Скачать книгу

      »Warum bleibt uns keine Zeit mehr? Es ist doch erst später Nachmittag«, wandte Janina Adams ein.

      »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange unsere Taschenlampenbatterien noch halten. Sie lagen gestern zu lange in der Hitze und ich fürchte, die Batterien haben dabei Schaden genommen.«

      Janina nickte: »Stimmt, der Scheinwerfer scheint langsam, aber sicher schlappzumachen. Und die Stirnlampen machen auf mich auch nicht den Eindruck, als ob sie noch ewig Licht abgeben würden. Wäre fatal, wenn wir im Dunkeln zurückfinden müssten.«

      »Ja, das nächste Mal werden wir einiges mehr zu schleppen haben. Und wir werden zwölf Fackeln mitbringen«, schlug Novotny vor.

      Janina schaute ihn fragend an: »Fackeln? Meinen Sie das ernst?«

      »Was sehen sie an den Wänden?«

      Janina schaute sich um.

      »Tatsächlich – zwölf Halterungen für Fackeln, ungleichmäßig aber, wie es aussieht, symmetrisch angebracht. Wahrscheinlich hat man hier nichts dem Zufall überlassen.«

      »Richtig! Hier war ein großer Künstler am Werk, der nicht nur ein Wunderwerk optischer Illusionen geschaffen hat, sondern der auch in der Lage war, zusätzlich mit Lichteffekten zu spielen. Ich vermute mal, dass wir Fackeln brauchen werden, um im Originallicht sein Kunstwerk sozusagen im rechten Licht betrachten zu können. Und wahrscheinlich wird dann das komplette Gewölbe mit dem Stern-Symbol im Zentrum noch eine ganz andere Wirkung auf uns haben.«

      »Das ist total aufregend, Herr Professor Novotny! Ich freue mich schon auf morgen.« Janina machte noch schnell ein paar Fotos, dann verließen sie den Tempel.

      * * *

      Alina und Amelie betraten jetzt ebenfalls die Jacht. Alles war ruhig. Doch plötzlich wurde die Tür der Innenkabine aufgerissen. Ein ungewöhnlich großer, gut durchtrainierter blonder Mann trat ihnen entgegen und bedrohte sie mit einer Waffe.

      »Schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Und damit keine Missverständnisse aufkommen. Eine falsche Bewegung und ihr seid tot.«

      Der blonde Hüne setzte ein teuflisches Grinsen auf. »Ach, und ihr dürft mich gerne Lionelly nennen.«

      * * *

      Die drei Vermummten erreichten mit dem Jeep den Lake Livingston. Rasch stiegen sie aus und schauten sich um. Sie fanden jedoch nichts als ein paar Reifenspuren, die zum Range Rover der Familie Daniels passten.

      Der Anführer nahm sein Smartphone zur Hand: »Ariel, wir sind leider zu spät gekommen. Die Familie Daniels ist soeben entführt worden.«

      * * *

      In der Nähe von Assuan in Ägypten, mitten in der Wüste, 19:30 Uhr

      Janina Adams schaute auf ihr Smartphone, dann auf das einfache unbequeme Feldbett, auf dem sie in einem kargen Zelt die vor ihr liegende Nacht verbringen musste. Der beißende Duft von schlecht verarbeitetem Kunststoff strömte von der Zeltplane herüber und vermischte sich mit dem immerwährenden Staub der Wüste, der bei ihr stets für eine ausgetrocknete Nase sorgte.

      Sie wurde aus Professor Novotny nicht ganz schlau. Warum nur hatten sie einen Tag zuvor das komfortable Hotel geräumt, um an einer schon lange verlassenen und ihrer Meinung nach völlig bedeutungslosen Ausgrabungsstätte ein Zeltlager aufzuschlagen?

      Janina fröstelte bei dem Gedanken, dass sich außer dem Professor und ihr nur noch zwei wortkarge Ägypter im Lager aufhielten, die mit ihren einfachen russischen Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg für Schutz sorgen sollten. Der eine hieß Khufu, der andere Sekani. Was machte das alles für einen Sinn? Das Hotel war doch gar nicht so weit von dieser Ausgrabungsstätte entfernt und wäre sicherlich ein bequemerer und vor allem sicherer Ort zum Übernachten gewesen! Aber aus irgendeinem Grund zog der Professor die Einsamkeit und Anonymität dieser Ausgrabungsstätte dem Komfort eines Hotels vor.

      Janina dachte auch an den ermüdenden Fußmarsch durch die Wüste zurück. Wie viel einfacher wäre es gewesen, einfach mit dem Boot über den Nil ein Stück nördlicher zu fahren. Janina fielen die Stichworte ›Geheimhaltung‹ und ›Ariel Goldberg‹ dazu ein. Aber warum sprach der Professor mit ihr nicht einfach offen darüber? Klar, sie hatte ihm vor der Abreise versprechen müssen, niemandem davon zu erzählen, was sie hier in Ägypten vorhatten oder was sie zu sehen bekamen. Aber anscheinend hatte er übersehen, dass es den Leuten in diesem Land total egal war, was sie taten – außer, dass sie sich eine gute Bezahlung für ihre Dienste erhofften.

      Auf Janinas Fragen antwortete der Professor immer nur ausweichend mit dem Verweis, dass man als Archäologe halt auch bereit sein müsse, Strapazen auf sich zu nehmen. Und es sei wichtig für sie als angehende Archäologin, sich schon einmal daran zu gewöhnen.

      Janina Adams fühlte sich einsam. Der Professor hatte sich in sein Zelt zurückgezogen und arbeitete jetzt schon seit mehreren Stunden daran, die 3-D-Kamera wieder flottzumachen, bisher anscheinend ohne Erfolg, sonst hätte er sich bestimmt bei ihr gemeldet. Und ein Gespräch mit den beiden Ägyptern war auch nicht möglich. Die Bodyguards ignorierten sie einfach und sprachen kein Wort mit ihr. Wenigstens hatte sie einen Freund in Freiburg, dem sie absolut vertrauen konnte. Ja, sie hatte Gefühle für ihn und war froh, dass sie mit ihm über WhatsApp Kontakt halten konnte, auch wenn das Netz an diesem Ort am Rande der Wüste nicht sehr stabil war. Klammheimlich hatte sie ihm vorhin zwei Fotos aus der Höhle zukommen lassen. Der Professor ahnte nichts davon. Nein, er wusste anscheinend nicht einmal, dass es hier trotz der Einsamkeit ab und zu ein Mobilfunknetz gab.

      Im Nachhinein hatte sie jetzt ein schlechtes Gewissen. Der Professor vertraute ihr, und es kam ihr wie Verrat vor, dass sie einem Studienkollegen hinter seinem Rücken geheime Informationen zugesendet hatte. Andererseits war sie sich absolut sicher, dass Fabricio Mantovani richtig damit umgehen würde. Nein, dieser Freund würde die Bilder niemandem zeigen, sondern einfach nur seinen Kommentar dazu schreiben, weiter nichts. Und niemand würde davon erfahren.

      Sie hatte großes Mitgefühl mit Fabricio, seitdem er ihr offenbart hatte, dass er an Krebs erkrankt sei und sich nun ganz allein, weit weg von seiner Familie, einer äußerst schmerzhaften und anstrengenden Chemotherapie unterziehen müsse. Wie gefasst er mit dieser womöglich tödlichen Krankheit umging! Janina bewunderte ihn. Deshalb war es für sie einfach eine Selbstverständlichkeit, dass sie ihren schwerkranken Freund auf dem Laufenden hielt und somit hoffentlich zwischendurch auf andere Gedanken brachte.

      Plötzlich hörte Janina den ganz speziellen WhatsApp-Benachrichtigungston, auf den sie bereits gewartet hatte. Endlich, Fabricio antwortete ihr.

      * * *

      Freiburg – 13. Juli, 18:30 Uhr

      Fabricio musste unwillkürlich lachen, nachdem er die Textnachricht abgeschickt hatte, die Janina in Verzweiflung stürzen würde. Aber Fabricio genoss den Augenblick – den Augenblick der Wahrheit. Er genoss es, Janina wehzutun.

      Fabricio schüttelte den Kopf. Woher nur kam sein Hass auf dieses bildhübsche Mädchen mit den langen blonden Haaren, den blauen Augen und dem sympathischen Lachen? Eigentlich hätte er sich doch in sie verlieben müssen. Doch dann dachte er an Melanie zurück, seine Ex-Freundin, die Janina sehr ähnlich war und die ihn in dem Augenblick sitzen gelassen hatte, als er sie eigentlich am meisten gebraucht hatte. Sie hatte ihm die größte Demütigung seines Lebens zugefügt. So etwas musste einfach gesühnt werden. Wie er Melanie hasste! Und er hasste auch Janina, je mehr er mit ihr zu tun bekam.

      Wie einfach es gewesen war, dieser naiven Kommilitonin die Geheimnisse von Professor Novotnys Expedition zu entlocken. Dazu hatte er bei Janina nur etwas auf die Tränendrüse drücken müssen, indem er behauptete, er sei schwer krank. Ein schlechtes Gewissen hatte er deswegen nicht. Immerhin hatten ihm seine Auftraggeber für diese Informationen viel Geld angeboten – sehr viel Geld. Und Fabricio hatte keine Fragen gestellt. Er würde auch keine Fragen stellen – das war eine der Bedingungen, die er bei diesem Deal zu erfüllen hatte. Die weiteren Bedingungen waren, dass er sich keine Kopien von den Fotos machte und dass er den Kontakt zu Janina vollständig

Скачать книгу