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halblautes, eigenthümliches Lachen aus und sagte:

      »Die Wissenschaft stößt ab. Ich sehe, daß meine Nähe einigen Damen drückend ist. Ich werde ihnen Erlösung bringen, indem ich mich entferne. Gute Nacht!«

      Die Flammen zuckten einige Male auf- und nieder – der Fürst war verschwunden; sein Stuhl war leer, aber ihn selbst hatte Niemand gehen sehen; er war unsichtbar geworden. Jetzt wußte Niemand, was man sagen sollte. Ihm aber war seine Absicht geglückt. Einige Augenblicke später schritt er durch das Portal auf die Straße hinaus.

      Er eilte mit raschen Schritten die Straße hinab und dann um die Ecke. Dort gab es einen kleinen, offenen Platz, auf welchen die Wasserstraße und auch diejenige mündete, welche er jetzt herabgekommen war. Auf dem Platze standen mehrere Reihen von Buden und Verkaufsständen, vom heutigen Christmarkte her. Dieser Letztere war zu Ende. Die Händler hatten ihre Plätze verlassen, und es war einsam rund umher.

      Es schien, als ob kein Mensch zugegen sei; aber als der Fürst um die Ecke bog und dann, lauschend und sich scharf umsehend stehen blieb, ertönte ein halblautes Räuspern, und eine männliche Gestalt löste sich langsam und vorsichtig aus dem Schatten, welcher zwischen den Buden herrschte.

      Dieser Mann trug einen Pack auf dem Arme und schien Jemand erwartet zu haben. Der Fürst trat mit einigen raschen Schritten auf ihn zu, blieb aber auf der Hälfte des Weges stehen und fragte, auch nur in halblautem Tone:

      »Wer ist es, der hier steht!«

      »Der Diener des Elendes,« antwortete es.

      »Ah, gut!«

      Mit diesen Worten trat der Fürst vollends heran und zog den Anderen in den Schutz der Buden zurück.

      »Man muß vorsichtig sein; man darf das niemals vergessen,« fuhr er fort. »Hast Du alles?«

      »Ja.«

      »Ist Etwas vorgefallen?«

      »Nein.«

      »So gieb' her!«

      Er zog den Pelz aus und nahm das Packet des Dieners, um mit Hilfe des Letzteren Rock, Ueberkleid und Kopfbedeckung zu wechseln. Die anderen Veränderungen, welche er dann noch mit sich vornahm, konnte man bei der Tiefe des Schattens, in welchem er stand, nicht beobachten; zuletzt aber steckte er noch zwei geladene Revolver in die Tasche.

      »So bin ich fertig,« sagte er dann. »Du kennst die Wohnung der Baronesse Alma von Helfenstein?«

      »Sehr genau.«

      »Sieh' an Deine Uhr! In Punkt einer Stunde bin ich vor der Thür, um die Kleidung abermals zu wechseln. Keine Minute früher oder später. Bist Du hier gesehen worden?«

      »Ja, aber nur von einem Frauenzimmer.«

      »Auch das ist unangenehm. Wer war sie?«

      »Ich kannte sie nicht. Sie suchte nach Abfällen an den Verkaufsständen. Es muß ein armes Weib gewesen sein. Da ich mich nicht näher betrachten lassen wollte, konnte auch ich sie mir nicht genau ansehen.«

      »Ist sie fort?«

      »Sie muß noch in der Nähe sein. Kurz bevor Sie kamen, trat sie in die zweite Budenreihe.«

      »So werde ich sie mir betrachten. In unserer Lage ist es nothwendig, zu wissen, wer es ist, von dem man bemerkt wird. Adieu!«

      Die Beiden gingen auseinander. Als der Fürst aus der dunklen Stelle hervortrat, hätte ihn wohl Niemand wieder erkannt. Er trug einen winterlichen Stutzeranzug, und sein Gesicht war ein so ganz anderes geworden, daß diese Veränderung geradezu unbegreiflich erschien. Er schritt langsam an der ersten Budenreihe dahin und blieb am Ende derselben stehen, um zu recognosciren.

      Gerade jetzt trat drüben aus der zweiten Reihe eine Frauengestalt hervor. Sie war in ein Tuch gehüllt und trug einen Korb in der Hand. Man sah, daß sie fror; ihre Kleidung war sommerlich dünn und für die heutige Kälte ungenügend. Da, wo sie jetzt stand, hatten Obstfrauen feil gehalten. Das Frauenzimmer bückte sich, um die weggeworfenen, weil angefaulten Äpfel aufzuheben und in den Korb zu thun. Dabei kam sie dem Fürsten näher.

      Dieser hörte jetzt den Schnee unter Schritten knirschen, welche von der anderen Seite herbeikamen. Er hatte noch Zeit, zu bemerken, daß er nicht eine Frau, sondern jedenfalls ein Mädchen vor sich habe, deren Gesicht beim Schimmer des leuchtenden Schnees einen eigenthümlichen Reiz zu besitzen schien. Dann zog er sich zurück, um von ihr und dem Nahenden nicht gesehen zu werden.

      Vor Erzählung der nun folgenden Scene muß bemerkt werden, daß Baron Franz von Helfenstein, als er nach der Unterredung mit seiner Frau sein Palais durch eine hintere Thür verließ, sich ebenso möglichst unkenntlich gemacht hatte. Wer ihn jetzt erblickte, mußte ihn für einen Angehörigen des Mittelstandes, für einen Handwerker halten.

      Er schritt über den Ringplatz hinweg und hielt gerade auf den oberen Eingang der Wasserstraße zu. Die dritte oder vierte Nummer derselben war ein kleines, einstöckiges und schmutziges Häuschen, neben dessen Thür auf einem alten Holzschilde zwar nicht jetzt aber doch am Tage zu lesen war, daß hier der Jude Salomon Levi mit Altzeug handle und auch dabei ein Leihgeschäft treibe.

      Die Thür war verschlossen. Der Baron klopfte. Erst nach einer längeren Zeit wurde sie um eine Lücke geöffnet, blieb jedoch von innen noch mit Hilfe einer Sicherheitskette gesperrt. Eine lange, scharfe Nase erschien in der Spalte, und eine schnarrende, weibliche Stimme fragte.

      »Was wollen Sie?«

      »Kaufen,« antwortete er kurz.

      Das wirkte. Die Stimme wurde freundlicher und fragte:

      »Was ist's, was der Herr kaufen will?«

      »Altes Metall, Zinn, Kupfer, Silber und Gold.«

      »Sind Sie von hier?«

      »Nein. Ich bin der Reisende eines Juweliers.«

      Die Alte mochte gedacht haben, es mit einem verkleideten Polizisten zu thun zu haben. Seine letzten Worte zerstreuten ihren Verdacht und so antwortete sie:

      »Kommen Sie herein. Warten Sie ein Wenig. Es ist Jemand bei meinem Manne.«

      Sie ließ ihn eintreten, verschloß die Thür wieder und führte ihn dann in eine Stube, in welcher allerlei Gerümpel, werthloses Zeug, zu sehen war. Er durfte sich auf einen Schemel setzen. Sie aber öffnete eine in einen Nebenraum gehende Thür und rief hinein:

      »Salomonleben, es ist da gekommen ein feiner Herr, welcher will machen einen guten Handel mit Dir. Laß gehen das Weib, welches doch nicht kann Nutzen bringen einen einzigen Pfennig für Dich und unser Geschäft.«

      Nach diesen Worten entfernte sie sich, um ihren Wächterposten im Hausflur wieder anzutreten.

      Eine alte, trüb brennende Oellampe erhellte den Raum, in welchem der Baron saß. Sein Gesicht war kaum zu erkennen, dennoch aber schob er sich den Schemel so, daß er noch mehr in den Schatten zu sitzen kam. Dabei flüsterte er leise vor sich hin:

      »Ich wette, daß es die Schließersfrau ist! Vor einer Stunde ist der Bote bei ihr gewesen; vor einer Viertelstunde ist ihr Mann zum Abendessen gekommen, und sie hat sogleich fortgemußt, um alles noch Vorhandene zu versetzen.«

      Er hatte eine kleine Weile zu warten, dann wurde die Thür geöffnet. Eine junge, aber leidend aussehende Frau trat aus der Nebenstube. Der Baron hörte, daß sie leise schluchzte. Salomon Levi's lange hagere Gestalt erschien im Rahmen der Thüre. Er rief der Scheidenden nach:

      »Also sagen Sie, daß ich kann Pfand geben nur auf Sachen, welche ich bekomme in meine Hände. Wenn er will behalten den Tisch und die Betten, weil er sie braucht, so kann er bekommen nichts.«

      Der Baron nickte leise vor sich hin. Seine Vermuthung hatte sich bestätigt. An ihn wandte sich jetzt, als die Frau die Stube verlassen hatte, der Jude:

      »Ich bitte, einzutreten, mein Herr! Ich stehe gern zur Verfügung, wenn man kommt, bei mir zu kaufen für baare Zahlung, aber nicht auf Credit, welcher ist schädlich für den Handel und Wandel

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