Скачать книгу

verschlungen

      und Kinder tanzten auf seinem Dach ...

      ...

      Ich habe wieder aufgebaut, was zerstört war

      Seit der Zeit, als die Asiaten Avaris beherrschten,

      räuberische Horden unter ihnen.

      Sie stürzten um, was gebaut war;

      Sie herrschten ohne Re ...

      Hier wird das Unheil in ganz ähnlicher Weise als Bruch mit der göttlichen Ordnung beschrieben. Die Klage gilt der Abwesenheit der Gottheit, der Schließung und dem Verfall der Tempel sowie der Einstellung der Kulte. Im Unterschied aber zur Inschrift des Tutanchamun nennt Hatschepsut die Verursacher des Übels beim Namen. In der Rede von den »räuberischen Horden aus Avaris«, die »ohne Re herrschten«, sind die aus Kleinasien stammenden Hyksos eindeutig erkennbar.

      Der Grund, warum Tutanchamun und seine Berater ihrerseits die Verantwortlichen mit Schweigen übergehen, ist schnell ausgemacht. Anders als Hatschepsut, die sich selbstbewusst in die Väterreihe der Ahmosiden und Thutmosiden (der natürlichen Feinde der Hyksos also) stellt, ist und bleibt Tutanchamun ein Kind Amarnas. Der im Jahre 3 oder 4 vollzogene spektakuläre Namenswechsel – von Tutanchaton zu Tutanchamun – suggeriert eine Kehrtwendung, die allein schon durch das Zeugnis der Physiognomie – wenn wir uns etwa an den Berliner Kopf des Tutanchamun halten – dementiert wird, denn was wir erblicken, ist nichts anderes als das »lebende Abbild des Echnaton«, seines Vaters (Abb. 9). Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde deshalb diese Büste noch Echnaton zugeschrieben. Auch jenseits des Augenscheins, gewissermaßen zwischen den Zeilen der Hieroglypheninschrift, hat diese Aussage Gültigkeit. So ist schwerlich die Mehrdeutigkeit zu übersehen, die darin besteht, dass die religiös konnotierte Vater-Metapher der Steleninschrift (»Da erschien Seine Majestät auf dem Thron seines Vaters«) zwar der Anrufung des Vaters Osiris gilt, aber immer auch mit der Beziehung zum verstorbenen Vatergott Echnaton spielt. Noch eindeutiger weisen Teile der Grabausstattung den verstorbenen Tutanchamun als Amarnakönig aus. So trug die Mumie des Königs eine perlenbestickte Kappe, welche die Kartuschen des Gottes Aton zeigen, der als Strahlenaton ebenso die Rückenlehne eines beigegebenen Goldthrones ziert. Tutanchamun ist Teil des Schuldzusammenhangs, der aufgebrochen werden soll; er selber verkörpert den Gräuel. Mit ihm als Galionsfigur ist der offene Bruch mit der Politik von Amarna nicht wirklich zu vollziehen. Deshalb trägt die Restaurationsstele alle Anzeichen einer Kompromissbildung. Sie ist als zeitgenössisches Dokument von großer Deutlichkeit und belässt doch alles im Zwielicht von Andeutungen. Der kryptische Umgang mit der Amarna-Erinnerung, der – wie sich zeigen wird – die gesamte Gedächtnisgeschichte durchzieht, hat hier seinen Ursprung. Und schemenhaft ist zu erkennen, wie das Unbewusste in der Kultur Ägyptens dieses Dilemma »nutzt«, um nach einem anderen historischen Referenzrahmen Ausschau zu halten, dem das Gedächtnis von Amarna eingeschrieben werden kann.

Bildtextbeschreibung

      Natürlich wird man an dieser Stelle fragen müssen, warum der wirklich starke Mann im Staate, der militärische Befehlshaber Haremhab, nicht schon in jenen Tagen die Zügel der Macht selbstbewusst in die Hand genommen hat. Ganz offensichtlich war es zu einem Staatsstreich noch zu früh. Zwar wirft die Figur des Haremhab mit dem so ungewöhnlichen wie anmaßenden Titel »Stellvertreter des Königs« einen bedrohlichen Schatten in Richtung des Zentrums der Macht; aber der General ist selber von Amarna kontaminiert. Er hat nicht nur seine militärische Karriere unter der Regierung Echnatons begonnen21, er muss auch wie kein anderer für die außenpolitischen Misserfolge der Amarna-Zeit seinen Kopf hinhalten. Erstaunlicherweise hält die Restaurationsstele des Tutanchamun dieses Faktum ungeschminkt fest – eine Eingebung, die man auf Eje, den mächtigen Gegenspieler, beziehen möchte. Mit der Erwähnung der erfolglosen Kämpfe an der Nordgrenze Ägyptens wird die Erinnerung an die militärische Niederlage gegen die Hethiter wachgerufen. Die aber ist, wie wir gesehen haben, entscheidend mit dem Ausbruch der Pest verbunden, denn die Dezimierung des ägyptischen Expeditionscorps durch die Seuche dürfte den Verlauf der Auseinandersetzungen nicht unerheblich beeinflusst haben. Ein weiteres Mal bestätigt sich die Mehrdeutigkeit im Begriff der »Krankheit«: Amarna wird heimgesucht von der Plage der Pest und ist insgeheim selber eine Plage.

      Die Machtübernahme der Militärs musste warten, bis sich die Lage an der Front entspannt – und möglicherweise die Pestepidemie ihren Höhepunkt überschritten hatte. Haremhab, heißt das, musste mit Eje einen weiteren Amarna-König an sich vorbeiziehen lassen; keinen beliebigen übrigens, sondern den letzten Vertreter des Hauses Juja, einen ausgewiesenen Exponenten des Aton-Kultes, denn es ist (wie bereits erwähnt) die Grabanlage Ejes, die uns den berühmten Sonnengesang in seiner langen Fassung überliefert hat. Als Haremhab im Jahre 1315 endlich den Thron besteigt, besteht einer der ersten hoheitlichen Akte darin, die Restaurationsstele des Tutanchamun zu usurpieren. Er lässt in die ausgehackten Kartuschen des Amarna-Königs seinen eigenen Thronnamen einsetzen, die Inschrift bleibt aber ansonsten unverändert. Haremhab schreibt die Geschichte nicht neu – auch er kein Muršili, der die Pest als Strafe des Amun für den Frevel des Echnaton zu deuten wüsste: als Fluch der bösen Tat. Ein bemerkenswerter Befund, denn ein Blick in die Geschichte liefert uns ganz andere Beispiele. So hat die 12. Dynastie das Gedächtnis der chaotischen Ersten Zwischenzeit (ca. 2150 bis 2040 v.u.Z.) für die Zwecke einer dauerhaften Konsolidierung des Mittleren Reiches in Anspruch genommen. Demgegenüber wird die Amarnazeit gerade nicht »als Chaoserfahrung stilisiert, um die Militärherrschaft des Haremhab und der von ihm zu Nachfolgern berufenen Offiziersfamilie aus Sile als Heilswende zu legitimieren« (Assmann). Die Politik der Ramessiden, der Haremhab den Weg ebnete, vollzieht sich in den alten Bahnen der Gründungssemantik des Neuen Reiches. Nicht der innere Feind wird beschworen; nach dem Muster des Befreiungskampfes gegen die Hyksos geht es um die Abwehr und Unterwerfung des »asiatischen Feindes«, der sich jetzt in Gestalt der Hethiter zeigt. Die Einschätzung eines feindseligen Verhältnisses zwischen Ägypten und Hatti wurde übrigens von der Gegenseite geteilt, wie aus einem Schreiben des Muršili an den Fürsten Duppi-Teschub von Amurru hervorgeht: »Dein Vater brachte Tribut nach Ägypten; du selbst aber sollst ihn nicht nach Ägypten bringen, denn Ägypten ist ein Feind.« Dass in diesem Assoziationsfeld die »asiatische Krankheit« einen bestimmten Platz einnimmt, wird man kaum für zufällig halten dürfen. Tatsächlich wird die Erinnerung an Amarna genau in Richtung auf die Ursprungserfahrung der Invasion aus dem Norden verschoben. Es ist, als würde der »Feind von Amarna« hinter dem Bild von den »asiatischen Feinden« unsichtbar. In einigen der überlieferten Narrative der Hyksos-Erinnerung ist die Amarnaerfahrung indes in verstellter Form nachweisbar und als Subtext lesbar.

      Ein instruktives Beispiel einer solchen Verschiebung findet sich auf einem ramessidischen Papyrus der 19. Dynastie dokumentiert. Es handelt sich um die berühmt gewordene Erzählung vom Streit zwischen dem Hyksoskönig Apophis und dem thebanischen Gaufürsten Sekenenre, von der in einem späteren Kapitel noch ausführlicher die Rede sein wird. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass die Legende, die vordergründig eine Rückerinnerung an den Vorabend des thebanischen Befreiungskampfes gegen die Hyksos verarbeitet, ein auffälliges religionspolitisches Kolorit trägt. So heißt es von König Apophis, »er machte sich den Seth zum Herrn. Er diente keinem Gott im ganzen Land außer dem Seth«. Diese Aussage bedeutet nicht weniger, als den Hyksosherrscher mit einer monolatrischen Gottesverehrung in Verbindung zu bringen. Diese Behauptung ist aber historisch unhaltbar; zwingend ist dagegen der Umkehrschluss, den Jan Assmann aus dem gedächtnisgeschichtlichen Verwirrspiel gezogen hat: »Die ortlos gewordenen Amarna-Erinnerungen hefteten sich an die Hyksos und ihren Gott Baal, der dem ägyptischen Gott Seth gleichgesetzt wurde.« In diese Richtung weisen auch andere Reminiszenzen. So hat der Bau des zentralen Tempels in unmittelbarer Nachbarschaft zum Palast (im Text »Haus des Königs Apophis« genannt) sein Vorbild ganz offensichtlich in Achetaton, der Amarna-Metropole.

      Bedeutet das nun, dass allein diese Rückschau (der »Amarna-Blick« sozusagen) die Konfrontation mit den Hyksos in einen religiösen Konflikt umgedeutet hat? So weit dürfen wir nicht gehen.

Скачать книгу