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sieht. Kein Wunder, daß er sich in Edgewood die Beine abgelaufen hat nach einem Blumenstrauß. Alle Gärtnereien, jeder Blumenladen — ausverkauft. Nur noch halbverwelkte Schnittblumen und ein paar Töpfe, mit denen man beim besten Willen nicht in der Villa Harnish antreten kann. Die Ladeninhaber zucken bedauernd die Achseln: „Wir hatten uns eingedeckt, Sir. Aber die Waren gingen ja ab wie warme Semmeln. Geburtstag im Hause Harnish. Da ist’s kein Wunder, nicht wahr?“

      Sergeant Bixton ist trotz seines Glücksgefühls nicht in rosiger Stimmung, als er die Halle der Villa betritt. Hopkins, der Butler, merkt es und setzt pflichtschuldigst gleichfalls eine sorgenvolle Miene auf. Vielleicht ist es diese Jammermiene, die Bixton auf den Gedanken bringt, dem Butler sein Leid zu klagen. „Keine Blumen!‘ Hopkins wiegt bedauernd den Kopf. „Schlimm! Sehr schlimm! Der Gentleman kann natürlich nicht ohne Blumen als Gratulant erscheinen. Aber vielleicht ...“ kein Zug verändert sich in dem alten Dienergesicht, nur ganz hinten in seinen Augen blitzt ein verschmitztes Lichtlein auf, während er sich ein wenig zu dem Gast neigt: „... vielleicht kann ich dem Herrn behilflich sein.“ Mit einer runden Handbewegung weist Hopkins auf die Körbe und Sträuße, die dichtgedrängt die halbe Halle füllen. „Go on!“ Bixton erfaßt mit einem Blick die Situation, greift aufs Geratewohl einen Orchideenstrauß aus der Menge heraus und hält ihn dem Butler unter die Nase: „Wieviel?“

      Tief in Hopkins korrektem Dienerherzen tobt ein stiller Kampf. Aber auf eine so sachliche und präzise Frage gibt es nur eine Antwort.

      „Zwei Dollar, Sir!“ lispelt der Butler. Den Schein, den Bixton ihm gibt, läßt er mit einer kleinen zustimmenden Verbeugung in seiner Hosentasche verschwinden. Das „Danke!“ schenkt er sich diesmal. Es ist besser, so schnell wie möglich über dieses kleine Extrageschäftchen hinwegzugehen.

      Drinnen im Saal hat Dr. Westphal sich inzwischen durch die Menge der Bekannten und Mitgäste hindurch Howdoyoudo’t. Er kann zufrieden sein. Harnish behandelt ihn mit ausgesprochenem Respekt, sogar mit Auszeichnung. Er hat ihn selber einer Reihe von großen Tieren der Gesellschaft und Finanz vorgestellt und jedesmal hinzugefügt: „Der beste Mann, den die chemische Wissenschaft in Amerika hat.“ Auch die anderen behandeln ihn aufmerksam. Schließlich ist Dr. Westphal der Mann, der das neue Gas gefunden hat. Ein Millionenobjekt, sagt man. Also ein Mann, der gewissermaßen Harnish ein paar Millionen geschenkt hat, ein Mann, der Vorteile bringen kann. Das imponiert auch den Dollarmenschen, die sonst nicht viel übrig haben für einen „Man of science“ und die Wissenschaft als ein wenig fruchtbringendes Liebhabergebiet betrachten. Nun steht Westphal, von Harnish selber präsentiert, endlich vor dem Geburtstagskind und kann seinen Spruch herleiern.

      „Oh, wirklich? Auch Sie?“

      Es liegt fast etwas Beleidigendes in Janes Worten, und die Art, in der sie seinen Blumenstrauß nimmt, streift fast an die Grenze des konventionell Erlaubten. Westphal fühlt eine Röte des Unmuts in sein Gesicht steigen, und Harnish beeilt sich, auch hier mit Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, daß er Mr. Westphal zu großem Dank verpflichtet sei.

      Jane nickt. „Ich weiß die großen Fähigkeiten Dr. Westphals wohl zu schätzen, Vater.“ Und im Bestreben, ihre Unfreundlichkeit gutzumachen, wendet sie sich an die Freundinnen, die sie — wie Sterne die Sonne des Tages — in flimmerndem, duftigem Kranz umgeben:

      „Mein Vater hat keinen besseren Mitarbeiter als Dr. Westphal.“

      Gerhard horcht verwundert auf. Warum nur klingt eine unverkennbare leise Bitterkeit durch diese Worte? Aber er kommt nicht dazu, darüber nachzudenken. Jane Harnish hat Brixton bemerkt, der sich etwas verlegen an die Gruppe herangedrückt hat, seine Orchideen in der Faust. Lebhaft, angeregt winkt sie dem Sergeanten zu.

      „Gestatten Sie auch mir, Miß Harnish ...“

      „Oh — Jonny! Wie lieb von Ihnen!“ Kameradschaftlich, herzlich streckt Jane ihm ihre Hand entgegen. Dr. Westphal ist erledigt und tritt, aufatmend, wie nach einer überstandenen Audienz, einen Schritt zurück. Die Freundinnen sehen sich vielsagend an. Jonny? Wieso — Jonny? Ihre Neugier wird rasch gestillt, denn Harnish klopft dem jungen Mann jovial auf die Schulter:

      „Darf ich Ihnen Sergeant Bixton vorstellen, liebe Daisy? Mein Kurier und außerdem ein guter Freund Janes.“

      „Oh!“ Daisy Glenn macht aus Gewohnheit ihre Flirtaugen, während sie dem Sergeanten die Hand reicht. Mildred Bruce kann eine ganz kleine Spitze nicht unterdrücken:

      „Ich glaube, ich habe Sie schon mal gesehen, Mr. Bixton. Fuhren Sie nicht neulich über die Strandpromenade? Am Mittwochabend, glaub ich.“

      „Ja, wir fuhren an dir vorbei!“ fällt Jane gelassen ein. „Wir machten gerade unsere abendliche Spazierfahrt.“

      „Oh!“ Mildres märchentief verlogene Kinderaugen sitzen auf Stielen. Ringsum stehen die Plappermäuler offen vor Erstaunen. Mr. Harnish beeilt sich, der Situation die Spitze abzubrechen:

      „Mr. Bixton ist ein hervorragender Soldat, meine Damen. Hat als ganz junger Bursche am Weltkrieg teilgenommen. Dekoriert von General Pershing und Marschall Foch.“

      „Indeed?“ Das Interesse der jungen Damen wird lebhaft.

      „Haben Sie diese Uniform im Krieg getragen?“

      „Bitte, Mr. Bixton, schreiben Sie Ihren Namen hier in mein Buch! Hier — gleich hinter Mr. Schmeling!“

      „Sie müssen uns vom Krieg erzählen, Mr. Bixton. Der Krieg war so interessant!“

      „Der Krieg war furchtbar.“

      Hart und schwer fallen Janes Worte in das Geplätscher. Seltsam, ihre Augen suchen dabei Gerhard Westphal, der sich im Hintergrund hält. Westphal begegnet dem Blick und fühlt einen Moment lang einen kalten Schrecken. Was ist das? Was da aus Jane Harnishs Augen zu ihm hinüberströmt, das ist nicht Unfreundlichkeit oder Hochmut. Das ist Haß, eine Welt von Haß.

      Aber schon geht das Geplauder weiter. „Yes, deary.“ Der Gastgeberin widerspricht man nicht, wenn sie auch noch so seltsame Ansichten äußert. Die jungen Damen pflichten eifrig bei: „Wie wahr! Er war furchtbar! Man konnte im Krieg nicht mal zur Saison nach London fahren.“

      Janes Augen ziehen sich von Dr. Westphal zurück, heften sich wieder auf Bixton, der nicht recht weiß, wie er sich an dem lustig dahinhüpfenden Gespräch beteiligen soll. Ihre Hand spielt mit einer Blume.

      „Sind Sie gern Soldat, Jonny?“

      Bixton sieht verwundert auf. Sein „Ja“ kommt so erstaunt-selbstverständlich, so ganz ohne Pathos, daß niemand an seiner Aufrichtigkeit zweifeln kann.

      Jane macht eine Bewegung, als ob sie etwas erwidern wollte, aber eine der jungen Damen kommt ihr zuvor:

      „Waren die Deutschen sehr schlimm im Kriege, Mr. Bixton?“

      Bixton kann ein kleines Lächeln nur mühsam unterdrücken. „Die Deutschen sind tüchtige Burschen.“ Eine Erinnerung läßt ihn auftauen und gesprächiger werden, als es sonst seine Art ist. „Ich lag bei Chateau Tierry einmal vier Stunden lang mit einem von ihnen in einem Granattrichter. Wir waren beide verwundet hineingerollt. Während das Artilleriefeuer über uns wegging, verbanden wir uns gegenseitig, so gut es gehen wollte.“

      „Warum haben Sie ihn nicht getötet, Jonny?“

      Maßlos verblüfft starrt Bixton die Fragerin an. Ganze vier Sekunden braucht er, um die Frage zu verdauen. Dann schüttelt er vorwurfsvoll den Kopf.

      „Wir waren beide verwundet, Miß Jane. Lagen im selben Loch. Die nächste Granate, ob deutsch oder amerikanisch, konnte uns beide erledigen. Kameraden.“

      „Aber doch feindliche Kameraden. Ganz ehrlich, Jonny: Als Sie da mit dem Deutschen zusammen in dem Granattrichter lagen, was haben Sie da gedacht?“

      Bixton besinnt sich. „Nun, ich dachte,“ sagt er langsam, „ich dachte, daß es gut sei, einmal Atem zu schöpfen, und daß wir beide jetzt Ruhepause hätten. Ein schlechter Boxer, der den Gegner angreift, wenn der Ringrichter den Gang abgepfiffen hat.“

      Harnish nickt zustimmend mit

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