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Gebt uns ehrliche Waffen. Axel Rudolph
Читать онлайн.Название Gebt uns ehrliche Waffen
Год выпуска 0
isbn 9788711445075
Автор произведения Axel Rudolph
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mannsgroße Plakate warnen, Anschläge mit ausführlichen Schutzvorschriften bedecken die Außenwand der Wärterhäuschen. Rund um den Tank patroulliert ein Mann mit einem verbissenen Bulldoggengesicht. Ein Mann, dem man trotz der unauffälligen Zivilkleidung auf zehn Schritte den Werkdetektiv ansieht, auch wenn man die typische Wölbung seiner Hüftentasche nicht bemerkt. Etwas abseits ein zweiter Mann vom gleichen Schlage im Gespräch mit einem Soldaten in der Uniform des in Edgewood stationierten 1. Gas-Regiments.
Jane stoppt ihren Wagen ab und winkt dem Soldaten. Der Zivilist greift gelassen grüßend an seine Melone. Jane beugt sich ein wenig aus dem Wagen vor, das konventionelle, nichtssagende Lächeln der amerikanischen Dame im Gesicht.
„Ist Sergeant Bixton aus Washington zurück?“
Der Soldat salutiert fast dienstlich:
„Nicht gesehen, Miß Harnish. Heute morgen war er noch nicht beim Appell.“
„Thank you.“
Der Wagen springt wieder an. Der Mann mit der Melone schiebt, dem Wagen nachsehend, einen neuen Wrighley in die Mundhöhle.
„Gute Chancen für Sergeant Bixton. Der Leutnant ist ihm sicher.“
Der Soldat nickt vergnügt. „Hat er längst verdient. Kein besserer Soldat im Gas-Regiment als Sergeant Bixton.“ — — — — — — — — — —
Am Werktor IV hält der alte Nel Croft den Pförtner am Rockknopfe fest. Die Hände des alten Arbeiters zittern. In seinen Triefaugen steht ein eindringliches Bitten. Der Pförtner fühlt einiges Mitleid mit dem Mann, aber schließlich kann er nicht gegen seine Instruktionen handeln. Nel Croft hat keine Kontrollkarte, sondern nur einen Krankenschein. Folglich darf er ihn nicht ins Werk lassen. Eine klare Sache.
„Aber ich muß ins Werk!“ Die brüchige Stimme des Alten blubbert vor Erregung. „Sie müssen das doch einsehen, Mr. Corner. Seit acht Wochen bin ich krank. Sie wissen doch, was es an Krankengeld gibt. Meine Tochter hat auch nur Halbschicht in dieser Zeit. Wir schulden im Konsum, wir schulden die Miete. Wo soll das hin, wenn ich nicht arbeiten darf?“
„Wenn Sie doch krank sind ...“
„Krank?“ In dem abgezehrten Gesicht des Alten zuckt und rüttelt es. „Natürlich bin ich krank. Eine Gasvergiftung geht nicht so schnell wieder weg. Aber ich bin doch aus der Behandlung entlassen. Ich kann wieder arbeiten und ich will arbeiten. Verstehen Sie mich, Mr. Corner?“
Der alter Croft will einen Schritt vorwärts machen, gibt es aber wieder auf. Der Pförtner steht wie ein Fels. Da gibt es kein Vorbeikommen. Behutsam schiebt er den alten Mann ein wenig zurück, dem Ausgang zu.
„Mr. Carter ist heute nicht da. Gehen Sie morgen zu ihm ins Büro, so gegen zehn Uhr. Er wird Ihnen dann wohl eine neue Arbeit verschreiben, irgendwo in einer anderen Abteilung.“
Ein krankhaft eigensinniger Zug breitet sich über das Gesicht des Alten. „O no! Ich will in keine andere Abteilung! Ich werde weiter beim Phosgen arbeiten, Mr. Corner.“ Seine Stimme steigert sich plötzlich zu einem schrillen Kreischen. „Bei dem Teufelszeug, das mir die halbe Lunge verbrannt hat! Nirgends anders.“ Der Pförtner hat schon unwillig die Hand gehoben, um den krankhaften Ausbruch des Alten zu dämpfen, aber die Stimme des alten Croft wird ebenso plötzlich, wie die angestiegen ist, wieder ganz still und hilflos: „Ich habe dieses Gas gern,“ sagt er leise. Und als der Pförtner ihn mißtrauisch-zweifelnd ansieht, fügt er in einem greisenhaft-kindischen Ton hinzu: „Es ist doch ein Teil von mir. Ich trag es ja in meinem Körper.“
„Verrückt,“ denkt der Pförtner. Aber er kommt nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben. Er läßt den Alten stehen und springt, von einem Hupensignal geweckt, dienstbeflissen an das Tor, um Miß Harnish hineinzulassen. Ais er sich umwendet, ist der alte Croft verschwunden. Er hat den Augenblick benutzt, um sich in den Werkshof zu schleichen und sich seitwärts um einige Schuppen zu drücken.
„Ohne Kontrollmarke,“ brummt der Pförtner verärgert, doppelt verärgert, weil er weiß, daß er seinen Posten nicht verlassen und dem Unbotmäßigen nachsetzen kann. „Aber warte nur, mein Alter! Mußt ja heut abend denselben Weg raus. Da kriegst du von mir eine Zigarre, an der du vierzehn Tage zu rauchen hast.“
Janes Wagen fliegt unterdessen die Landstraße entlang, die von den Harnish-Werken zum Villenviertel von Edgewood führt, eine tadellose, breite, asphaltierte Autostraße. Sie sticht in ihrem Gesamtbild etwas ab von den üblichen Autostraßen Amerikas, denn die Fußsteige an beiden Seiten sind ungewöhnlich breit und — was man in Amerika selten sieht — belebt. Auf den großen Fahrstraßen durch die Staaten ist die Spezies der Fußgänger fast ausgestorben. Die Entfernungen von einer Stadt zur anderen sind zu groß, als daß man sie zu Fuß zurücklegen könnte. Man hat auch keine Zeit dazu. Selbst die Tramps denken nicht mehr daran, zu Fuß zu tippeln. Die Alten, die an der Tradition hängen, nisten sich nach wie vor in den Güterzügen ein. Die jüngere Generation läßt sich von vorüberfahrenden Autos mitnehmen.
Hier aber kommen Scharen von Fußgängern dem Auto entgegen; es sind Arbeiter, die nach Edgewood zur Schicht gehen. Es ist etwas Eigenartiges um diese Arbeiter von Edgewood. Sie haben nichts gemein mit den grauen Massengestalten der Fabrikarbeiter und Bergleute in den europäischen Industriegebieten. Man sieht keine zerschlissenen Kittel und Anzüge, die von Armut und Not reden, keine verbitterten, abgezehrten Gesichter, aus denen der ungestillte Hunger eines unwillig getragenen Daseins spricht. Es sind amerikanische Arbeiter, first class workmen. Edgewood bezahlt seine Arbeiter gut. Harnish und seine Geschäftsfreunde haben längst erkannt, daß es sich bezahlt macht, den Arbeiter bei guter Stimmung zu halten. Und dennoch haben diese Arbeiter von Edgewood etwas, das sie unterscheidet von den selbstbewußten Workmen in anderen amerikanischen Fabriken. Sie gehen nicht, sie trotten. Langsam und schwerfällig, als laste ein Druck auf ihnen. Irgendwie sind alle diese Gesichter den stumpfen, verbitterten Bergmannsgesichtern der alten Welt verwandt, den Menschen, die unter Tage arbeiten, denen die Sonne nur in Feierstunden scheint. Das ist das Gas. Es liegt auf den Leuten von Edgewood wie ein immerwährender Alp, dumpf, erstickend, atembeengend. Es rasselt im Husten des Mannes, der tagsüber im giftigen Nebel stand. Es droht in den zerfressenen Fingern des Arbeiters, der seinen Lohn im Kampf mit Säuren und giftigen Dämpfen erarbeitet. Es spukt in den Träumen der Arbeiterfrauen, die ängstlich hinüberstarren zu den drohenden Tanks, unter deren Schatten ihre Männer leben und schaffen.
Ein junger englischer Maler hat einmal ein Bild von Edgewood gemalt, ein Bild grau in Grau, eine Nebelstadt, die aus fahlgelben, drohenden Schwaden emporwächst. Das Bild ist von der Jury ausgelacht worden, und man hat dem Phantasiegebilde jede Ähnlichkeit abgesprochen mit den wirklichen, mustergültig sauberen, modernen und freundlichen Arsenalen von Edgewood. Und doch hat dieser Maler die Wirklichkeit besser gesehen als alle Kameraplatten der Welt. Er hat das Edgewood gemalt, wie es in den Gesichtern der Arbeiter geschrieben steht.
Einzeln und in Gruppen trotten die Arbeiter der Belegschaft an Janes Wagen vorbei. Hier und da tippt einer grüßend an die Mütze. Andere drehen den Kopf über die Schulter und sehen dem eleganten Car nach. Und man weiß nicht recht, was in diesen Augen geschrieben steht: Wunschträume, Erfolgsbewunderung, Neid oder Feindseligkeit.
Jane Harnish fliegt in ihrem Wagen aus der Dunstatmosphäre der Werke hinaus, dem Villenviertel entgegen, das im blendenden Sonnenlicht des Sommertages daliegt.
Schon von weitem winken von der Veranda der Villa Harnish duftige Spitzentüchlein dem ansausenden Wagen entgegen. Schmetterlingsgeflatter den wohlgepflegten Gartenweg entlang, als Jane in elegantem Bogen einschwenkt und stoppt. Küsse, Umarmungen, Gratulationen.
„Oh, Jane! Warum bleibst du so lange?“
„Wir sind schon über eine Stunde hier!“
„Mildred