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      Axel Rudolph

      Inshallah

      Ein Flieger-Roman von

      Heinrich Weiler

      Saga

      1. Kapitel.

      „Stop! Hallo! Stop, Madam!“

      Der baumlange schwarze Polizeisoldat sah ärgerlich der jungen Dame nach, die unter seinen weitausgebreiteten, die neugierige Menge zurückhaltenden Armen hindurchgeschlüpft war.

      Joy Cawler hörte auf den Ruf nicht. Sie lief schon weit vorne über den von der Sonnenglut hartgebackenen Lehm des Flugplatzes, dahin, wo eine Gruppe von Menschen das eben gelandete Flugzeug umdrängte.

      „Glad to see you, Mr. Ring!“

      „Eine wundervolle Leistung!“

      „Im Namen des Britischen Gouvernements heiße ich Sie herzlich willkommen in Aden!“

      Der wettergebräunte Sportflieger mit dem lachenden Jungengesicht schüttelte sich durch die Menge der ihm entgegengestreckten Hände. Joy Cawler stand ganz hinten und reckte den Hals. Vor ihr drängten sich die üblichen „Spitzen der Behörden“: Offiziere in Weiß und Khaki, dazwischen das Dunkelblau einer Marineuniform, Beamte der Hafen- und Zivilverwaltung, Piloten von der Flugstation. Auch die Kollegen von der großen Presse waren da. Natürlich! Mr. Webster von der „Times“ und Mr. Chilhurst vom „New York Herald“! Die ignorierten in der Gesellschaft ihrer hochmögenden Freunde vom „Officers“ und „Royal Yacht Club“ jede Absperrung. Vorläufig mußten sie sich allerdings wie Joy Cawler damit begnügen, die Hälse zu recken, denn erst kam einmal die offizielle Begrüßung des Fliegers.

      Joy Cawler warf einen Blick seitwärts und sah grade in das eingefrorene Buster-Keaton-Gesicht des großen Chilhurst, und plötzlich bekam sie eine unbändige Lust, dem Kollegen einen Streich zu spielen. Sie drängte sich rücksichtslos nach vorne durch. Man warf ihr unwillige und befremdende Blicke zu, aber man machte ihr Platz. Einer Dame macht man immer Platz, besonders wenn sie jung und schön ist wie Joy Cawler.

      Detlev Ring, der mit stillem Entsetzen eben beobachtet hatte, wie der Vertreter des Gouverneurs sich zu einer längeren Begrüßungsrede anschickte, schmunzelte plötzlich ganz vergnügt. Zwischen den hochoffiziellen Gesichtern tauchte da ein schmaler, gutgeschnittener Mädchenkopf auf, und ein Paar lustige Augen lachte ihn an.

      „Zwei Worte nur, Mr. Ring!“

      „Bitte, Madam! Jetzt ist nicht die Zeit...“ Einer der Herren vom Begrüßungskomitee suchte die Vorlaute beiseitezuschieben, natürlich ohne Aufsehen zu erregen, aber der deutsche Flieger reckte auf einmal ebenso den Hals, wie es Joy Cawler vorhin getan hatte, und die Augen in seinem braungebrannten Gesicht waren blank wie Messingknöpfe.

      „Sie sprechen Deutsch, Madam?“

      „Jawohl, Mr. Ring!“ Joy Cawler schüttelte die Hand des unwilligen Herrn mit dem offiziellen Gesicht von ihrem Arm. „Was wollen Sie denn? Sie hören doch, daß Mr. Ring sich mit mir zu unterhalten wünscht!“ Und ohne sich um die peinlich betroffenen Gesichtern des Empfangskomitees zu kümmern, nickte sie dem jungen Flieger kameradschaftlich zu. „Meine Mutter war eine Deutsche. Ich selber bin in Minneapolis, U. S. A., geboren, dreiundzwanzig Jahre, ledig, zwei Semester in Berlin studiert, zurzeit Vertreterin der ‚Western Eveningpost‘. Genügt Ihnen das? All right! Dann geben Sie mir bitte auch ein Interview!“

      „Gern!“ Detlev Ring hatte Mühe, nicht laut herauszulachen. „Aber erst muß ich die Gentlemen ...“ Ergeben wandte er sich dem Mikrofon zu, das man vor ihm hinhielt, und sprach ein paar freundliche Worte hinein. Joys Bleistift fuhr über den Notizblock. „Vierte Etappe des Asienfluges ... von Bombay über den Indischen Ozean ... Non-stop-Flug von 3000 Kilometern in zwölf Stunden vierzig Minuten ... Durchschnittsgeschwindigkeit fast 250 Kilometer ... Dank für den überaus freundlichen Empfang ...“ Jetzt sprach der Vertreter des Gouverneurs wieder. Die üblichen Begrüßungsworte. „Hervorragende Leistung ... Neuer Triumph der Flugtechnik ... Wir sind stolz darauf, den Indienflieger in unserer Stadt ...“

      „Eigentlich müßte man jetzt davonflitzen,“ dachte Joy Cawler, „sich ebenso rücksichtslos wieder rückwärtsdrängen wie vorhin hier in die erste Reihe. Die most honorable gentlemen da allein das ‚God save the King‘ und das Deutschlandlied anhören lassen. Im Telegrafenamt schnell den Bericht loskabeln, bevor Mr. Chilhurst die Empfangsfeierlichkeiten verdaut hat. Vorsprung von dreißig Minuten vor dem ‚New York Herald‘! Ein Rekord!“

      Aber mitten in der feierlichen Rede des Regierungsvertreters sandte Detlev Ring einen vergnügten, augenzwinkernden Blick seitwärts zu der unverschämten kleinen Amerikanerin. Da blieb sie.

      Tusch. Drei Hurras. Neues Händeschütteln. Endlich, während die Offiziellen mit wirklicher oder erheuchelter Sachkenntnis sich dem Flugzeug zuwandten und sich von Fritz Moll, dem ölbeschmierten Bordmonteur, die „Arja“ zeigen ließen, konnte Detlev Ring wieder ein paar Worte mit der kleinen Journalistin sprechen. Joy Cawler hatte schon ihren Bleistift gezückt.

      „Haben Sie Sturm gehabt unterwegs, Mr. Ring? Eine Taifun?“

      „Fabelhaft,“ lächelte der Flieger. „So ein paar Worte Deutsch sind bei der Landung ein schönerer Gruß als alle fremden Lobreden! Wie meinen Sie? Ach so, Ihre Frage? Nee, was meinten Sie? Ich hab eben nur ein bißchen der Heimatsprache nachgehorcht. Sie sprechen famos Deutsch, Miß ...“

      „Joy Cawler! Deutsch sprechen manche Leute hier in Aden. Haben Sie keinen Taifun erlebt?“

      „Das grade nicht. Ungefähr über Sokotra gab’s allerdings ’ne tüchtige Mütze voll Wind. Wir mußten ordentlich hochgehen, um ihm auszuweichen und nicht zuviel Zeit zu verlieren.“

      „Taifungefahr über dem Indischen Ozean,“ notierte Joy begeistert. „Flieger entkommen durch Schnelligkeit der Vernichtung durch Wirbelsturm.“

      „Machen Sie’s halbwegs, ja!“ bat Detlev Ring lachend. „So doll war’s nun nicht.“

      „Ich muß einen interessanten Bericht bringen.“ Joy sah ihn komisch bittend an. „Wenn Sie keinen Sturm auf Lager haben, dann erzählen Sie mir bitte etwas anderes aus Ihrem Leben!“

      „Nachher gern!“ Detlev wandte sich einen Augenblick um und beantwortete höflich eine Frage. „Sie sehen ja, jetzt komme ich unmöglich los. Frühstück im Kasino der Fliegerstation, hat mir eben einer der Gentlemen das Programm erklärt. Das ist nicht schlecht. Ich hab ’nen ordentlichen Hunger, und Fritz Moll, mein Monteur, knirscht schon förmlich mit den Zähnen vor Hunger. Aber wenn Sie ’ne kleine Stunde warten wollen ...? Ich zeig Ihnen dann gern meine ‚Arja‘ und erzähl Ihnen, was Sie wollen.“

      „Abgemacht, Mr. Ring. Und ich zeig Ihnen dann Aden! Falls Sie es nicht vorziehen, in einem Regierungsauto durch die Stadt geschaukelt zu werden.“

      „Brrr! Denn schon lieber ...“

      „Mr. Ring!“ — „Sagen Sie bitte ...“ Das Gedränge um Detlev nahm wieder zu. Er mußte Fragen beantworten, Liebeswürdigkeiten dankend quittieren, Auskünfte geben. Auch die anderen Presseleute verlangten ihr Teil von ihm.

      „Hallo, Fritz!“ Detlev hob sich auf den Zehenspitzen und winkte seinem Monteur zu. „Komm schon! Futter schütten!“ Die Gruppe der Herren hatte sich schon langsam in der Richtung auf das langgestreckte, flachdachige Gebäude der Fliegerstation hin in Bewegung gesetzt. Fritz Moll schüttelte den Kopf.

      „Schicken Sie mir ’n Paar Stullen rüber, Ring!“

      „Unsinn! Die Policemen bewachen die ‚Arja‘. Sie können ruhig mitkommen!“

      „Sicher ist sicher.“ Fritz Moll warf einen mißtrauischen Blick auf die Polizeisoldaten, die drüben in langer Kette das Flugfeld gegen die Neugierigen absperrten. „Ick bleib man lieber selber hier. Dann kann uns keener. Aber vergessen Sie nicht die Stullen, Ring! Mir jauchzen förmlich die Gedärme danach!“

      Joy Cawler blieb bei dem Flugzeug stehen und sah dem Flieger nach, der inmitten der Offiziere und Beamten über das Rollfeld schritt. Einmal wandte er sich um und winkte mit der Hand, aber es war nicht zu erkennen, ob das ihr galt oder dem Monteur. Schlaff und müde hingen in der Gluthitze von den langen Flaggenmasten

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