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Gebt uns ehrliche Waffen. Axel Rudolph
Читать онлайн.Название Gebt uns ehrliche Waffen
Год выпуска 0
isbn 9788711445075
Автор произведения Axel Rudolph
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Glückwunsch, Miß Jane!“ — „Ich gratuliere!“ — „Meinen herzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag!“
Es liegt mehr als bloße, konventionelle Höflichkeit in diesen Geburtstagswünschen, ob sie nun feierlich hergesagt oder im Vorbeigehen ihr burschikos zugerufen werden. Das freundliche Lächeln der Kollegen gilt der Kollegin, nicht der Tochter des Chefs. Und Jane Harnish erwidert jedes Lächeln.
Erst als sie vor der Tür steht, die die Aufschrift „Labor Dr. Westphal“ trägt, verschwindet das Lächeln von ihrem Gesicht. Auch in dem großen Saal, den Jane nun durchschreitet, ist das Lächeln der dort arbeitenden Kollegen um eine Nuance zurückhaltender, die Glückwünsche etwas leiser und flüchtiger. Hier wird mit dem neuen Gas experimentiert, und das erfordert angespannte Konzentration. Eine Glastür führt vom großen Saal in das Privatlabor Dr. Westphals, das fast ebenso groß ist. Aber im Gegensatz zu dem Arbeitsbetrieb im Assistentensaal herrscht hier fast feierliche Stille. Nur wenige Tiegel und Retorten, dafür aber große Schränke voll Aktenbündel und Tabellen. Dr. Westphal, der Chefchemiker der Harnish-Werke, erhebt sich von seiner Schreibtischarbeit, als Jane Harnish eintritt und mit leichtem Gruß die Tür hinter sich zuzieht.
„Entschuldigen Sie die Störung, Dr. Westphal. Aber ich muß Sie fragen: Hat meine Vermutung, daß die Toxine der Cyanitgruppe zersetzend die Blutkörperchen angreifen, sich als stichhaltig erwiesen?“
Dr. Westphal sieht einen Augenblick vor sich hin, wie um seine Gedanken auf diesen Punkt zu sammeln.
„Unsere Tierexperimente haben bis jetzt Ihre Annahme bestätigt, Miß Harnish. Das Material darüber stellt Ihnen Dr. Banft morgen zur Verfügung. Es fragt sich aber, ob bei der wesentlich anders gearteten Zusammensetzung des menschlichen Blutes diese Erscheinung auch am menschlichen Organismus auftritt. Wir haben darüber bis jetzt noch keine Erfahrungen.“
Dr. Westphals Stimme klingt leise, leidenschaftslos, sachlich-kühl. Seine ruhigen Augen sehen an Jane Harnish vorbei. Jane haßt diese kalten Züge und weiß gar nicht, daß sie in diesem Augenblick nicht viel mehr sind als ein Spiegelbild ihres eigenen, kalt verschlossenen Gesichts.
„Danke!“ sagt Jane eisig. „Ich wollte es nur wissen, da ich Dr. Kemblay für heute die weitere Beobachtung überlassen habe. Ich mache heute Feiertag.“
„Oh, ich vergaß.“ Dr. Westphal macht eine förmliche Verbeugung. „Meinen ergebensten Glückwunsch zu Ihrem Geburtstag, Miß Harnish.“
„Vielen Dank. Mein Vater hat Ihnen eine Einladung zu unserer kleinen Feier geschickt?“
Dr. Westphal nickt. „Ich werde gern davon Gebrauch machen.“
Kühl und konventionell wie Dr. Westphals Worte ist Janes zustimmendes Kopfnicken. Nicht einmal das übliche, nichtssagende Lächeln der Dame vermag sie auf ihre Lippen zu zaubern hier in diesem leeren, großen Raum, vor diesem leeren, kalten Gesicht da. An der Tür wirft Jane Harnish unwillkürlich noch einmal einen Blick zurück durch die Glasscheibe und nimmt den Eindruck des scharf ausgearbeiteten Gelehrtenkopfs mit, der sich am Schreibtisch schon wieder über seine Arbeit gebeugt hat.
„Da sitzt er nun wie die große giftige Spinne im Netz,“ geht es ihr durch den Sinn, während sie zurück durch die Labors wandert. „Kennt keinen anderen Ehrgeiz, als neue Gase, neue Kombinationen zu ersinnen, die eine giftiger und furchtbarer als die andere, lagert den lauernden Tod hübsch in Gläser und Flaschen und denkt nur an seine Wissenschaft, nicht an die Menschen, die einmal sich darunter winden werden. Der Dr. Gerhard Westphal!“ Ein bitterer Zug legt sich um Janes Mund. Einmal, ja einmal, da hat Gerhard Westphal anders ausgesehen. Damals, als sie drüben jenseits des großen Wassers im alten lieben Heidelberg bei ihm im Hörsaal saß, damals, als der Privat-Dozent der Chemie Dr. Gerhard Westphal nach den Vorlesungen wie ein junger Student mit ihr durch die Neckardörfer streifte, lustig, übermütig, sich ausschütten wollte vor Lachen über die Amerikanerin, die nichts begriff von der Schönheit seiner Heimat, und so lange lachte, bis auch Jane Harnish ihre amerikanische Nüchternheit vergaß, herzlich mitlachte und durch das Lachen hindurch einen Hauch jener alten, romantischen Welt Heidelbergs verspürte. Bis sie dann eines Tages eine Fahrt machten zu den Höchster Farbwerken. Bei der Besichtigung dort war es gewesen. Da hatte Gerhard Westphals Gesicht plötzlich einen strengen, harten Zug bekommen, und seither war das Grübeln nicht mehr aus ihm gewichen. Jane Harnish war nach Beendigung ihrer Studien nach Hause zurückgefahren. Und nach einem Jahr war dann der Name Gerhard Westphals als des Entdeckers eines neuen Gases durch alle Fachblätter gegangen. Die Edgewood-Werke waren aufmerksam geworden und hatten sich den Mann herübergeholt durch das Angebot eines Arbeitsfeldes, wie es die Heimat ihm niemals bieten konnte. Gerhard Westphal war der Chefchemiker der Harnish-Werke geworden.
Der bittere Zug um Jane Harnishs Mund bekommt etwas Verächtliches. Schwindel, die ganze Alt-Heidelberg-Romantik. Das also war das Ende des freien, stolzen Burschenliedes: Chefchemiker der Harnish-Werke, der Mann, der aus tausend Retorten, mit allen Fähigkeiten seines Geistes den Tod braute für eine Welt!
In ihrem eigenen Labor hat der erste Assistent, Dr. Murphy, bereits Janes Platz eingenommen und sich in die Arbeit vertieft. Die Laborantin öffnet ihr beflissen die Tür, sieht ihr mit einem leisen Anflug von Neid nach. Vier Stunden Morgenarbeit im Labor! Heute, an ihrem Geburtstag! Wo sie es doch gar nicht nötig hat, sie, die einzige Tochter des großen I. T. Harnish. Unzufrieden macht sich die Laborantin an die Tabellen. Wenn Miß Harnish nicht den Spleen hätte, im Labor zu arbeiten, sondern täte, was ihr zukommt: sporteln, tanzen, reisen, flirten — man könnte längst befördert sein hier im Werk! — — — — — — — — — — — — — — —
Draußen im Werkshof, vor der Tür des Laboratoriums, steht ein eleganter, fabrikneuer Roadster. Jane Harnish geht um ihn herum und besieht ihn kennerhaft von allen Seiten. Ein leises Lächeln huscht dabei über ihr ernstes Gesicht. Der gute Daddy! Vor einigen Wochen hat sie einmal davon gesprochen, daß dieser neue Autotyp ihr gefallen könnte. Nur so nebenbei. Und schon hat er ihr zum Geburtstag den Wagen verschrieben.
Jane Harnish setzt sich ans Volant, probiert sachkundig die Zündung, die Bremsen aus, gibt Gas — der Wagen springt an wie ein Vollblut-Fohlen, das zum ersten Male von der Leine gelassen wird.
Mitten durch die Harnish-Werke geht die Fahrt. An Hallen und Maschinensälen vorbei, hoppla, über Eisenbahnschienen und Drehscheiben. Alles hier im Werk atmet Amerika. Keine Spur von dem unfreundlichen Durcheinander der großen Fabriken, die Jane Harnish während ihres Studienaufenthaltes drüben in Europa kennengelernt hat. Keine rauchgeschwärzten Mauern, keine vernachlässigten, ungepflasterten Wege. Hier ist alles sauber, freundlich im Stil, frisch. Für modernste Maschinen die modernsten Einrichtungen, praktisch, den hygienischen und sanitären Forderungen entsprechend, dabei weitausgedehnt die Anlagen, fast eine Verschwendung von Raum. Sinnbild des weiten Landes, in dem die Fabrik steht. Man könnte diese Fabrikstadt mit ihren breiten, sorgsam asphaltierten Straßen, ihren schnittigen Sandsteinhallen und Gebäuden für ein Erholungsheim halten. Wenn nicht die bedrückende Luft wäre. Dicke, stickig-dumpfe Luft, die über dem ganzen Werk liegt und die freundlichen Farben der Gebäude verblassen läßt. Aus diesem weißlichgelben Qualm, der aus den Schloten steigt, und den der Wind wieder herunterdrückt, daß er wie Nebelschwaden über die niederen Dächer streicht, weht etwas wie Warnung, etwas Undefinierbares, das die Freude an den schönen Anlagen langsam erstickt. Vielleicht kommt es auch daher, daß der Himmel bleischwer und grau über dem Werk hängt, heute wie alle Tage. Vielleicht ist es der Geruch der Chemikalien, der graues Unbehagen weckt, sich beklemmend auf den Atem legt. Trotz ihrer musterhaften Einrichtungen bedrückt diese Fabrikstadt mehr als alle schwarzen Höfe und Maschinenhallen der alten Welt.
Der Wagen biegt um eine Ecke. Breit, massig, unheimlich wuchten über zwerghaft niederen Dächern die gewaltigen Tanks hervor, glotzen augenlos über das Werk hinaus, drohend, stumm: die Ätylenanlage, der