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war nur mit einem sehr dünnen Nachthemd bekleidet.« (Misch, S. 111) War das jetzt endlich die »Gelegenheit«? Es war die Rolle »Geliebte«, die Eva Braun mit solchen Tür-unabgeschlossenen Anwesenheits-Demonstrationen »an der Seite des Führers« zu spielen hatte. Gründe dafür werden im Laufe der Nachweis-Marter-Straße von Hitlers nicht existenter Heterosexualität immer wieder eingeschoben (HETERO, NEUTRO).

      Das Besondere am Kammerdiener-Krause-Text: Er entsprang keinem Verhör wie bei vielen seiner 16 Vor-Zeugen, sondern ist ein prompt nach Ende des Dritten Reichs verfasstes und publiziertes Manuskript, in dem es wegen des mehrjährigen »induzierten Irreseins« (Bonhoeffer) zwischen Hitler und Krause auch noch unbewusst Wahrheits-Fontänen-haft zugeht.

      Wieder schließt Krause in derselben Zeile, in der »kaum Gelegenheit« steht, mit etwas an, das sich auf die soeben gemachte Information »kaum Gelegenheit« zum GV mit Hitler zu beziehen scheint: »Es ist mir auch niemals aufgefallen, dass sich Göring jemals gut oder länger mit ihr [Eva Braun] unterhalten hätte […]« – Dieser Passus enthält etwas krass anderes und hat nichts mit der Information »kaum Gelegenheit« zum Verkehr mit Hitler zu tun.

      Krauses »Es ist mir auch niemals aufgefallen« soll im Anschluss an »kaum Gelegenheit« eigentlich sagen: »Es ist mir auch niemals aufgefallen«, dass Braun und Hitler Geschlechtsverkehr miteinander hatten. Aber so unverblümt direkt wollte der ehemalige Rund-um-die-Uhr-Diener Krause seinen toten Herrn nicht denunzieren – genauso wenig wie Schaub das wollte. Und gegenüber Krause gab es keinen Investigator Kempner, der dem ehemaligen Kammerdiener die Wahrheit frontal herauslockte. Doch sie kommt unbewusst.

      Markant für Krauses Zeugen-Qualität ist auch der von ihm mitgeteilte Gefühlsstand zwischen ihm und Eva Braun. Sie mögen einander nicht, stehen zueinander wie »Hund und Katze« und hatten 1935/36 einen Zank, nach dem sie miteinander fertig waren und sich nur noch grüßten.

      Gerade dieses Nicht-Mögen schuf eine Distanz, aus der heraus die Beobachtung des permanenten Abschlaffens des »Führer«-»Geliebten«-Arrangements ins Funktionale möglich wurde, das über dem kompletten Braun-Hitler-Verhältnis hing.

      Auch Haus-Verwalter Herbert Döhring mochte Eva Braun nicht, wie Zimmermädchen Anna berichtete. (Plaim/Kuch, S. 75, 110)

      Daher sind es mit Zahnarzt Hugo Blaschke drei Männer in nächster Nähe Hitlers, die keinen Bezug zu Eva Braun hatten und deswegen qualifiziert waren, deren Verhältnis zu Adolf Hitler als Scheinverhältnis zu enttarnen. Gerade die gegenüber Eva Braun kalten Männer hatten ein Gespür für das Kalte der Braun-Hitler-Beziehung.

      Weder Blaschke noch Döhring und Krause haben Eva Braun als Nutte etc. denunziert, als eine, die sich etwas »Unmoralisches« (Winter) herausgenommen hätte. Das Gegenteil liegt in den Äußerungen dieser Männer vor, mit dem sie die Realität des Verhältnisses Braun-Hitler trafen.

       Braun und Hitler getrennte Erotika: Kriegmachen und Kuppeln

      18. Zeuge – Hitlers Leibwächter, Kurier und Telefonist Rochus Misch

      Zunächst hat Rochus Misch die gleiche Beobachtung gemacht, von der auch Zahnarzt Hugo Blaschke (13.) und das ehemalige Zimmermädchen Anna Plaim-Mittlstrasser (14.) berichten – sie hätten nichts bemerken können, das auf eine Liebesbeziehung zwischen Braun und Hitler hinwiese.

      Anziehung zwischen Menschen vermittelt sich irgendwie, sogar bei Schauspielern auf der Bühne. Hitler und Braun haben sich zwar unentwegt vor ihrem Gehilfenkreis als Paar dargestellt, konnten aber ihre nicht vorhandene Anziehung nicht simulieren. Nichts an »Erotischem« (Traudl Junge [11.]) strahlte das Paar aus.

      Anziehung zeigt sich sogar bei Paaren, denen man zum ersten Mal begegnet. Ja, Anziehung ist auch noch bei langlebigen Paaren zu spüren, deren Beziehung nicht mehr vor äußerster Spannung vibriert. Alle hier verwendeten Begriffe wie Anziehung, Spannung, Vibration hatten nichts mit dem Klima zwischen Hitler und Braun zu tun, das Misch einfing und der Nachwelt übermittelte: »Eva entsprach nicht gerade dem Ideal eines deutschen Mädchens, wie man es vielleicht erwartet hätte. Natürlichkeit und Bodenständigkeit waren ihre Sache nicht. Sie zog sich mehrmals täglich um, war immer sorgfältig geschminkt und trug kostbaren Schmuck. Ich habe nie irgendwelche Intimitäten zwischen Hitler und Eva beobachtet. Meine Kameraden ebenfalls nicht, jedenfalls sprach nie jemand darüber. Ich hätte es auch nicht getan, wenn mir etwas aufgefallen wäre. Soweit ich das mitbekommen konnte, riefen sich beide, wenn Eva auf dem Berghof und Hitler in Berlin war, nicht allzu oft an, keinesfalls täglich.« (Misch, S. 110)

      Über dieses pure Aufhäufen des Beziehungs-restlichen »Mont Schamotts« hinaus steuerte Misch jedoch etwas Eigenes bei, mit dem er die Braun-Hitler-Beziehung als ein counter-erotisches Arrangement enthüllte, das den weiblichen Beteiligten daran oft nervte: »Nachdem Hitler im Herbst 1940 zwischen Berlin und Berchtesgaden regelrecht pendelte, war auch ich im Oktober, nach einem vorübergehenden Aufenthalt zu Hause bei meiner Frau, wieder auf dem Berghof. Ende Oktober verließ Hitler den Obersalzberg, um sich mit General Francisco Franco an der französisch-spanischen Grenze zu treffen [am 23. Oktober 1940 in Hendaye auf dem dortigen Bahnhof].

      Kaum war Hitler abgefahren, nahm Eva das Heft in die Hand. Sie war eine Frau mit zwei ganz unterschiedlichen Seiten. In Hitlers Gegenwart war sie zurückhaltend […] Verließ aber Hitler den Berghof, änderte sich ihr Auftreten schlagartig. Man hätte die Limousinen noch die Serpentinen hinabfahren sehen können, da wurden schon die ersten Vorbereitungen für mancherlei Amüsements getroffen. Gerade noch sittsam wie eine Gouvernante, stellte sie nun alles auf den Kopf. Und fröhlich wurde sie dann, fröhlich und ausgelassen, beinahe kindisch.

      An jenem Oktobertag, als Hitler nach Südfrankreich aufbrach, waren vom Begleitkommando nur mein Kamerad Karl Tenazek und ich zurückgeblieben. Schon bald darauf erschien Eva bei Karl und mir und lud uns ein, zu den anderen in die Wohnhalle zu kommen. Die Mädels bräuchten Tanzpartner. Ungläubig und zögernd folgten Karl und ich ihr. [Es war Mischs erste Erfahrung mit Eva Braun, der ›Frau mit den zwei Gesichtern‹ (letzter Garbo-Film)] Im Handumdrehen hatte sie eine kleine Party organisiert – mit Foxtrottmusik und kleinem Büfett. Wir naschten ein bisschen und unterhielten uns.

      ›Ihr müsst lustig sein‹, animierte Eva Karl und mich immer wieder. ›Ihr müsst tanzen‹. Eva wollte mich unbedingt mit einer Hausangestellten verkuppeln, die Gretl hieß. ›Ihr seid’s a schönes Paar‹, kicherte sie wie ein Backfisch. Beziehungen zwischen den weiblichen Bediensteten des Berghofs und den Kameraden aus dem Begleitkommando waren nicht selten. Irgendwann hatte sich auch das letzte Stubenmädchen einen Begleitkommando-Mann geschnappt, schien es. Auch von jenen, die – wie ich – vergeben [= verheiratet] waren, konnten nicht alle einem Techtelmechtel mit einem der Mädchen vom Berghof oder aus Berchtesgaden widerstehen. Viele waren lange von zu Hause weg. Ich hatte das Glück, Gerda [Mischs Ehefrau] wenigstens während der Aufenthalte in Berlin regelmäßig sehen zu können. Diese von Eva immer wieder in meine Nähe bugsierte Gretl war auf dem Berghof das ›Bar-Mädchen‹.« (a. a. O., S. 111 ff.)

      Wieder wie bei Zahnarzt Blaschke (13.), Zimmermädchen Anna (14.), Adjutant Schaub (15.) und Kammerdiener Krause (17.) blitzt auch bei Telefonist Rochus Misch etwas Unverwechselbares, novellistisch Treffendes auf.

      Die Erotik der Eva Braun begann erst nach der Abreise ihres Partners in Aktion zu treten, genauso wie für Adolf Hitler das Sado-Erotische = das Kriegmachende mit seiner Abreise zusammen mit seinen Militär-Mannen nach seiner Erholung auf dem Berghof endlich wieder fortgesetzt werden konnte. Jetzt ging auch Hitlers Tanzerei erst richtig los, wie Fotograf und Kameramann Walter Frentz Hitlers Frohlocken nach dem Sieg über Frankreich 1940 festgehalten hatte. Da enthemmte Hitler sich wirklich zu einem Bein-hebenden Tanz. (Toland 92, Frentz’ Hitler-Tanz-Bild-Folge neben S. 485 – in der deutschen Ausgabe von Tolands Biografie nicht zu haben! [Toland 76/77])

      Schon im Jahr zuvor hatte Hitler getanzt – am 15. März 1939 nach dem k.o.-Schlag gegen den tschechischen Staatspräsidenten Emil Hácha, der auch physisch zusammengebrochen war, als Hitler ihm den Überfall seiner Angriffs- alias Wehrmacht auf Tschechien für den nächsten

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