Скачать книгу

und stieß nun mit dem Kopfe an ein bretternes Hinderniß, an welchem sich ein Riegel befand. Er schob den Riegel zurück und auch die Bretter bei Seite, aber leise, ganz leise, als ob er befürchte, daß Jemand das Geräusch hören könne.

      Ein Lichtschein drang von oben herein. Er zog die Maske aus der Tasche und befestigte sie vor seinem Gesichte; dann stieg er sehr langsam weiter empor.

      Der hölzerne Boden, welchen er zur Seite geschoben hatte, war der Boden einer Art von Lehrkatheder, hinter welchem und zwischen dessen Seitentheilen ein Stuhl stand. Auf dem Katheder lag eine silberne Klingel.

      Als er die letzte Stufe emporgestiegen war, steckte er in kauernder Stellung hinter dem Katheder, so daß er nicht gesehen werden konnte. Dann schob er den Boden leise wieder zurück und richtete sich rasch empor. Er befand sich in einem gewölbtem Raume, in welchem Tische und Stühle standen. An diesen Tischen saßen gegen dreißig verhüllte und maskirte Personen, alle mit dem Rücken nach dem Katheder. Keiner sprach mit dem Anderen, es herrschte eine tiefe Stille. Eine einzige, von der Decke herabhängende Lampe erhellte den Raum.

      Er setzte sich auf den Stuhl, ergriff die Klingel und ließ sie ertönen. Sofort erhoben sich Alle, drehten sich zu ihm herum und verbeugten sich stumm und tief vor ihm. Dann setzten sie sich wieder nieder, jetzt aber mit den maskirten Gesichtern nach ihm gewendet. Er winkte. Einer erhob sich, kam herbei und legte flüsternd seinen Rapport ab. Er erhielt in demselben Flüstertone seine neuen Befehle und entfernte sich aus dem Gewölbe.

      Der Zweite kam, dann der Dritte, Vierte und Fünfte. Bei Jedem wurde der gleiche Modus befolgt, sodaß keiner der Anderen ein Wort zu hören vermochte. Ein Jeder verließ sofort nach seiner Abfertigung den Raum, und nur Einige erhielten den Befehl, zurück zu bleiben. Als die Anderen alle sich entfernt hatten, begann der Baron mit etwas gehobener Stimme zu sprechen. Er wendete sich an den Einen:

      »Du warst heute bei dem Schließer?«

      »Ja, Hauptmann, ich habe ihn gewarnt.«

      »Er ist in die Falle gegangen. Wie steht es mit dem Schreiber Robert Bertram.«

      »Er wird mir morgen Abend die Noten bringen.«

      »Du giebst ihm aber kein Geld.«

      »Ich bin nicht zu Hause; der Wirth mag die Noten empfangen.«

      »Die Schwester des Schreibers?«

      »Sie wird ebenso morgen Abend ihre Stickerei abliefern.«

      »Wie hast Du die Sache arrangirt?«

      »Eines der Mädchen im Geschäft ist meine Geliebte.«

      »Ah! Klug! Aber wie fängt diese es an, um zu erreichen, daß diese Marie Bertram ihren Lohn nicht erhält?«

      »Meine Geliebte wird die Stickerei in Empfang nehmen, um sie der Prinzipalin vorzulegen. Ich bin überzeugt, daß dabei auf der Arbeit ein Fettfleck oder so etwas Ähnliches entstehen wird.«

      »Schön. Du arbeitest immer mit einem lobenswerthen Scharfsinne und Eifer. Ich werde Dir eine Extragratification ansetzen. Für heute wißt Ihr, um was es sich handelt?«

      »Ja,« antworteten Alle.

      »Sind die Schlüssel fertig?«

      »Ja, hier,« antwortete Einer.

      Er griff in die Tasche und übergab dem Hauptmanne mehrere Wachsabdrücke und Schlüssel, welche dieser sorgfältig prüfte und miteinander verglich.

      »Sie werden passen,« sagte er dann. »Der Riese wird heute mit arbeiten.«

      Die Vermummten sagten nichts, aber sie erhoben ihre Köpfe mit einem so raschen Rucke, daß leicht zu bemerken war, wie groß ihr Erstaunen darüber sei, daß ein Kamerad mit ihnen arbeiten solle, den sie in festem Gewahrsam wußten. Der Hauptmann wendete sich wieder an den Ersten, welcher eine Art Factotum, Unterbefehlshaber, oder Ähnliches zu sein schien.

      »Hast Du Stoff zu einem rothen Male bei Dir?«

      »Natürlich! Man muß Derartiges stets mit sich führen.«

      »Gut! Punkt zwölf Uhr trefft Ihr Euch unter den Bäumen gegenüber der Frohnveste. Ich werde mit dem Riesen zu Euch stoßen, und Du machst ihm ein großes Maal auf die rechte Wange. Nach vollendeter Arbeit bringt Ihr ihn wieder mit. Er geht dann in seine Zelle zurück.«

      Es entstand eine wortlose Pause des Erstaunens, welche dann der bereits Erwähnte unterbrach:

      »Darf ich fragen, Hauptmann, warum er wieder zurück soll?«

      »Um freigesprochen zu werden.«

      »Wie ist das möglich?«

      »Der alte Salomon Levi wird sagen, daß Derjenige, welcher ihm die Uhren verkaufen wollte, ein Feuermaal auf der rechten Wange gehabt habe, sonst aber dem Riesen sprechend ähnlich sei. Er hat sich auf das Maal erst jetzt besonnen. Der Riese wird sich heut der Zofe der Baronesse unvermummt zeigen. Sie wird ihre Aussage thun, und da der Gefangene in der Veste sicher steckt, so wird man sich zu der Annahme bequemen müssen, daß er ein Ebenbild habe, an dessen Stelle man ihn unschuldig eingezogen hat. Unser Advocat wird seine Sache machen.«

      »Donnerwetter! Das ist fein erdacht! Und nun, wie steht es mit der Baronesse, Hauptmann?«

      »Zwischen Zwölf und Eins kommt Ihr dort an. Die Schlüssel hier nehmt Ihr mit. Sie schließen das Hausthor, die Thür des Vorsaales und auch die anderen Eingänge. Sobald Ihr kein Licht mehr bemerkt, geht Ihr an die Arbeit.«

      »Die Zofe schläft im Nebenzimmer?«

      »Ja.«

      »Ihr dürfen wir nichts zu Leid thun?«

      »Schont ihre Gesundheit und ihr Leben; sonst aber gehört sie Euch, jedoch keinen Augenblick eher, als bis Ihr mit der Baronesse fertig seid. Diese aber ist ganz und gar Euer Eigenthum. Nur stelle ich die Bedingung, daß sie nicht leben bleibt. Ihr habt Uebrigens bereits gestern das Nähere gehört. Morgen treffen wir uns hier wieder. Ihr könnt gehen!«

      Sie entfernten sich, leise miteinander flüsternd.

      Jetzt befand sich der Hauptmann nur noch allein im Gewölbe. Vorn vom Eingange her erscholl ein halblautes:

      »Alles in Ordnung. Gute Nacht!«

      Dann hörte man die Thür verschließen. Der Baron stieg vom Katheder herab und löschte die Lampe aus. Nun herrschte tiefes Dunkel, und er kehrte auf demselben Wege, den er gekommen war, durch den Garten zurück. Er kam auf ganz dieselbe Weise über die Mauer hinüber, legte die Eisen in das Loch, schob den Stein hinein und entfernte sich dann. Natürlich hatte er die Maske wieder abgenommen.

      Unter einer Laterne zog er die Uhr und bemerkte, daß er sich nicht zu beeilen brauchte. Er beschloß, sein Casino aufzusuchen, um ein Glas Wein zu trinken. Die Kellner dort hatten ihn in keiner anderen Kleidung als der gegenwärtigen gesehen und wußten auch gar nicht, wer er eigentlich sei. Er pflegte ein bestimmtes kleines Cabinet aufzusuchen, in welchem er noch von Niemand gestört worden war, vielleicht infolge des reichlichen Trinkgeldes, welches er zu geben pflegte.

      Er verdoppelte nun seine Schritte und kam nach einiger Zeit an den Platz, auf welchen die Wasserstraße mündete. Im Begriffe, über denselben hinüber zu schreiten, bemerkte er vor sich eine weibliche Gestalt, welche, sich bückend, Etwas vom Boden aufzulesen schien. Er mußte an ihr vorüber.

      Als sie ihn bemerkte, wollte sie ihm rasch aus dem Wege gehen, aber er war ihr bereits zu nahe gekommen und vertrat ihr den Weg. Er fühlte Lust zu einem kleinen Abenteuer, und da ein Blick in ihr Gesicht ihm sagte, daß er es keineswegs mit einer alten und häßlichen Person zu thun habe, so entschloß er sich, die Gelegenheit dazu hier zu ergreifen.

      Daß in ganz unmittelbarer Nähe hinter der Bude ein Beobachter stand, davon hatte er keine Ahnung. Dieser verborgene Lauscher war natürlich kein Anderer als der Fürst von Befour.

      Als das Mädchen erkannte, daß es ihr unmöglich sei, sich noch rechtzeitig zurückzuziehen, blieb sie furchtlos stehen. Ihr Gesicht war dem Baron zugewendet. Sie war nicht

Скачать книгу