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Und wie gehe ich damit um, wenn ich in sogenannten Wüstenzeiten überhaupt nichts von Gottes Gegenwart, Liebe oder Fürsorge spüre?

      Das alles ist natürlich eng verknüpft mit der Gemeinde. In der heutigen Zeit gibt es unzählige Gemeindeformen: von hip bis konservativ, von missional bis charismatisch, von liturgisch bis frei von jeglicher Form. Die Weite ist positiv gemeint, kann aber auch total überfordern:

      • Halte ich es in meiner kleinen, vielleicht alten Gemeinde aus und versuche, mitzugestalten und zu verändern?

      • Oder gehe ich und suche mir auch eine junge, frische, moderne Gemeinde, weil es leichter ist? Aber ist es dort wirklich leichter, besser?

      • Und ist mein Befinden in der Gemeinde überhaupt ein zulässiger Gradmesser dafür, ob ich richtig bin? Heißt Glaube nicht auch schon mal durchhalten? Mich investieren und kämpfen?

      • In dem bereits angesprochenen vollen Alltag stellt sich noch eine weitere Frage: Wie viel Gemeinde ist »genug«? Wo bringe ich mich ein, wo grenze ich mich ab? Muss ich überall mithelfen, wo es »brennt« – auch wenn die Arbeit unter Kindern oder Beamerdienst überhaupt nicht meinen Gaben entspricht?

      Bis hierher ging es nur um Gemeindeformen und persönliches Engagement in der Gemeinde. Von den zahlreichen Konflikten, die die verschiedenen Menschen mit ihren verschiedenen Ansichten und Geschmäckern mit sich bringen, will ich erst gar nicht sprechen …

      Die verschiedenen Typen des Kampfes in meinem Lebensland

      Zoome ich ein wenig raus und nehme mein Lebensland auf dem Rundflug in seiner Gesamtheit in den Blick, dann stelle ich fest, dass die einzelnen Kämpfe meines Lebens einen unterschiedlichen Charakter haben. Im Wesentlichen kann ich drei Typen voneinander unterscheiden:

      • Ich kämpfe mit mir: mit meinem inneren Schweinehund, meinen zu hohen Ansprüchen, meinen erlernten Mustern, meinen Grenzen …

      • Ich kämpfe mit meinen Mitmenschen: zum einen mit denen, die mir nahestehen – und gerade deshalb, weil sie mir so nahestehen (wie mit meinem Partner, meinen Kindern oder meinen Eltern) –, oder zum anderen mit Menschen, die mir eben gar nicht nahestehen und es aus diesem Grund nicht gut mit mir meinen.

      • Ich kämpfe gegen Umstände: wie eine Krankheit, Schwierigkeiten im Job, meine finanzielle Situation und, und, und …

      Manche Kämpfe sind zugegeben hausgemacht, für andere kann ich rein gar nichts. Demnach haben auch die Kämpfe unterschiedliche Dimensionen und eine große Bandbreite. Sie reichen von den kleinen Alltagsthemen (ich will mal wieder eine Diät machen oder strample mich durch einen zu vollen Terminkalender) über langwierige und nagende Kriege (Erziehung eines Teenies oder Streitigkeiten in der Nachbarschaft) bis hin zu den alles erschütternden Lebenskrisen (wie eine Scheidung oder die schlimme Diagnose des Arztes).

      Summa summarum stelle ich aber fest, dass in meinem Leben mehr ungeklärt als geklärt ist. Manchmal sogar längst Geklärtes plötzlich und unerwartet wieder ins Wanken gerät. Und angesichts der vielen offenen Fragen und Baustellen, die doch eigentlich einladende und fertiggestellte Lebensräume sein sollten, schwinden meine Motivation und Leichtigkeit, weil es so scheint, als sei alles nur Arbeit und Kampf.

      Sooo viele Fragen: nicht immer leicht zu beantworten

      Fragen über Fragen. Große Fragen. Wichtige Fragen. Weitreichende Fragen. Nagende Fragen. Auch kleine Fragen, die aber genauso geklärt werden wollen. Manchmal empfinde ich das Finden der Antworten als leicht, horizonterweiternd und erhebend. So, wie das Erringen eines Erfolges. Aber genauso kann es auch den absoluten Kampf bedeuten. Ich ringe um das Richtige, frage mein Herz, meinen Gott, meine Freunde und werde in meinen Antworten doch immer wieder hin und her geworfen, weil ich einfach nicht den Durchblick habe. Und selbst da, wo ich nicht mehr um Antworten ringen muss, weil ich gute gefunden habe, hört das Kämpfen nicht auf. Denn nun lautet die Aufgabe, an meinen Überzeugungen festzuhalten (aber bitte, ohne starr und eingefahren zu werden!) und sie auch zu leben.

      Gottes Hilfestellung: nicht immer leicht anzunehmen

      Als Christen haben wir den großen Vorteil, dass Gott in der Bibel viele oder nahezu alle Lebensthemen anspricht und gute Antworten sowie praktische Anweisungen für die Gestaltung gibt. Doch ich merke, dass es mir oft schwerfällt, ihnen wirklich Glauben zu schenken. Denn nicht selten widersprechen Gottes Prinzipien und Maßstäbe denen der Welt um mich herum und es erscheint mir naheliegender, zunächst meine eigenen Erfahrungen zu machen, anstatt einfach zu glauben und dem zu folgen, was Gott vorschlägt. Den anderen höher achten als mich selbst? Den Sabbat einhalten? Meine Eltern ehren? Um Vergebung für meine Schuld bitten? Dinge aufgeben, die mir zwar Spaß machen, mir aber nicht guttun? Echt jetzt? Wäre es nicht vielleicht doch besser, wenn … Ein bisschen ist es so, wie wenn man einem Kind gute Ratschläge gibt, es aber erst einmal selbst gegen die Wand laufen muss, bevor es glaubt, dass das nicht der geschmeidigste Weg ist.

      Und selbst wenn ich Gottes Wahrheiten theoretisch Glauben schenke, ist das erst der erste Schritt. Die Frage ist nämlich: Bekomme ich sie auch in mein Leben übertragen? Schaffe ich es, sie mitten im Alltag und entgegen all der Anfragen, die ich und andere daran haben, umzusetzen?

      »Wahrheiten« des Lebens: nicht immer leicht zu durchschauen

      Oftmals bemerke ich über die ganz konkreten Baustellen meines Lebens hinaus noch zusätzlich allgemeine »Wahrheiten«, die das Leben mich lehrt und die auf alles Einfluss haben. Jedenfalls will das Leben mich diese »Wahrheiten« glauben lassen.

      Da wäre zum Beispiel »Man bekommt nix geschenkt« oder »Wer ganz vorne mitspielen möchte, muss da erst mal hinkommen«. Und schwups, beginnt der Motor in mir zu brummen und lässt mich kämpfen und ringen. Ich schaue andere Menschen und ihre Leben an und bemerke im Vergleich: Ich stehe ihnen (zumindest von meiner Warte aus gesehen) in so manchem nach.

      »Chancen verstreichen, wenn ich sie nicht ergreife« ist noch so eine Wahrheit. Sicher richtig – aber auch nicht gerade befreiend. Denn es gibt tausend Chancen. Ich muss jeden Tag x-mal wählen und weise Entscheidungen treffen. Alles geht nicht. Aber wie treffe ich die richtige Wahl? Welche Chancen lasse ich getrost verstreichen, welche Chancen ergreife ich? Und wie gehe ich mit den Chancen um, die ich besser ergriffen hätte, die mir aber durch die Lappen gegangen sind? Ergibt sich eine solche Chance vielleicht noch mal – und bin ich gefordert, einen Fehler nicht zu wiederholen?

      Bei allem scheint die Zeit gegen mich zu arbeiten. Ich werde nicht jünger. Jugendlichkeit, Kraft, Esprit, Schwung verfallen. Lebensumstände werden eingefahrener. Heute noch einmal für ein Jahr um die Welt zu reisen würde sich als deutlich herausfordernder gestalten, als es nach dem Abi gewesen wäre. Akzeptiere ich Grenzen, die sich durch den Lauf der Dinge in meinem Leben ergeben? Oder kämpfe ich gegen sie, weil es sich lohnt, sich nicht zu früh zu ergeben?

      Die Masse der heutigen Möglichkeiten spielt mir dabei nicht gerade in die Karten: Ja, es ist ein Segen, wie viel ich erleben und erreichen kann – aber es ist gleichermaßen auch ein Fluch. Es kommt vor, dass ich mein Leben anschaue (in dem ich nicht wenig erreicht und nicht wenig erlebt habe) und es mich fast fertigmacht, was ich vermutlich nie erleben werde. Da gibt es Leute, die die ganze Welt bereist haben, die Berufe erlernt haben, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt, die völlig abgefahrene Lebenskonzepte gewählt haben, die wahnsinnige Projekte ins Leben gerufen haben, die tolle Ämter innehaben, die große Erfolge erzielt haben, die unglaubliche Erfahrungen gemacht haben, die schier unmögliche Ziele erreicht haben. Unzählige Blogs, Instagram-Accounts und Facebook-Seiten gewähren mir faszinierende und bisweilen sehr einschüchternde Einblicke. Und dann muss ich mir eingestehen, dass ich keine von ihnen bin. Dass das meiste bei mir (zumindest mit meinen Augen betrachtet) maximal oberen Durchschnitt erfüllt. Aber kann ich mich damit zufriedengeben? Glücklich werden? Ist das meine Bestimmung, meine Berufung – und wenn ja: Finde ich ein Ja zu ihr, auch wenn ich mir mein Leben spektakulärer wünsche? »Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen. Und das ist deshalb so schwer, weil wir die anderen

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