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Harems eilt die schlanke Wildkatze, sich dem Zugriff des Herrn entziehend, dem Bassin zu und ist mit einem Sprung in dem Wasser verschwunden. Prustend vor Vergnügen steht der Herrscher. Der junge Colonel macht unwillkürlich eine Bewegung, als wollte er den Degen abwerfen — doch eine kühle Handbewegung des weit älteren Begleiters, ein warnender Blick, der Disziplin und Unterordnung verlangt, hält ihn zurück.

      Der Radscha klatscht wütend in die Hände, brüllt die herbeistürzenden Diener an: „Dem Weibe nach!“ Während aber die von allen Seiten sich ins Wasser stürzenden Diener untertauchen, taucht Radanika an dem entgegengesetzten Ende auf. Und wie die wieder Auftauchenden sie sehen und auf sie zuschwimmen, raucht sie blitzschnell, unter und verschwindet in den Wasserpflanzen. So geht die Jagd durch das grosse Bassin. Bis einer dieser Barbaren einen Triumphschrei ausstösst und die erschöpfende Last aus dem Bassin seinem Herrn hinaufhebt, der die Zusammenbrechende in seinen Armen hält wie ein Stück Wild.

      „Sehen Sie selber, Sirdar“, sagt er triumphierend zu dem Residenten, „ist sie nicht schön?“

      Der Brite betrachtet in tiefen Gedanken die Gefangene. Eine starke Bewegung hat ihn erfasst, er kann sie nur mühsam verbergen.

      Das Kind schlägt langsam die Augen auf, fühlt sich in den Armen dieses Mannes, stösst einen Schrei aus und entwindet sich dem Radscha. Schon ist sie hinter einem jener Teppichvorhänge verschwunden, die die Nischen der bevorzugten Favoritinnen abschliessen.

      Was weiss das Kind von seiner Bestimmung?

      Der Radscha lacht. Aber seine Gäste lachen nicht. Die Augen des jungen Offiziers suchen noch immer das Kind, das einen unverlöschlichen Eindruck auf ihn gemacht hat. Es ist ihm unmöglich, seine Bewegung zu verbergen. Seine Augen hängen mit entrücktem Ausdruck auf dem Antlitz des erschöpften Mädchens, ihr Blick begegnet dem seinen, ihre Pupillen weiten sich, hilfeheischend öffnet sich der kleine, rote Mund. Die Hand des Gesandten presst sich mit eiserner Kraft in das Gelenk des Neffen. Der Maharadscha schaut böse auf diesen jungen Oberst der verhassten Nation.

      Gewohnter Disziplin gehorchend, dem Beispiel des Oheims folgend, fügt jetzt auch Colonel Marshall einige Höflichkeiten über den Bau des Frauenhauses hinzu. Es ist eine hohe, blaue Kuppel, zu der Säulen aus Granit mit porphyrfarbenen Mauern emporstreben. Der Erdboden, aus zartfarbenen Mosaiken kunstvoll zusammengesetzt, trägt Hügel köstlicher Kaschmirteppiche und persischer Gewebe.

      Im Hinausschreiten wendet sich der junge Colonel noch einmal um.

      Sein blaues Auge späht verzweifelt durch die Dämmerung des Hauses. Ein Vorhang bewegt sich leise ...

      Unter Verbeugungen, mit allen Zeichen der Ehrerbietung fordert der Palastwächter Radanika auf, die Frauennische zu verlassen. Ihn misstrauisch messend, kommt sie Schritt für Schritt nach der Halle. Keine der Frauen regt sich mehr. Sklavinnen eilen herbei und salben sie. Sie ist zu müde von den letzten Abenteuern, um diesen ihr unverständlichen Vorgängen Aufmerksamkeit zu schenken. Mit zitternden Knien steht sie vor einem grossen Spiegel und lässt alles mit sich geschehen.

      Kostbare, kühle Gewänder werden über ihre Schultern geworfen. Man bindet edelsteingeschmückte Schuhe an ihre Füsse. Die Frauen legen Perlen und Diamanten um ihre Stirne. Mit wachsendem Staunen sieht Radanika selbst ihre leuchtende Schönheit in der Fläche des geschliffenen Glases.

      Leise Musik berauscht sie. Sie dringt von irgendwoher, und in den Kreis der schweigenden Frauen tritt plötzlich eine Tänzerin in farbenprächtigem Musselinschal, Goldplättchen in den Nasenflügeln. Die Musik verstärkt sich, wird zum ohrenbetäubenden Dröhnen von Gong, Hörnern und Klarinetten. Schneller dreht sich die Tänzerin im Natsch. Ihre goldenen Fussspangen schlagen klirrend zusammen, die silbernen Armfesseln beben, die Ohrgehänge fliegen. Die Frauen des Harems klatschen im Takt in die Hände.

      Fieber ergreift Radanika.

      „Trinke“, sagt eine schwarze Sklavin und reicht ihr einen goldenen Becher. Das klare Wasser duftet nach Rosen und ist mit dem betäubenden Saft der Kokablätter gemischt.

      Radanika trinkt, da erfasst sie die Ahnung einer unbekannten Gefahr. Sie schleudert den Becher von sich und eilt zur Türe. Im selben Moment treten vier Männer mit einer Sänfte ein. Radanika weicht zurück, ein Schwindel überwältigt sie. Sie breitet die Arme aus und verliert die Besinnung. Die Männer ergreifen sie und legen sie in die Polster des Ruhelagers.

      Man führt sie zum Nizam, wie der Radscha sich nennen lässt, zum Könige unter den Königen.

      5.

      Die beiden Engländer sitzen auf der Terrasse des Regierungsgebäudes. Die Nacht naht, ein kühler Wind weht schon von den Bergen.

      Die grauen Augen des alten Kolonialbeamten wandern in unbestimmte Fernen. Dort unten, am Fusse der Höhe, rollt der Fluss vorüber. An seinem Rande schwemmen graue Büffel schwerfällig Glut und Schmutz des Tages ab. Die grünen Triebe der Reisfelder lugen aus dem Wasser.

      Dahinter beginnt das Tal des Todes, das Tal des Fiebers: die Dschungeln.

      Sir Marshall wendet langsam den Kopf. Aus dem Urwald kommt ein Ruf, ein Schrei, der das Herz erbeben lässt, eine langgezogene Klage, das letzte Aufbäumen eines Lebens in Todesqual. Dann wird es wieder still.

      Ein Elefant trottet unten an der Strasse vorüber. Bandikarren ächzen.

      Der Colonel sitzt mit gesenktem Kopf, der Brand an seiner Zigarette eilt, von hastigen Zügen genährt, ruckartig voran.

      „Dieser Barbar!“ stösst er hervor. „Dieser — ein Radscha? Ein Fürst? In Ketten möchte ich ihn nach Bombay schleppen!“

      Er atmet schnell, seine Augen sind dunkel, sein Herz pocht unnatürlich hart und schwer.

      Sir Marshall zuckt die Achseln.

      „Was wissen wir von den anderen? Was wir sehen und was unsere Spione uns melden. Die belügen uns. Mögen sie uns auch noch so demütig Sahib und Sirdar nennen. Die Demut ist ihre Religion, sie bedeutet nicht Unterwerfung.

      Ihre Kinder aber lernen schon, der Europäer sei mit dem bösen Blick behaftet, sie fürchten ihn wie den Verwachsenen und verachten ihn zugleich wie jene menschlichen Dämonen, denen sie Salatstrünke an den Kopf werfen, wenn sie ihnen den Rücken kehren. Naht ein Europäer einem Lingwamtragenden, so wirft der seine Speisen vor die Hunde, denn unrein ist selbst der Schatten des weissen Mannes. Die Höflichkeit ist des Inders Waffe, verderblicher und gefährlicher als alle unsere Gewehre.“

      „Um so mehr müsste England auf der Hut sein! England beachtet die Zeichen zu wenig. Gerade an Einzelbeispielen müsste Britannien zeigen, dass es mit eiserner Kraft bereit ist, Auflehnungen niederzuhalten.“

      Der Resident lächelt nachsichtig.

      „Wir hätten nicht die Macht, dieses Volk zu bändigen, wenn es sich, beleidigt durch Übergriffe, einig erheben würde. Von Russland her fliessen die unterirdischen Ströme gefährlicher Ideen. Düstere Schatten fliegen den Erscheinungen voraus, die ich kommen ahne. Nein, wir müssen alles vermeiden, William, dieses Volk in seinem Lande zu beleidigen. Und was den Radscha betrifft: Wir haben kein Recht, in seine Häuslichkeit einzugreifen — und ich habe auch gar nicht die Macht dazu.“

      „Aber dieses Kind“, stammelt William wieder. „Dieses blühende Kind! Diese rätselhafte Menschenblume!“ Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, Widerspruch oder Wiederholungen mit Schärfe abzuschneiden, schweigt Sir Marshall. Dieses Schweigen lastet auf den Männern. Sie achten nicht darauf, dass der weissgekleidete eingeborene Diener den Tisch deckt. Sie hängen ihren Gedanken nach.

      Plötzlich sagt Sir Marshall unvermittelt, leise, zu sich selbst:

      „Seit ich hier bin, muss ich immer an das Schicksal meines armen Bruders Eduard denken.“

      William senkt den Kopf und blickt zu Boden. Der andere fährt fort. „Auch er wusste nichts von den Kräften und Gewalten, die dieses Land beherrschen. Jung und froh zog er mit seinem Zirkus durch Dschungeln und Städte und stieg die Berge hinan, ohne zu ahnen, welch furchtbares Schicksal neben ihm ging. Bis es zugriff.

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