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Als Gott diese Erde gemacht hat, gab es keinen Kampf. Der Garten Eden war eine perfekte Symbiose aus dem, was die Lebewesen darin brauchten, und dem, was sie bekamen. Die Papageien machten ihre Loopings in der Luft, die Wale sprühten große Fontänen aus ihren Atemlöchern, Eichhörnchen kletterten von Ast zu Ast und Grillen sangen dazu ihr fröhliches Gezirpe. Und inmitten dieser Harmonie bekam der Mensch seinen Lebensraum. Er war Teil der Geschöpfe, der Schöpfung, und nahm zugleich doch eine ganz besondere Rolle darin ein. Wer weiß, vielleicht bewegte Gott ähnliche Gedanken in seinem Kopf wie die folgenden:

      Nun haben wir so viel Feines gemacht.

      Schokolade. Libellen. Mimosen. Pflaumen.

      Und Großes.

      Elefanten. Die Zugspitze. Den Marianengraben. Blitze.

      Und Verrücktes.

      Vulkane. Hängebauchschweine. Tornados.

      Eine Drachenfrucht.

      Und Gelbes.

      Die Sonne. Zitronenfalter. Küken. Butterblumen.

      Honigmelonen.

      Das ist uns wirklich alles gut gelungen.

      Ich staune darüber und genieße es.

      Aber ich will noch etwas erschaffen.

      Etwas Großartiges. Wundervolles. Einmaliges.

      Ich will mich selbst übertreffen.

      Es soll etwas können.

      Häuser bauen können. Trösten können. Hoch springen können. Leben spenden können. Kuchen backen können. Studieren können. Schlafen können. Bücher schreiben und Bücher lesen können. Stricken können. Witze erzählen können. Aus vollem Herzen lachen können. Politik machen können. Multiplizieren können. Kinder erziehen können.

      Es soll etwas träumen.

      Große Einfälle träumen. Einzigartige Visionen träumen.

      Verrückte Ideen träumen. Bunte Träume träumen.

      Inspirierende Fantasien träumen.

      Es soll etwas erschaffen.

      Eine Zukunft, für die es sich zu leben lohnt. Räume, die Gemeinschaft beherbergen. Energie, die andere freisetzt. Eine Realität, die bunt und wild und wunderbar ist.

      Es soll etwas geben.

      Liebe geben. Geborgenheit geben. Sicherheit und Wärme.

      Es soll etwas haben.

      Ideen haben. Mut haben. Abenteuerlust haben.

      Es soll eine Seele haben. Einen Geist. Ein Herz.

      Aber mehr als all das soll es etwas sein. Ein Kunstwerk.

      Ein Meisterstück. Die Krone der Schöpfung.

      Und weil meine Ideen geradezu explodieren wie ein gewaltiges Feuerwerk, werde ich viele davon machen.

      Und jeden einzigartig. Wunderschön. Auf seine Weise gewaltig. Stark und doch verletzlich. Kreativ und doch bedürftig. Einmalig und doch auf der Suche nach Gemeinschaft. Witzig und zugleich ernsthaft. Endlich und doch mit der Sehnsucht nach Ewigkeit tief in sich.

      Und ich werde sie lieben. Jeden Einzelnen von ihnen.

      Von ganzem Herzen. Weil jeder Einzelne das Prädikat sehr gut bekommt. Und ich werde ihnen begegnen.

      Mich ihnen vorstellen. Ihnen meine Hand reichen.

      Mit ihnen leben. Und … und hoffen, dass sie meine Liebe erwidern.

      Und ich weiß auch, wie ich all das in einer einzigen Kreatur vereinen kann: Ich werde ein Stück meiner selbst in jeden Einzelnen hineinlegen. Sie werden mein Ebenbild sein, mir ähnlich. Und ich werde es Mensch nennen.

      Was Gott wichtig war

      Ich liebe solche Gedankenspiele, denn sie offenbaren mir etwas über Gottes Herz und seine unglaublich große Liebe zu mir. Ob es so war oder nicht, wissen wir nicht. Aber dennoch können wir an der ersten Schöpfung eine Menge erkennen. Hier sehen wir, was Gott wichtig war, als er uns mit allem versorgte, was unser Lebensland braucht, damit wir darin in vollem Umfang aufblühen können:

      Er schuf Licht und Dunkelheit (vgl. 1. Mose 1,3-5.16-18). Und damit verbunden einen Rhythmus, der uns guttut. So vieles in unserem Leben folgt einem wohltuenden und lebenswichtigen Rhythmus: die Jahreszeiten, Tag und Nacht, Ebbe und Flut, Hunger und Durst, unser Herzschlag und noch vieles mehr. Ein solcher Lebenstakt schenkt uns gleichermaßen Sicherheit sowie Raum zum Geben und Nehmen, zum Schaffen und zum Ruhen. Wir wissen, dass wir stark und schwach sein dürfen, dass wir uns investieren und dann auch wieder Kraft tanken dürfen. Beides ist gut, beides gehört zu uns dazu. Für beides ist eine Zeit vorgesehen.

      Er schuf den Himmel und die Erde, Land und Wasser (vgl. 1. Mose 1,6-9). Das heißt, es gab Ordnung. Lebensraum, der nicht für jeden gleich ist. Aber der für jeden das umfasst, was er benötigt. Weil Gott jeden Einzelnen durch und durch kennt und um jedes Bedürfnis weiß. Das wiederum spricht unserer Unterschiedlichkeit Wert zu. Männer sind keine Frauen. Kinder sind keine Erwachsenen. Introvertierte sind nicht extrovertiert. Aber jeder findet ein Land, in dem er sein darf, wie er ist, und eine Ordnung, die seinen Gaben und Eigenschaften entspricht.

      Er schuf Pflanzen und Tiere (vgl. 1. Mose 1,11.20-25). Leben in Hülle und Fülle. Unterschiedlichkeit. Großes und Kleines. Zartes und Machtvolles. Jede Menge Abwechslung und jede Menge Grund zum Staunen! Unsere Sinne werden gefordert, unsere Kreativität erwacht zum Leben. Wünsche und Träume werden geweckt, unsere Gabe, sich Dinge vorzustellen, kann sich entfalten, weil das Umfeld sie dazu einlädt.

      Er schuf Nahrung (vgl. 1. Mose 1,29-30). Gott versorgte den Menschen auch körperlich und das Gewinnen der Nahrung war ohne Blutvergießen und Teil des gesunden Rhythmus (denn die Menschen sollten Samen und Früchte essen, so, wie die Pflanzen sie hervorbrachten [vgl. 1. Mose 1,29]). Der Mensch darf ganz umfassend sehen, schmecken, fühlen, riechen und erleben: Ich bin versorgt. Keines meiner Bedürfnisse – auch nicht mein Hunger oder mein Durst – ist zu banal, als dass Gott es nicht im Blick hat!

      Er schuf Wachstum (vgl. 1. Mose 1,11-12). Wenn etwas wächst, heißt das zum einen, dass es einem lebensspendenden Rhythmus folgt, zum anderen aber auch, dass es sich weiterentwickelt. Es war nicht alles fertig, damals, als Gott diese wunderbare Erde erschuf. Dinge folgten einer verheißungsvollen Dynamik. Man durfte gespannt bleiben, was noch alles Wunderbares in der Zukunft lag. Hier berührt auch die Ewigkeit unsere Herzen. Was Gott macht, macht er gut – und zugleich hält er noch immer Dinge bereit, die wir nie geahnt hätten!

      Er schuf Aufgaben (vgl. 1. Mose 1,28). Der Garten Eden war weder ein Spieleparadies noch ein Arbeitslager. Auch die Tätigkeit folgte einem Rhythmus und war vor allem von Sinn und Bedeutung erfüllt. Gott vertraute seine wundervolle Schöpfung der Fürsorge der Menschen an. Sie sollten achthaben, pflegen, beschneiden, leiten, schützen, vorstehen und bewahren. Arbeit im Sinne Gottes, so, wie sie Teil des ersten Lebenslandes war, ist kein Fluch, sondern ein Segen, weil der Mensch hier mit seiner Schaffenskraft und Kreativität Raum findet, um sich zu entfalten. Diese Form des erfüllenden Tuns gibt uns Wert – und zwar einen Wert, der nicht auf dem Ergebnis unseres Tuns fußt (hast du es geschafft, bist du gut; hast du versagt, bist du schlecht), sondern der die Grundlage für unser Tun ist (du bist wertvoll, darum übertrage ich dir Verantwortung).

      Und nicht zuletzt schuf er Gemeinschaft (vgl. 1. Mose 2,18-23; 3,8). Die Tiere lebten untereinander in Frieden und Einheit, Mensch und Tier begegneten sich respektvoll, Mann und Frau waren füreinander bestimmt und Gott selbst suchte die Nähe und den Austausch von Herz zu Herz mit seinen Geschöpfen. Hier begegnet Gott unserer Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Wir passen zu jemandem, wir können lieben und werden geliebt. Hier finden wir Identität – weil es keine skeptische Distanz gibt und keine Sorge, Ablehnung zu erfahren.

      Die eigene Sehnsucht nach dem Paradies

      Was für ein Lebensland. Kannst du es vor deinem inneren Auge sehen? So satt, so reich, so bunt, so

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