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Predigt bringen würdest. Aber dann goß es und war kalt, und . . .

      › Es klärt auf. Es klärt bestimmt auf ‹ , sagtest du. Du sagtest es auch zu Hennings, als sie kamen. Und Henning antwortete in seiner trockenen Art: › Und wieder gilt der alte Spruch: Es klärt sich auf zum Wolkenbruch. ‹

      Das hörte ich damals zum ersten Mal.«

      »Richtig, Hennings! Hennings kamen.« Richard lachte in sich hinein, während er herumrutschte, damit das Tablett, das eben auf seinem Bauch landete, nicht schräg zu stehen kam. »Sie hatten sich zwar angesagt, aber der Brief muß verlorengegangen sein, oder – nein, Telefon hatten wir damals noch nicht. Und auch nicht allzu viel zu essen. Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen . . . Wir ahnten überhaupt nicht, was uns bevorstand.«

      »Und es schüttete. Und dann kam ein Sturm auf, der eine ganze Reihe von Dachpfannen abriß, und du und Henning – ich seh euch noch klettern, und . . .«

      »Und ihr standet unten und habt gezetert, ihr beiden holdseligen jungen Mütter, wie es immer heißt.«

      »Es war die reine Liebe. Wir hatten Angst um euch, Eve und ich.«

      »Eve, richtig! Eve Henning mit ihrer kleinen Christiane. Sie wollten ihr erstes Kind hier taufen lassen, weil ihr Vater hier einmal Pastor gewesen war oder ihr Großvater.«

      »Großvater. Und da kamen sie also, und wir hatten es vergessen. Besser: ich. Jaja, ich, du konntest nichts dafür. Und für das Wetter auch nicht, und das Essen reichte nicht . . .«

      »Es hat gereicht!« Richard, der wie viele Männer seiner Statur gutes und reichliches Essen sehr schätzte, sagte es im Brustton der Überzeugung. »Du hast großartig gekocht, und wenn man dünne Scheiben schneidet, werden es bekanntlich mehr. Es war, alles in allem, ein gelungenes Fest, an das man gern zurückdenkt, auch noch nach einem Vierteljahrhundert.«

      »Und du hast Wein herbeigezaubert in Mengen, ich habe nur so gestaunt. Hennings blieben über Nacht, es war so gemütlich.« Sie strich ihm ein zweites Brötchen und legte es auf den Teller vor ihn. »Komm, iß . . . Ja, und Christiane wurde die Kleine getauft, das paßte gut zu Krister. Sie haben noch eine Tochter bekommen, Hennings, eine Friederike, soviel ich mich erinnere.«

      »Und keinen Sohn?«

      »Doch, auch. Nur wir . . .«

      »Du bekommst mal Schwiegertöchter«, sagte er tröstend.

      »Jaja!« Sie lächelte, ihm zuliebe. Er wußte es.

      Zu gern hätte sie wenigstens eine Tochter gehabt. »Kein Kind mehr, unter gar keinen Umständen«, hatte der Arzt nach der Geburt des dritten Sohnes gesagt. Eine Zeitlang hatten sie dann eine Tochter annehmen wollen, ganz klein, als Säugling, am liebsten als Neugeborenes. Aber das war schwierig, ja unmöglich, da sperrte sich der Amtsschimmel, es kam jedenfalls nicht dazu. Nein, es wäre möglich gewesen, dachte Bess. Man hätte . . .

      »Bess, Lilli, Isawett! Willst du wirklich unser großes Fest trüben!« Er zog sie an sich, das Tablett verrutschte rettungslos. Es klirrte und rasselte.

      Und es rasselte noch etwas anderes in ihren Kuß hinein: das Telefon. Bess richtete sich auf und knurrte ein höchst unchristliches Schimpfwort, das er anstandshalber überhörte, während sie die Bettkante verließ und hinüberlief und den Hörer abhob.

      »Ja? Bitte? Hier Lauterbach. Wer? Was? Eve, du? Nein, sowas! Ihr kommt? Heute? Natürlich sind wir da, und . . . Na, ob wir uns freuen! Nein, wirklich. Wir sprachen gerade von euch, von der Taufe Kristers und eurer Ältesten. Also ihr kommt? Ausgezeichnet, bei uns ist sowieso heute großes Fest.«

      Während sie umherlief, um alles für den Besuch vorzubereiten, dachte Bess an Eve Henning. Die war nun schon seit ein paar Jahren Witwe, sie hatte ihren Mann, einen älteren Studienfreund von Richard, durch einen Herzinfarkt verloren. Dabei war er schlank, ja mager gewesen und hatte vernünftig gelebt. Schlanke Menschen bekommen seltener Herzinfarkte als beleibte, das wußte Bess. Richard wäre da viel gefährdeter.

      O Richard!

      Nein, jetzt wollte sie nicht daran denken. Nur daran, es Eve schön zu machen, sie herzlich zu empfangen und ihr alles zuliebe zu tun, was sie nur konnte. Vor dem Mittagessen würden sie nicht dasein, hatte Eve gesagt, vielleicht reichte die Zeit doch noch, daß sie trotz des Besuches mit zur Kirche ging.

      Die Zeit reichte. Aber richtig zuzuhören, dazu reichte es bei Bess an diesem Sonntag nicht. Richard sprach auch nicht so gut wie sonst, fand sie, und er sah schlecht aus, müde. Ich hätte ihn länger schlafen lassen sollen, dachte Bess reuig, er braucht seinen Morgenschlaf. Wie oft hatte sie sich das schon gesagt und wie oft dagegen gehandelt! Dafür mußte er sich nach dem Gottesdienst sofort hinlegen. Sie nahm sich fest vor, ihn dazuzubringen, und war mit ihren Gedanken schon wieder bei Hennings. Alle Kinder noch in der Ausbildung, als der Vater starb, wie schwer mußte das sein! Und wie lange würde es noch dauern, bis der Jüngste – ja, das jüngste Kind war ein Sohn, jetzt wußte sie es wieder – fertig und selbständig war!

      Bess fuhr auf, als Richard amen sagte. Sie hatte nur Bruchstücke von der Predigt mitbekommen. Beschämt erhob sie sich und legte die Hände zusammen.

      Der Sonntag ging nicht so gut weiter, wie er angefangen hatte, Bess mußte das kummervoll feststellen, obwohl sie wirklich alles tat, ihn festlich zu gestalten. Richard hatte sich natürlich nicht hinlegen können; da die Katechetin krank war, hielt er an diesem Sonntag selbst Kindergottesdienst, und als er dann ins Haus herüberkam, wartete bereits der Amtsbruder des Nachbarortes in seinem Zimmer. Bess brachte den beiden einen Schluck Wein und deckte inzwischen unten den Tisch, weckte die Söhne oder versuchte wenigstens, sie wachzukriegen, ärgerte sich, daß sie nicht aufstanden beziehungsweise schon fort waren. Martin als einziger erschien zur angegebenen Zeit am Mittagstisch, und dann wurde das Essen verschoben, weil man auf Hennings warten wollte. Bess hätte zu gern alle drei Söhne dabeigehabt. Martin war – nun, nicht der am wenigsten hübsche, das fand Bess nicht. »Du bist rettungslos verliebt in deine Brut«, hatte Richard manchmal gesagt. Aber Martin war zum Vortraben, wie die Bauern beim Pferdehandel sagen, vielleicht nicht ganz geeignet. Er trug, wie viele junge Männer, sein Haar allzu lang, jedenfalls nach Ansicht seiner Mutter. Es bauschte sich im Nacken, als wollte er es zum Pferdeschwanz anschonen oder einen Zopf tragen wie die Soldaten des Alten Fritzen. Bess fand das scheußlich, zumal er dazu ein Bärtchen hatte und ein wenig dick war für sein Alter. Er als einziger schlug in der Figur seinem Vater nach; Bess bemühte sich, es so zu sehen und nicht als Folge seiner Verfressenheit. Es brachte sie innerlich auf, wenn sie sah, wie Martin sich den Bauch vollschlug, während gerade er vorsichtig sein sollte mit den Kalorien. Freilich, es gab Fohlenspeck, der sich auswuchs, aber so jung war Martin mit seinen dreiundzwanzig ja auch nicht mehr. Und Bart und Locken als Buchhändler . . .

      Nun ja, heutzutage fiel so etwas nicht mehr aus dem Rahmen. Heute war alles möglich: Daß Jungen Locken trugen und Bärte, auf die sie wohl nächstens treten würden, am Sonntagmorgen einfach nicht aufstanden oder schon fort waren . . . Krister hatte ungefragt den Wagen des Vaters genommen und war damit verschwunden, ohne zu hinterlassen, wohin und bis wann. Der Jüngste schlief noch, herausfordernd und aufsässig, wie Bess fand, und der erwartete Besuch kam und kam nicht. Das Essen ließ sich auch nicht unbegrenzte Zeit warm halten, schließlich aßen sie zu dritt, Richard, Bess und Martin. Es herrschte keine Festtagsstimmung.

      »Ich kann nichts dafür, Eve sagte, sie würden mittags dasein«, verteidigte sich Bess kläglich, als Richard noch einmal fragte, was eigentlich verabredet gewesen sei.

      »Sie wollen nach dem Süden, Urlaub machen, alle vier zusammen.«

      »Vielleicht hast du dich verhört? Vielleicht hat sie gesagt: Nicht zum Essen?«

      »Ich verhör mich doch nicht. Immer soll ich schuld sein!«

      »Oder sie hatten einen Unfall und liegen im Krankenhaus«, sagte Martin gemütlich und nahm sich den siebenten Kloß, um seine nicht unbeträchtliche Sahnesauce aufzustippen. »Vielleicht sind sie auch schon tot . . .«

      Bess fuhr auf. »Bist du still! Das ist Blasphemie, sowas sagt man nicht. Bei der heutigen

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