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ihre Handys ausgeschaltet haben, damit man sie nicht orten kann. Also ich an ihrer Stelle würde so handeln«, ergänzte Leandro beschwichtigend.

      Lion schaute auf: »Diese Möglichkeiten habe ich in Gedanken auch alle durchgespielt. Mein Gefühl sagt mir aber, dass sie entführt worden sind. Wenn sie sich abgesetzt hätten, dann hätten sie das ja mir oder Ariel mitteilen können. Haben sie aber nicht!«

      »Was heißt das für uns?«, fragte Jackie nach.

      »Dass wir der Wahrheit ins Auge schauen müssen!«, murmelte David kapitulierend. »Wenn Lions Befürchtungen stimmen, müssen wir davon ausgehen, dass Gilbert Winter dahintersteckt.«

      Leandro seufzte: »Na gut, legen wir die Karten auf den Tisch. Gehen wir mal davon aus, dass Gilbert Winters Leute die Familie Daniels entführt haben. Aber was möchten sie damit erreichen?«

      Jackie schaute zu Lion hinüber und sprach das aus, was alle dachten: »Es geht bei der Sache nicht um deine Familie, Lion! Es geht hier einzig und allein um mich. Sie wollen dich aus der Reserve locken. Sie wollen dich dazu zwingen, …«

      Jackie schluckte und konnte den Satz nicht vollenden.

      Leandro runzelte die Stirn: »Meinst du vielleicht, sie wollen Lion vor die Entscheidung stellen – die Familie Daniels im Tausch gegen dich, Jackie? Ist es das was du sagen wolltest?«

      »Ja«, quetschte Jackie gequält heraus. Ihr Kehlkopf war wie zugeschnürt und sie hatte Mühe, weiterzusprechen. Sie massierte sich den Hals und räusperte sich laut, um damit die Verkrampfung etwas zu lösen.

      »Oder … glaubt ihr ernsthaft, Gilbert Winter will sich einfach nur an Lion irgendwie rächen? Dann hätte er sie ja gleich … umbringen können.«

      Lion griff den Gedanken auf: »Du meinst, dieser Winter glaubt ernsthaft, dass ich dich im Tausch gegen meine Familie herausgeben würde? Niemals, Jackie! Der Gauner kennt mich nicht! Ich lasse mich doch nicht erpressen! Vor allem gebe ich dich niemals wieder her, Jackie! Um keinen Preis der Welt. Lieber gehe ich selbst drauf.«

      Die anderen ließen Lions Worte auf sich wirken, bis Leandro die Stille unterbrach.

      »Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf behalten und in Ruhe nachdenken, was wir tun können. Einerseits sollten wir keine Schwarzmalerei betreiben, andererseits auf alles gefasst sein. Oder was schlagt ihr vor, was wir jetzt tun sollten?«

      »Beten!«, platzte Jackie dazwischen, die erst wenige Tage zuvor im Kibbuz eine bewusste Entscheidung getroffen hatte, Jesus Christus ihr Leben anzuvertrauen. Unsicher schaute sie zu David, der schon sehr lange Christ war und einen unerschütterlichen Glauben besaß.

      Nein, David lebte und handelte nach diesem Glauben in einer Weise, die auch Kritiker überzeugen musste. Selbst Leandro, der eigentlich ein überzeugter Atheist oder Realist war, wie er sich nannte, schätzte David sehr und beneidete ihn ein wenig um seinen authentisch gelebten Glauben.

      Auch Lion, der sich selbst nicht als einen Christen betrachtete, obwohl seine Eltern alles unternommen hatten, ihn vom christlichen Glauben zu überzeugen, sah in David einen inneren Frieden, der ihn irgendwie überzeugte. Ja, David besaß etwas, was er selbst nicht hatte: Tiefen Frieden mit Gott. Und David redete mit Gott so, als ob er eine echte Person direkt vor sich hätte, einen Freund, einen Vater, dem er bedingungslos sein Leben anvertraut hatte.

      Instinktiv blickten alle drei gleichzeitig zu ihm.

      David bemerkte, dass er jetzt gefordert war, und sprang entschlossen auf: »Also wer außer Jackie und mir auch noch den Eindruck hat, dass wir die Sache vor Gott bringen und beten sollten, der kann uns gerne in den Nachbarraum begleiten.«

      Jackie sprang sofort auf, und warf Lion einen unwiderstehlich einladenden Blick zu. »Also ich bin dabei. Und wenn du willst, kannst du gerne mitkommen. Brauchst ja nicht selbst zu beten, sondern kannst ja einfach nur dabei sein und zuhören.«

      Lion rang mit sich. Nach einem kurzen Zögern gab er sich einen Ruck, stand auf und folgte den beiden.

      Nur Leandro blieb schweigend am Tisch sitzen.

      * * *

      Ägypten – 13. Juli, 23:30 Uhr

      Janina verließ verzweifelt das Zelt des Professors.

      Nachdem sie sich ein Herz gefasst und ihm die Nachricht von Fabricio Mantovani gezeigt hatte, hatte der Professor zunächst einmal verhalten distanziert reagiert. Erst nach einer längeren Schweigepause hatte er sie tieftraurig angeschaut und ihr mit freundlichem Ton verkündet: »Sie dürfen morgen ihre Sachen packen und nach Hause fahren, Janina. Und jetzt gehen Sie mir bitte aus den Augen.«

      Danach hatte er sich von ihr abgewandt und weiter an der Reparatur der 3-D-Kamera gearbeitet, so als ob nichts gewesen wäre.

      Janina wusste, dass sie es sich mit Professor Novotny für immer verscherzt hatte. Sie hatte es vermasselt!

      Warum nur hatte sie ihm gegenüber überhaupt zugegeben, was sie getan hatte? Hatte sie sich etwa Erleichterung ihres angeschlagenen Gewissens erhofft? Oder wollte sie als Christin einfach nur ehrlich sein?

      Aber was spielte das jetzt überhaupt noch für eine Rolle? Sie hatte es verbockt. Sie hatte die große Chance verspielt, mit einem renommierten Professor zusammenzuarbeiten und dabei Großes zu erreichen. Sie hatte einen Menschen zutiefst enttäuscht, der es einfach nicht verdient hatte, enttäuscht zu werden.

      Janina fing laut an zu schluchzen und stolperte in die Nacht hinein.

      * * *

      Als ihre Tränen endlich aufhörten, ihr wie Sturzbäche über die Wangen zu laufen, beschloss Janina Adams, zurück zum Zeltlager zu gehen, um doch noch einmal mit Professor Novotny zu reden. Sie wollte ihr Fehlverhalten um jeden Preis wiedergutmachen. Plötzlich, sie sah schon die Zelte, hörte sie mehrere laute Schreie, die von den beiden Ägyptern kamen, die für die Sicherheit ihres Lagers verantwortlich waren. Die beiden hatten sich hinter einem Felsen verschanzt, die Waffen auf einen für Janina unsichtbaren Gegner gerichtet.

      »Stopp! Wagen Sie es nicht, näher zu kommen! Wir werden sofort schießen!«, rief Sekani, einer der beiden Ägypter in die Nacht hinein und gab mit seinem alten Gewehr einen Warnschuss ab.

      Daraufhin folgte ein heftiger Schusswechsel, und die Scheiben des Jeeps, der direkt hinter den beiden Ägyptern stand, gingen zu Bruch.

      Janina brachte sich hinter einer Mauer der alten Ausgrabungsstätte in Sicherheit und beobachtete fassungslos, was sich im hellen Mondlicht vor ihren Augen abspielte.

      Die beiden Ägypter schossen mit ihren alten Gewehren aus der Deckung heraus auf einen unsichtbaren Feind, der sich nicht weit entfernt vom Lager ebenfalls verschanzt hatte und das Feuer erwiderte.

      Da! Eine Gestalt verließ die Deckung, zog eine Handgranate aus der Tasche und wollte sie in Richtung der beiden Ägypter werfen. Sie landete aber zehn Meter entfernt vom Jeep und explodierte, ohne Schaden anzurichten. Im Licht des Explosionsfeuers erkannte Janina mehrere in Militäruniform gekleidete Gestalten, die sich jetzt unaufhaltsam dem Lager näherten, jede Deckung ausnutzend.

      Janina zählte eins und eins zusammen. Ihr Lager wurde soeben von einer Gruppe schwer bewaffneter Söldner überfallen. Aber was wollten die von ihnen? Und wie lange konnten die beiden Wachleute dem Ansturm standhalten? Wahrscheinlich nicht sehr lange, denn die Gegner waren besser bewaffnet und auch zahlenmäßig überlegen.

      Wahrscheinlich rechneten die Angreifer damit, dass den beiden Ägyptern schon bald die Munition ausgehen würde. Anhaltspunkte dafür sah Janina darin, dass die Schüsse der beiden sich tapfer wehrenden Ägypter weniger wurden. Wahrscheinlich mussten sie Munition sparen.

      Plötzlich hörte sie eine laute Stimme, die von den Angreifern herkam: »Stopp! Hört auf zu schießen. Ihr habt keine Chance und werdet sterben, wenn ihr weiter auf uns schießt. Wir wissen, dass ihr nicht mehr viel Munition habt. Aber hier muss keiner von euch sterben! Wir gewähren euch freien Abzug.«

      »Was wollt

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