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ist wahr, aber ich möchte gern haben, daß Sie auch zu mir Vertrauen fassen. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß ich bereit bin, Ihnen zu helfen.«

      »Das kann ich kaum glauben. Wir sind einander vollständig fremd, und unter Fremden pflegt man gewöhnlich keinen Helfer zu suchen, wenn man ihn bereits unter Bekannten nicht gefunden hat. Uebrigens kann ich Ihnen wohl sagen, daß ich durch einen solchen Bekannten in meine gegenwärtige Noth gestürzt worden bin.«

      »Wieso?«

      »Erlauben Sie, daß ich darüber schweige!«

      »Ah, Sie haben ein reges Ehrgefühl! Das freut mich, denn es überzeugt mich, daß Sie der Hilfe würdig sind. Der Bekannte hat Sie gebeten, ihm neunzig Thaler zu borgen?«

      »Herr, woher wissen Sie das?«

      »Ich habe es erfahren.«

      »Ich habe zu Niemand davon gesprochen, und er hat ebenso alle Veranlassung, darüber zu schweigen!«

      »Die Quelle, aus welcher ich geschöpft habe, ist hier gleichgiltig. Sie haben sich bereden lassen, ihm das Geld zu geben.«

      »Leider!«

      »Sie hatten aber selbst kein Geld. Sie haben Ihrem Freunde zu Liebe eine Anleihe gemacht. Ist es nicht so?«

      »Allerdings,« antwortete der Gefragte, einigermaßen verlegen.

      »Darf ich fragen, bei wem Sie diese Anleihe gemacht haben?«

      »Bei einem Dritten.«

      »Wer ist dieser Dritte?«

      »Herr – –!«

      »Schon gut! Ich kenne ihn. Sie sind Mitglied eines Militärvereins: Sie sind sogar Cassirer desselben. Sie nahmen die neunzig Thaler aus der Kasse, welche Ihnen anvertraut war?«

      »Herr, wer sind Sie?« fragte der Mann erbleichend.

      Auch seine Frau erschrak. Wie war der Fremde in den Besitz ihres Geheimnisses gekommen? Sie mußte sich alle Mühe geben, ein neu ausbrechendes Schluchzen zu unterdrücken.

      »Sie erfahren schon noch, wer ich bin,« antwortete der Baron, »Der Freund verschwand mit dem Gelde. Er ließ sich nicht wieder sehen. Sie hatten Cassenabschluß. Sie schickten alles Entbehrliche zum Pfandleiher; die Summe, welche Sie erhielten, reichte bei weitem nicht aus. Man ahnt den Stand der Dinge; man hat dem Staatsanwalte Anzeige gemacht. Morgen früh wird man kommen, um die Casse zu revidiren. Ist sie nicht in Ordnung, so werden sie arretirt. Was das heißt, wissen Sie am Besten, da sie ja Schließer eines Gefängnisses sind. Ist es so?«

      Die Frau schluchzte jetzt laut. Der Mann antwortete:

      »Es ist so. Es ist mir unbegreiflich, wie Sie das alles so genau wissen können, außer –,« er stockte, warf einen außerordentlich schreckvollen Blick auf den Fremden und fuhr dann fort: »– außer Sie selbst müßten der gefürchtete Staatsanwalt sein!«

      »Beantworten wir diese Frage jetzt noch nicht. Sagen Sie mir lieber, ob Sie noch irgend einen Weg zur Rettung ausfindig machen können.«

      »Ich weiß keinen außer dem einen, daß ich morgen früh eine Leiche sein werde!«

      »Pfui! Retten Sie dadurch sich? Retten Sie dadurch Ihre Familie? Ich hörte zufälliger Weise etwas über Ihre Lage; ich entschloß mich, Ihnen zu helfen, gestehe aber dabei allerdings aufrichtig, daß meine Absicht eine nicht ganz uneigennützige ist.«

      Das Gesicht des Mannes hatte bisher einen schlimmen Ausdruck angenommen; jetzt aber leuchtete sein Auge einigermaßen freudig auf. Er antwortete rasch:

      »Mein Gott, ich will ja Alles, Alles thun, wenn ich nur gerettet werden kann!«

      »Nun gut! Wieviel brauchen Sie?«

      »Rund hundert Thaler.«

      »Ich denke, daß es nur neunzig waren!«

      »Ich habe meine Sachen einzulösen und an den Juden zehn Thaler zu entrichten.«

      »Nun, zehn Thaler machen hier nichts aus. Es würde mir sogar auf hundert oder einige Hundert nicht ankommen, die ich Ihnen mehr gebe, falls Sie nur bereit sind, mir den Gefallen zu thun, welchen ich von Ihnen fordern möchte.«

      »Ich wiederhole, daß ich zu Allem bereit bin, wenn ich nur dadurch nicht in eine neue Gefahr komme.«

      »Gefahr ist nicht dabei, wenn es auch sein mag, daß Sie nicht ganz genau nach Ihren Pflichten handeln dürfen.«

      Der Mann blickte rasch auf.

      »Handelt es sich etwa um einen Gefangenen?« fragte er.

      »Ja.«

      »Da kann ich leider auch nichts für Sie thun!«

      »Und ich also auch leider nichts für Sie!«

      Der Baron drehte sich um, als wenn er die Stube verlassen wolle. Da wurde es dem Schließer angst. Er fragte rasch:

      »Was verlangen Sie? Ist es sehr gefährlich?«

      »Gefährlich gar nicht.«

      »Nun, so ist es möglich, daß ich es thue. Wünschen Sie vielleicht, daß ich eine Botschaft oder einen Brief besorge?«

      »Das nicht,« lächelte der Baron. »Es handelt sich denn doch um etwas Anderes. Sie haben nämlich einen Gefangenen in Ihrer Obhut, welcher unschuldig ist. Seine Unschuld ist aber nur dann zu beweisen, wenn ich auf Ihre Hilfe rechnen kann.«

      »Wenn es so ist, so würde sich die Gefälligkeit, welche Sie fordern, wohl auch mit meinem Gewissen in Einklang bringen.«

      »Ganz gewiß. Wie lange haben Sie jetzt noch Zeit?«

      »Ich habe keine Uhr. Auch sie wurde versetzt. Ich habe eine Stunde für das Abendbrod. Drei Viertelstunden werden bereits vergangen sein. In fünfzehn Minuten muß ich eintreffen.«

      »Das ist genug, um uns zu besprechen und einen Entschluß zu fassen. Bleiben Sie die Nacht über im Gefängnisse?«

      »Ja. Ich habe heut die Wache.«

      »So geht es leicht. Würden Sie mir von Mitternacht an bis ungefähr gegen drei Uhr einen Ihrer Gefangenen anvertrauen?«

      Der Schließer erschrak.

      »Herr, das ist die reine Unmöglichkeit!« sagte er.

      »Nicht so unmöglich wie Sie denken. Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Lage. Morgen Vormittag nimmt man Sie wegen Unterschlagung gefangen. Das ist Ihr unabwendbares Schicksal. Stellen Sie sich aber mir zu Diensten, so zahle ich Ihnen heut, jetzt, sofort volle fünfhundert Thaler aus –«

      »Fünf – fünfhundert Thaler! Mein Gott!« rief die Frau.

      »Fünfhundert Thaler?« fragte der Mann. »Ist das wahr?«

      »Ich scherze nicht,« antwortete der Baron.

      »Es geht trotzdem nicht.«

      »Warum nicht?«

      »Ich darf keinen Gefangenen entlassen.«

      »Für nicht ganz drei Stunden?«

      »O, er wird doch nicht so dumm sein, wiederzukommen!«

      »Es wäre im Gegentheile sehr dumm, wenn er nicht wiederkommen wollte. Entflieht er, so darf er sich niemals wiedersehen und treffen lassen; er ist vogelfrei und heimathlos; er bleibt des Verbrechens, dessen man ihn anklagt, schuldig. Kehrt er aber zurück, so werde ich seine Unschuld beweisen, und er kann offen und gerechtfertigt das Gefängniß verlassen.«

      »Was wird er während dieser drei Stunden thun?«

      »Er soll eine Besprechung mit einem Rechtsanwalt haben.«

      »Der Anwalt kann am Tage zu ihm in die Zelle kommen.«

      »Das erlaubt der ganz und gar eigenthümliche Stand der Verhältnisse nicht!«

      »Wer ist es?«

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