenen Weg.

      Zunächst suchte sie sich einen Job. Richtiger ausgedrückt: Sie nahm jede Gelegenheit wahr, um Geld zu verdienen. Sie gab Nachhilfestunden, hütete Babys, sie spielte in Familien mit Kindern den Nikolaus, ein sehr einträgliches Geschäft, besonders für Studentinnen, denn ängstliche Mütter waren der Meinung, auch der Nikolaus müsse einfühlsam und sanft sein, damit er die kleinen Seelen nicht verletze. Leider war diese Geldquelle zeitgebunden. Aber Examensarbeiten tippen konnte man in der kleinen Universitätsstadt immer, und das tat Pytt bis tief in die Nacht hinein.

      Von dem Erlös kleidete sie sich ein: ein paar hübsche Kleider, Stiefel, ein schickes Kostüm, Lederjacke. Und nun den Führerschein. Petra hätte das nie vermutet und war ein bißchen betroffen: Offenbar hatte sie die jüngere Schwester finanziell zu kurz gehalten. Hatte sie? Sie wagte nicht zu fragen.

      Auch Eltern machen es nicht immer genau richtig, jedenfalls nach der Meinung der jüngeren Generation. Sie sparen dort, wo die Heranwachsenden es falsch und verkehrt finden, und geben Geld für Dinge aus, an denen „kein denkender Mensch“ Spaß haben kann, wie viele Kinder meinen. Aber sie sind immerhin die Eltern, eine andere Generation, während Petra nicht viel älter als Pytt war und somit einsichtiger hätte sein können.

      Nun war Pytt also eingekleidet und besaß den Führerschein, obwohl sich in der Familie noch kein Wagen befand. Petra sah sie nachdenklich an, sagte aber nichts. Sie selbst hätte sich weder das eine noch das andere geleistet, wenn sie Geld verdient hätte. Was aber dann? Sie strich die Gedanken rasch durch, als kämen sie ihr nicht zu, und erkundigte sich lieber nach Pytts Plänen.

      „Machst du nun auch den Flugschein oder fährst du nach Sankt Moritz zum Schilaufen?“ Sie fragte es lustig und nett, und Pytt antwortete ebenso.

      „Vielleicht nach Teneriffa. Ach nein, dort ist es mir zu gemischt, da trifft man ja die halbe Bundesrepublik. Wer auf sich hält, fährt in die Lüneburger Heide. Das aber ist anderseits wieder der größte Snobismus. Ich muß es mir noch überlegen.“

      „Vielleicht nach Griechenland?“ schlug Frieder kauend vor.

      „Heute abend kommt Marcell, er will uns seine Dias zeigen. Sowas macht Appetit auf Reisen!“

      „Ach, Marcell! Ich hab’von einem einiges gehört, der mit ihm gefahren ist. Es soll eine einzige Hetze gewesen sein“, lachte Pytt. „Die beiden andern – zwei fuhren mit ihm, damit es billiger wurde – schrien immerzu: ‚Trümmer, Trümmer!‘ Nur damit er einmal anhielt. Und als sie über den Isthmus kamen und nochmal zurückwollten, um sich diese einmalige Sache genau anzusehen, von der wir schon in der Schule Wunderdinge hörten, da sagte er: ‚Kaufen wir uns doch ein Foto. Wir müssen weiter.‘ So reist Marcell. Na, ich weiß nicht.“

      „Das ist bestimmt eine üble Nachrede! Marcell ist doch kein Piefke, der ins Ausland fährt, um die Sehenswürdigkeiten abzuhaken! Ganz bestimmt nicht“, mischt sich jetzt Petra mit ungewohnter Lebhaftigkeit ein, „Marcell ist ein sehr interessierter, sehr –“

      „Na?“ fragte Frieder, als sie stockte. Petra drehte sich rasch um, holte die Vanillesoße und stellte sie Pytt neben den Teller. Es war selten, daß Petra heftig wurde.

      „Ein sehr gescheiter Kerl“, vollendete sie, als Frieders „Na?“ gar zu deutlich im Raum stehenblieb. „Er hat viel von der Welt gesehen und kann interessant davon erzählen. Macht ihn nicht schlecht.“

      „Wer tut denn das?“ grinste Frieder. „Nur–ein bißchen gibt er schon an mit seinen Reisen! In Lappland war er und in Mexiko –“

      „Na also. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“ Pytt sagte es gleichmütig und schob den Teller von sich. „Ich sehe mir seine Dias heute abend jedenfalls an. Warum denn nicht? Er fotografiert großartig. Du kommst doch auch, Petra?“

      „Wenn ich nicht zu müde bin“, sagte Petra und stellte die Teller zusammen. „An sich ginge ich gern schlafen.“

      „Falls du ein Bett hast, haha!“ lachte Frieder vergnügt. „Ein Bett – und ein Zimmer. Oder quartierst du nur in meins übermüdete oder paukende Kommilitonen ein?“ fragte er hinterlistig.

      „In meinem Zimmer lernt Irmgard, daß du es weißt!“ schalt Petra und merkte zu spät, daß sie damit die Sache nicht besser machte. Die beiden jüngeren lachten sie aus, daß sie sich ärgerte. So ging es meist zu bei den Geschwistern König.

      „Dann seht eure Dias allein an, aber Bier spendier’ ich nicht!“ schloß sie jetzt die Debatte. Frieder schaltete um und begann zu schmeicheln.

      „Mütterchen, ohne dich sind die schönsten Griechenlandbilder kein Erlebnis! Sei lieb und schenk uns deine Anwesenheit! Deine Kleinen werden auch so lieb und brav sein ...“

      „Ich werd’ dich gleich bemütterchen!“ Sie versuchte, ihn beim Schopf zu fassen, aber er tauchte geschickt und blitzschnell unter ihrem Griff weg. Auch Pytt entsprang. Petra stellte die Teller auf den Abwaschtisch und drehte das heiße Wasser auf.

      Sie ärgerte sich mehr, als die beiden andern ahnen konnten. Und sie ärgerte sich, daß sie sich ärgerte.

      Im Grunde nämlich freute sie sich sehr auf heute abend, auf eine anregende, nette, zusammengehörende Runde, auf die Bilder aus Griechenland, auf ein gutes Gespräch. Auch auf Marcell. AufMarcell sogar am meisten, wenn sie ehrlich war, und vor sich selbst konnte sie es ja ruhig zugeben.

      Marcell imponierte ihr. Er war älter als sie, etwa so alt wie ihr ältester Bruder Helmut, der schon praktischer Arzt war. Marcell studierte Kunstgeschichte. Wahrscheinlich würde er an eine

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