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Kameraden flog ihm durch den Sinn.

      „Erst mal das Auto!“ Joy zog Detlev von der Pforte weiter zu dem still harrenden Wagen. „Hallo! Warten Sie auf Captain Nicholls?“

      Der Autolenker antwortete nicht. Nur zwei glühende Kohlenaugen sahen einen Augenblick die unerwünschte Fragerin drohend an. Joy wiederholte ihre Frage langsamer in dem Kauderwelsch von Englisch, Arabisch und Türkisch, das hier am Tor Arabiens im Verkehr zwischen den Engländern und Eingeborenen angewandt wurde.

      Der braune Autolenker wandte schweigend den Kopf wieder geradeaus und sah an ihr vorbei.

      „Er tut so, als ob er nicht verstände,“ wandte Joy sich in deutscher Sprache an Detlev. „Entweder ist das absichtliche Verstellung, oder der Mann müßte wirklich aus dem Inneren des Landes sein.“

      „Lassen Sie den Burschen doch!“ Detlev zog seine Begleiterin zu der Tür. Die Pforte war nur angelehnt. Er stieß sie auf und spähte in den Hof. Nichts Verdächtiges. Still und leer lag der Hofraum, stumm und verschlossen das Haus dahinter. Aber die nach innen aufgehende Tür, die Detlev weiter zurückdrückte, stieß gegen etwas Weiches. Ein Mensch lag da! Ein brauner Mann mit zuzammengebundenen Händen und Füßen, einen Tuchknebel im Mund. Offenbar der Pförtner. Da gab es für Detlev kein Halten mehr.

      „Halten Sie Wache hier, Joy! Ich gehe hinein!“

      „Ich ebenfalls!“

      „Nein!“ Detlevs sonst so gutmütige Augen bekamen auf einmal einen stählernen Glanz. „Sie bleiben hier! Es muß jemand hier draußen sein, auf den ich mich verlassen kann!“

      „All right! Das ist ein Wort!“ Joys Augen strahlten vor Befriedigung. „Haben Sie Waffen? Nein? Dann nehmen Sie für alle Fälle das Ding hier mit!“ Sie nestelte einen kleinen Browning aus ihrer Handtasche und reichte ihn Detlev. „In diesen Gegenden ist so ein Gebrauchsgegenstand manchmal wichtiger als Puderdose und Lippenstift. Gehen Sie, Mr. Ring! Und verlassen Sie sich drauf, ich werde dafür sorgen, daß Mrs. Soelter nicht etwa in dem Rumpelkasten da davonflitzt, bevor Sie zurück sind!“

      Mit wenigen Sprüngen war Detlev über die alten, zerbröckelten Steinfliesen des Hofes. Drei Türen hatte das Hauptgebäude. Er stürmte auf gut Glück durch die mittelste, die weit offen stand. Drinnen im Vorraum hielt er einen Augenblick ratlos inne. Nach allen Seiten führten von dort verschlossene, schön getäfelte und mit Intarsien ausgelegte Türen und außerdem eine gewundene Treppe hinauf in die oberen Stockwerke.

      „Frau Soelter! Lydia Soelter!!“

      Niemand antwortete auf den Ruf. Aber hinter einer der verschlossenen Türen begann plötzlich eine Faust zu hämmern. Ohne sich zu besinnen, sprang Detlev auf die Tür zu, bearbeitete sie mit Fußtritten, warf sich fünf- bis sechsmal wie ein Sturmbock dagegen, bis sie nachgab und aufflog.

      „Frau Soelter!?“

      „Yok, effendi!“ Ein Araber gurgelte ihm unter einem halbgelösten Tuch entgegen. Hinten im Raum wälzten sich noch drei andere braune Gestalten und suchten sich von Fesseln zu befreien. Detlev löste mit ein paar raschen Griffen vollends die Bande des Mannes, der offenbar einer der Diener des Hauses war.

      „Wo ist Mrs. Soelter?“

      Der Araber verstand die englische Frage nicht. Aber seine Gedanken strebten demselben Ziele zu wie Detlevs. Während er rasch seine Kameraden befreite, hob er den Kopf und verdrehte die Augen nach der Decke zu.

      „Laila! Da oben! Schnell!“

      Detlev stürmte die Treppe hinauf. Hinter ihm fuhren wie Besessene die vier befreiten Araber in dem Vorraum umher, stürzten in eine andere Kammer und kamen sofort wieder zum Vorschein. Als Detlev sich auf dem Treppenabsatz umblickte, sah er die braunen Männer nachstürmen. Ihre Hände hielten plötzlich lange Speere und krumme Messer, und in ihren Augen blitzte ein fanatischer Haß.

      „Hier!“ Der von Detlev zuerst Befreite schoß an dem zögernd vor den vielen Türen des oberen Stockwerks Haltmachenden vorbei und riß eine derselben auf. Trotz der Erregung registrierte Detlevs geschultes Fliegergehirn im Nu die Vorgänge in dem orientalisch eingerichteten Erkerzimmer. Captain Nicholls stand da mit verschränkten Armen und schmal zusammengepreßten Lippen aufrecht, aber wehrlos in einer Ecke. Zwei der eingedrungenen Araber hielten ihre tadellos modernen Pistolen auf ihn gerichtet. Seine eigene Pistole lag außerhalb seiner Reichweite auf dem Fußboden. In der anderen Ecke, auf dem Ruhebett, lag Lydia Soelter. Ihre Augen waren weit offen, aber ein Tuch um den Mund hinderte sie am Schreien, und die beiden anderen Araber waren eben dabei, sie wie ein Paket zu verschnüren und transportfertig zu machen.

      „Allah!!“ Die Diener stürmten an Detlev vorbei mit wild geschwungenen Waffen in das Zimmer. Detlev selbst riß Joys Browning heraus. Auch Captain Nicholl hatte sofort die neue Situation erfaßt. Seine Fäuste fuhren dem einen seiner sich erschrocken umwendenden Bedroher gegen die Schläfe, entwanden im nächsten Moment dem Taumelnden die Pistole.

      Alles ging in Sekundenschnelle vor sich. Detlev war instinktiv schützend vor Lydia gesprungen. Nicholls fluchte wie ein Türke, und auch Detlev hielt seine Waffe unschlüssig in den Händen. Es war unmöglich zu schießen, denn die arabischen Hausdiener hatten sich unter wildem Geschrei auf die Eindringlinge gestürzt, wälzten sich balgend mit ihnen herum, so daß man Freund und Feind nicht unterscheiden konnte. Plötzlich aber schrie einer der Eindringlinge, offenbar der Anführer, irgend etwas auf Arabisch. Seine Leute rissen sich mit einer verzweifelten Anstrengung von ihren Gegnern los. Zwei von ihnen bluteten stark aus Wunden, die ihnen die Messer der Hausdiener zugefügt hatten, aber sie besaßen Kraft genug, mit den anderen zur Türe zu stürzen.

      „Halt!“ Nicholls feuerte einen Schuß über die Köpfe der Diener hinweg und stürzte vor. „Aus dem Weg, ihr Esel! Man kann ja nicht ...“

      Es war schon zu spät! Die Eindringlinge waren schon aus dem Zimmer, stürzten in wilder Hast die Treppe hinab und dem Ausgang zu, verfolgt von den Dienern. Nicholls wandte sich erregt an Detlev, der. Lydia von ihren Fesseln gelöst hatte und die Schweratmende stützte. „Haben Sie Leute unten, Mr. Ring?“

      „Ja ... nein ...“ Detlev dachte einen Augenblick an Joy, aber die konnte unmöglich die fliehenden Araber aufhalten.

      „Das Telefon!“ Nicholls sah sich suchend im Zimmer um. Lydia Soelter, die sich auf dem Diwan aufgerichtet hatte, sagte mit einer Ruhe in der Stimme, die angesichts des eben überstandenen Schreckens Detlev verblüffte. „Es ist kein Fernsprecher hier im Hause, Captain.“

      Nicholls fluchte. „Natürlich nicht! Der ‚Vater des Geizes‘ duldet ja keine ‚Neuerungen‘ in seinem Gebiet. Nehmen Sie sich der Lady an, Mr. Ring. Ich muß ...“ Ohne den Satz zu vollenden, stürmte er davon, um die Verfolgung aufzunehmen. Detlev griff nach Lydias Hand.

      „Sie wundern sich wohl, Frau Soelter, daß ich grade zur rechten Zeit hier eingreifen konnte?“

      „Nein, ich wundere mich nicht.“ Lydia sah mit einem fast visionären Blick an ihm vorbei irgendwo ins Leere. „Als ich Sie gestern sah, wußte ich schon, daß Sie irgendeine Rolle in meinem Leben spielen würden.“

      Detlev fühlte wieder ein Wundern über die Ruhe, mit der sie sprach. Er sah sie besorgt an. „Vertrauen Sie sich mir an, Frau Lydia. Was waren das für Banditen, die Sie vorhin überfielen?“

      Ein schwaches, wehmütiges Lächeln trat auf ihre Lippen. „Es waren keine Banditen, Herr Ring. Wahabiten waren es, Leute Ibn Sauds, und sie wollten mir persönlich nichts Böses tun. Gestern abend schon haben sie mit mir verhandelt und mir den Vorschlag gemacht, nicht nach Mareb zurückzukehren, sondern mit ihnen nach Rijad zu ziehen. Da ich es ablehnte, haben sie heute versucht, mich gegen meinen Willen dorthin zu entführen.“

      „Also doch Gewalt! Stellen Sie sich doch unten den Schutz der Engländer! Man wird im Hotel ‚Majestic‘ kaum wagen können, was man hier in diesem einsamen Haus gewagt hat.“

      Lydia Soelter sah vor sich hin. „Es ist nicht nötig. Jetzt, wo wir wissen, was die Wahabiten beabsichtigen, wird man mich auch hier zu schützen wissen. Setzen Sie sich, Herr Ring! Wir wollen warten,

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