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Sie mal, Miß Joy, sind Sie eigentlich eingeladen? Ich meine zu diesem ‚prominenten‘ Gartenfest.“

      „Yes,“ sagte die Amerikanerin trocken. „Und zwar von einem der prominentesten Gäste, dem berühmten deutschen Flieger Mr. Ring persönlich. Ich möchte den sehen, der auch nur mit einer Spur von Befremden mich anschielt, wenn ich in Ihrer Begleitung jetzt auftauche.“

      Es war in der Tat so. Niemand dachte daran, Anstoß an Joys Gegenwart zu nehmen oder nach ihrer Einladungskarte zu fragen, wie der peinlich korrekte Detlev im stillen befürchtet hatte. Captain Nicholls vom Kamelreiterkorps, der gleich bei ihrer Rückkehr auf die Terrasse Detlev entgegenkam, ließ sich seiner Dame vorstellen und war sofort mit Joy in ein lustiges Wortgeplänkel engagiert. Mitten in einem Satz brach er jedoch ab. Mrs. Soelter war wieder da. Weder Detlev noch Joy hatten sie aus dem Garten kommen sehen, aber sie stand plötzlich inmitten einer Gruppe von älteren Herren, unter denen Detlev Sir John Donegal, den Vertreter des Gouverneurs, und Colonel Blake erkannte. Er sah jetzt auch, was ihm vorhin, als er ihr gegenüberstand, in seiner Überraschung entgangen war: daß Mrs. Soelter zu ihrem europäischen Abendkleid einen typischen Araberschmuck in den Ohren trug und daß ihr ernstes Gesicht gar nicht recht zu dem sorglos-heiteren Ton dieses Gartenfestes paßte.

      „Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, meine Herrschaften. Ich muß Mrs. Laila ... Teufik Bey vom Türkischen Generalkonsulat bat mich, ihm eine Unterredung mit ihr zu vermitteln.“

      Joy pfiff halblaut wie ein ungezogener Gassenjunge vor sich hin, als der Captain eilig auf Mrs. Soelter zuging. Detlev faßte sich unwillkürlich an die Stirn.

      „Was soll nun das wieder bedeuten? Wie nannte der Captain eben die Dame? Laila? Ich denke, sie heißt Mrs. Soelter?“

      „Ist das alles, was Sie über unsere Araberin herausgekriegt haben, Mr. Ring?“

      „Ja ... das heißt: Colonel Blake nannte sie so, als er mich vorstellte. Ich habe kaum zwanzig Worte mit ihr gewechselt.“

      Joy sah ihn mitleidig an. „Da kann ich Ihnen mit mehr dienen.“

      „Also los, Miß Cawler! Spannen Sie mich nicht auf die Folter. Ich brenne vor Neugierde!“

      „Nur vor Neugierde? Also schön. Aber erst müssen Sie mir die Limonade besorgen. Eher rede ich keinen Ton.“

      Als Detlev das Getränk vom Büfett brachte, saß Joy in einer Ecke der Terrasse, die einen guten Überblick bot, und sah nachdenklich zu Mrs. Soelter hinüber, die neben einem eifrig auf sie einredenden türkischen Herrn ihr grade gegenüber an der Brüstung stand.

      „Das tat gut.“ Joy gab das leere Glas zurück und nickte Detlev zu. „Setzen Sie sich ein wenig neben mich, Mr. Ring. Ich hab Ihnen eine Menge zu erzählen.“

      „Sie wissen, wer die Dame ist?“

      „Well. Sie heißt Mrs. Soelter. Lydia Soelter, wenn Sie es ganz genau wissen wollen, und von den Arabern, die ihren Namen nicht aussprechen können, wird sie Laila genannt.“

      „Laila?“

      „Ja. Gefällt Ihnen der Name, Mr. Ring? Er duftet so nach Romantik, nicht? Nach arabischen Wundernächten, orientalischen Märchen, Haremsgittern und Fata Morgana.“

      „Sie spotten, Miß Cawler.“

      „Durchaus nicht. Es liegt tatsächlich ein Hauch von Geheimnis um die Dame. Sie soll die Tochter eines deutschen Arztes und Forschers sein, der irgendwo im Jemen gestorben ist. Sie soll selber schon seit Jahren dort oben leben, als einzige Europäerin bei den Jemeniten.“

      „Sie betonen das ‚sie soll‘, Miß Cawler. Weiß man es denn nicht genau?“

      Joy zuckte die Achseln. „Genau weiß man überhaupt nichts auf diesem Planeten. Hier in Aden ist sie heute zum ersten Male aufgetaucht, im Gefolge einer offiziellen Gesandtschaft des Imam, die bei den Engländern Hilfe gegen die Wahhabiten suchen soll. Man erzählt sich allerlei Geheimnisvolles von ihr, aber persönlich ist sie bisher niemand hier bekannt gewesen. Die Araber ... hm ... die wissen vielleicht mehr von ihr, aber sie schweigen sich aus.“

      „Und was ist Ihre eigene Meinung, Miß Cawler?“

      Joy sah ihn einen Augenblick ernst an. „Daß Sie besser tun, sich nicht um Mrs. Soelter oder Mrs. Laila zu kümmern, lieber Herr Ring. Es kümmern sich genug andere um sie.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Well, diese merkwürdige Dame muß irgendwie eine Ausnahmestellung bei den Jemeniten einnehmen. Welcher Art, das ist mir auch noch unklar. Aber Tatsache ist, daß man sie, eine Europäerin, im Gefolge der Gesandtschaft des Imam duldet, obwohl gerade die Jemeniten sich sonst streng von allem Europäischen abschließen.“

      Detlev fühlte einen schmerzlichen Stich in der Brust. „Meinen Sie etwa, daß Lai ... daß Mrs. Soelter mit irgendeinem der braunen Würdenträger — verheiratet sein kann?“

      „Kaum. Denn dann würde man ihr nicht gestatten, nach Aden zu reisen und sich ohne Schleier hier zu zeigen. Aber einfach eine Europäerin, die sich im Jemen angesiedelt hat, ist sie bestimmt auch nicht. Strengen Sie doch Ihre Augen an, Mr. Ring. Haben Sie nicht bemerkt, daß sie gradezu eine Leibwache um sich hat? Die Jemeniten — es sind natürlich alles vornehme Araber, die man hier aus diplomatischen Gründen eingeladen hat — halten sich diskret von ihr entfernt, aber sie lassen sie nicht aus den Augen. Und die ‚Audienz‘ vorhin im Park? Ich weiß nicht, wer der Araber war, aber zu der Gesandtschaft des Imam gehörte er nicht. Es war überhaupt kein Jemenit.“ Joy schwieg einen Augenblick und sandte einen grübelnden Blick nach Lydia Soelter, zu der sich drüben außer dem türkischen Diplomaten auch Captain Nicholls gesellt hatte. „Wenn ich nicht bestimmt wüßte, daß der brave Lawrence als Fliegersoldat in Aldershot sitzt, wäre ich versucht zu glauben, daß Oberst Lawrence hier wieder mal spukt.“

      „Das ist bizarr!“ Detlev lachte nervös auf. „Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß diese wundervolle Frau dort ein — Mann sein könnte!“

      „Oberst Lawrence hat schon oft in Frauenkleidern und orientalischen Schleiern operiert,“ sagte Joy trocken.

      „Ihre Phantasie in Ehren, aber diese Frau ...“

      „Sie sieht nicht danach aus,“ gab Joy zu, „aber irgend etwas stimmt da nicht. Sie sehen ja selbst, wie sich die Herren Militärs und Diplomaten um sie bemühen. Der Colonel Blake, Sir John, Captain Nicholls, Teufik Bey. Bloß ihrer schönen Augen wegen tun sie das bestimmt nicht.“

      „Warum nicht, Miß Cawler? Ich könnte mir denken, daß diese eigenartige Schönheit sämtliche Herren Adens fesselt. An Spionage zu denken, erscheint mir in bezug auf Frau Soelter, oder wie sie immer heißen mag, fast beleidigend.“

      Joy verzog spöttisch den Mund. „Oh, ich hatte nicht die Absicht, der Dame zunahe zu treten, Mr. Ring. Es braucht nicht gerade Spionage dahinter zu stecken. Man kann auch Politik sagen. Seitdem Ibn Saud marschiert, kreuzen sich hier in Aden viel verworrene Fäden. Politik ist Geschäft und Geschäft ist Politik geworden.

      *

      Das Gartenfest nahm seinen Gang. Daheim im alten Europa gab es auch Feste, aber auf den Gesichtern der Menschen dort lag auch beim fröhlichsten Gelage immer noch ein gewisser Ernst, ein Widerschein der schweren Zeit, die jeder durchkämpft hatte. Auch in England. Die Wirtschaftsnot, das Gespenst der Arbeitslosigkeit lasteten überall. Hier draußen aber merkte man wenig davon. Hier waren die Engländer noch immer ein Geschlecht von Herren, die die goldenen Schlüssel zum Orient in den Händen hielten. Auf all diesen ruhigen, sorglos-heiteren Gesichtern stand noch die stille selbstverständliche Überzeugung des „Rule Britannia“. Die Damen flirteten und machten Konversation. Die Offiziere sprachen vom Sport und vom Dienst. Die Verwaltungsbeamten und Diplomaten machten zwischen Tee und Tanz hohe Politik, lächelnd, überlegen, selbstsicher wie Leute, die gewohnt sind, Völker und Herrscher als Schachfiguren in ihrem Spiel hin und her zu schieben.

      Um so ernster und verbissener sahen die Gesichter der Araber aus. Man erwies den Turban-Würdenträgern des Imam von Jemen

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