Скачать книгу

guten Schöpfung Gottes sind.

      Ich erinnere mich noch genau, wie ein Student wie aus der Pistole geschossen antwortete: »Ich glaube, die Menschen sind bei eineinviertel – höchstens.« (Ich wusste gleich, aus welcher theologischen Ecke dieser Student kam.) Andere widersprachen ihm sofort: »Nein, ich würde die Menschheit bei fünf einstufen.« Irgendjemand nannte sogar die Zahl »sieben«. Nachdem wir nicht ganz ernsthaft debattiert hatten, schlug der Professor vor: »Warum schauen wir nicht einfach in der Bibel nach, wo wir eine ziemlich klare Antwort finden? Schlagt doch bitte Psalm 8 auf.«

      Ich kannte diesen Psalm recht gut. Herr, unser Herrscher! Groß und herrlich ist dein Name. Himmel und Erde sind Zeichen deiner Macht (Vers 2; hier jeweils Hoffnung für alle). So fängt David an, der offenbar ganz deutlich ausdrücken will: »Gott ist eine Zehn.« Dann fährt er fort: Aus dem Mund der Kinder erklingt dein Lob. Es ist stärker als das Fluchen deiner Feinde. Erlahmen muss da ihre Rachsucht, beschämt müssen sie verstummen (Vers 3).

      Und dann stellt der Psalmdichter die Frage: Ich blicke zum Himmel und sehe, was deine Hände geschaffen haben; den Mond und die Sterne – allen hast du ihre Bahnen vorgezeichnet. Was ist da schon der Mensch, dass du an ihn denkst? (Vers 4–5).

      Das hatte ich mich auch schon manches Mal gefragt. Ich erinnere mich, wie wir als Kinder im Dorf meiner Kindheit in Kanada Schlittschuh liefen. Die Eislaufbahn war im Freien und nur mit notdürftigen Lichterketten versehen. Oft schalteten wir sie einfach aus und genossen es, im Kreis zu laufen, beleuchtet von Millionen von Sternen, der Milchstraße und wunderbaren Nordlichtern. Da stellte ich dann auch die Frage: »Ich blicke zum Himmel und sehe, was deine Hände geschaffen haben; den Mond und die Sterne – allen hast du ihre Bahnen vorgezeichnet. Was ist da schon der Mensch, dass du an ihn denkst?« Ich verstand das so: »Gott, kann es wirklich sein, dass du mich kleinen unwichtigen Menschen überhaupt bemerkst? Ich fühle mich so winzig unter all den viel herrlicheren Teilen der Schöpfung, der glanzvollen, prächtigen Sternenwelt.« Angesichts der erwähnten Skala sah ich mich bei Eineinviertel unter einem großen Himmel voller Sechser, Siebener und Achter.

      Mir kamen immer sehr schnell die Bibelstellen in den Sinn, wo Menschen »wie nichts« beschrieben werden (zum Beispiel Psalm 144,4), mit Staub oder schnell verwelkenden Blumen verglichen werden (zum Beispiel Psalm 103,14–15). Die Zerbrechlichkeit, Abhängigkeit und Vergänglichkeit des Menschen verstand ich dann als Hinweis darauf, dass wir Menschen in dem großen Plan Gottes eben nur ein sehr unwesentlicher Teil seien.

      Doch nun stellte unser Professor Psalm 8 auf den Kopf (oder vielleicht auf die Füße …). Er fragte: »Warum verstehen wir die Frage des Psalmdichters als den verzweifelten Versuch, mit einem Minderwertigkeitskomplex umzugehen? Vielleicht ist es ja auch eine ganze ernsthafte Frage. Was, wenn David tatsächlich fragt: ›Falls Gott eine Zehn ist, was sind wir dann?‹ Und was, wenn der folgende Satz dieses Psalms einfach die Antwort darauf ist: Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt (Vers 6; so die Einheitsübersetzung und alle anderen Übersetzungen, die den Text wörtlich übertragen)?«

      Und jetzt kommt vielleicht das Wichtigste, worauf wir achten sollten: Dieser Psalm wurde nach dem Sündenfall geschrieben. Die Stellung der Menschheit bleibt die gleiche wie in 1. Mose 1 und 2. Unser Auftrag ist es, zu »unterwerfen«, das heißt, genau dort Gerechtigkeit zu schaffen, wo Macht missbraucht wird. Unser Auftrag ist es, zu »herrschen«, um die zerbrechlichsten und am meisten gefährdeten Geschöpfe Gottes zu beschützen. Der Schöpfungsauftrag bleibt weiterhin erhalten.

      Was geschah, als Adam und Eva nicht mehr damit zufrieden waren, nur eine Neun zu sein; als sie wie Gott werden wollten? Das nennen wir den Sündenfall. Darum und um seine Auswirkungen geht es im nächsten Kapitel.

       Warum sollten wir die Schöpfungsgeschichte lesen?

      »Wir sind doch neutestamentliche Christen«, sagen manche Gläubige. »Warum sollen wir das Alte Testament lesen?« Die erste Antwort von vielen: Ohne das Alte Testament wüssten wir fast nichts von unserem wichtigsten Auftrag. Die Schöpfungsgeschichte beschreibt nicht die Geschichte eines anderen Volkes, sondern sie leitet die Geschichte der ganzen Menschheit ein. 1. Mose 1 und 2 zählen zu den wichtigsten Kapiteln der ganzen Bibel.

       Weiterführende Fragen

      1. In Bezug auf den Ursprung des Weltalls und der Erde: Welche Spannungen gibt es zwischen gängigen Meinungen vieler Wissenschaftler und den Aussagen der Bibel?

      2. Wie reagieren Sie auf den Gedanken, dass es im Schöpfungsbericht der Bibel mehr um das Wesen des Schöpfergottes und seine Beziehung zur Schöpfung geht als um Zeiträume und Reihenfolgen?

      3. Was bedeutet »herrschen und unterwerfen«? Vergleichen Sie nach Möglichkeit mehrere Bibelübersetzungen.

      4. »Herrlicher als alles, was Gott erschuf – die Sterne, die Milchstraße, die Nordlichter – das ist die Menschheit« (Seite 22). Wenn das stimmt, was bedeutet das für unseren Umgang mit anderen Menschen?

image

      Kapitel 2

       Der Sündenfall – ist alles im Sande verlaufen? 1. Mose 3–11

      Jetzt wissen wir, wer der Feind ist: wir selbst«, lässt der amerikanische Komiker Walter Kelly seine Figur Pogo sagen. Oft ist es tatsächlich so, dass wir selbst unsere schlimmsten Feinde sind. Darum geht es in den folgenden Kapiteln von 1. Mose. Schon in den ersten beiden Kapiteln wird angedeutet, dass in der guten Schöpfung Gottes nicht immer alles eitel Sonnenschein sein wird. Bereits Gottes Gebot, von einem bestimmten Baum nicht zu essen (1. Mose 3,3), weist darauf hin, dass die Menschheit nicht automatisch nach dem Willen Gottes lebt, sondern sich bewusst entscheiden muss. Wenn eine positive Entscheidung möglich ist, ist freilich auch eine negative möglich.

       Von der Schlange betrogen

      1. Mose 3 berichtet von der Versuchung, der Adam und Eva zu widerstehen hatten. Die Schlange fing an, Fragen zu stellen: »Was hat Gott wirklich gesagt? Was meinte er damit? Seid ihr sicher, dass er es gut mit euch meint? Will er euch vielleicht etwas vorenthalten?« Die verführende Stimme behauptete, es wäre zum Nachteil der beiden, wenn sie Gott gehorsam seien. Die verbotene Frucht sei doch einwandfrei, herrlich und gut. »Gott will euch nur unter seinem Daumen halten;

Скачать книгу