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Durch Gäßchens, Gassen und Straßen kam er und endlich an einen offenen Platz, welcher voller Buden stand. Die Häuser, welche ihn umgaben, waren wahre Paläste. Laden glänzte da an Laden. Er schritt zaghaft auf einen derselben zu. Der Inhaber desselben war ein Kunst- und Verlagshändler.

      Die hohen, breiten Fenster waren mit werthvollen Gemälden und Kupferstichen belegt, und dazwischen erblickte man die hervorragendsten Erzeugnisse der Literatur.

      Trotz seines Hungers hätte Robert es doch vielleicht nicht gewagt, in den glänzenden Laden zu treten; aber da fiel sein Blick auf einen ausliegenden Saffianband, auf welchem ebenso zu lesen war »Heimaths-, Tropen- und Wüstenbilder. Gedichte von Hadschi Omanah«. Das gab ihm Muth. Er öffnete die Thür und trat ein.

      Der Laden war voller Menschen. Der mehr als anspruchslos gekleidete Jüngling wurde zunächst gar nicht bemerkt; endlich aber fragte einer der Diener, was er wünsche, und er antwortete, daß er mit dem Prinzipale zu sprechen begehre. Dieser befand sich im Hintergrunde des Ladens und kam herbei.

      Als er Robert erblickte, verfinsterte sich sein Gesicht.

      »Was wünschen Sie, Herr Bertram?« fragte er von oben herab.

      »Ich befinde mich in einer Lage, welche mir gebietet, meine Bitte nochmals zu wiederholen.«

      »Welche Bitte war das?«

      »Ich leide buchstäblich Hunger, mein Herr. Ich bin kein Bettler; aber ich möchte Sie doch fragen, ob mein Werk Ihnen nicht so viel trägt, daß Sie sich zu einem kleinen Nachtrage zum Honorar verstehen könnten.«

      »Ganz und gar nicht! Ihr Werk bringt mir gar nichts ein. Bis jetzt habe ich nur zugesetzt. Wieviel zahlte ich Ihnen für das Manuscript?«

      »Zwanzig Thaler.«

      »Nun sehen Sie! Das ist mehr als reichlich für die Gedichtssammlung eines Anfängers. Das Honorar ist dennoch das Wenigste, was man zahlt. Papier, Druck, Satz und Anderes, das läuft sogleich in die Tausende. Haben Sie nicht einen zweiten Band?«

      »Oh, wie gern würde ich ihn liefern! Aber ich muß nach Brod arbeiten, nach dem trockenen Brode! Hätte ich einen kleinen Zuschuß zum ersten oder Vorschuß zum zweiten Bande, so würde mir das Schreiben wenigstens nicht zu einer so absoluten Unmöglichkeit wie jetzt.«

      »Junger Mann, das Genie verkommt im Glück. Nur im Ringen, im Kampfe mit dem Leben erstarkt es und kommt zu Kräften. Ich kenne das; ich habe mit so sehr viel Talenten und Genies zu thun. Wollte ich Ihnen Geld zahlen, so wäre das eine Beleidigung Ihres Genies.«

      »Aber eine Rettung für meinen Körper, ohne welchen das Genie ein Nichts ist.«

      »Sie nehmen die Sache zu drastisch. Ringen Sie, ringen Sie; kämpfen Sie: dann werden Sie ein Held der Feder, eher aber nicht. Gott soll mich behüten, meine Mitarbeiter zu verwöhnen! Es würde bald kein Talent mehr geben. Uebrigens sehen Sie, daß ich außerordentlich beschäftigt bin. Kommen Sie wieder, wenn der zweite Band fertig ist, eher aber nicht. Ich werde das Manuscript dann innerhalb eines Vierteljahres durchlesen, und wenn es mir gefällt, so zahle ich Ihnen vielleicht fünfundzwanzig anstatt zwanzig Thaler. Für jetzt aber – – habe die Ehre, Herr Bertram!«

      Er drehte sich um und verschwand. Robert stand mitten unter den zahlreichen Anwesenden wie von Gott verlassen. Es war ihm, als sei er nun einmal partout zum Hungertode verdammt.

      Draußen hatte ein Schlitten gehalten. Ein Herr stieg aus und trat ein. Er hatte etwas so Hochvornehmes an sich, daß sich aller Augen auf ihn richteten, selbst der Chef eilte herbei, um nach seinen Wünschen zu fragen. Dabei fiel sein Blick auf Robert, welcher noch immer dastand und mit sich zu Rathe ging, ob er nicht vielleicht einen letzten Angriff versuchen solle. Dem Chef war die Anwesenheit des so ärmlich Gekleideten unangenehm.

      »Wollen Sie sonst noch etwas?« rief er ihm mit scharfer, ärgerlicher Stimme zu.

      »Etwas Anderes nicht,« antwortete Robert stockend, indem er einige Schritte näher trat. »Aber dennoch möchte ich mir die ganz gehorsamste Bitte um –«

      »Schon gut, schon gut!« wurde er unterbrochen. »Ich habe Ihnen bereits angedeutet, daß ich für Sie kein Geld habe. Entfernen Sie sich gefälligst.«

      Das war stark; das war mehr als stark; das war sogar niederträchtig. Aller Augen richteten sich auf Robert. Diesem war es, als müsse er vor Scham in die Erde sinken. Er griff unwillkürlich mit den Händen um sich, als wolle er nach einer Stütze suchen. Er wankte. Da trat der fremde Herr herbei, welcher zuletzt hereingekommen war, legte den Arm um seine Schulter und sagte:

      »Sie fallen ja um, junger Mann! Was haben Sie?«

      »Hunger!« antwortete Robert mit leiser Stimme und mehr instinctiv als mit Ueberlegung.

      »Hunger? Mein Gott! Kommen Sie heraus!«

      Er geleitete ihn bis vor die Thüre, wo er mit ihm stehen blieb.

      »Ist es wahr, daß Sie hungern?«

      »O sehr!«

      »Hält man das für möglich! Was sind Sie?«

      »Schriftsteller.«

      »Was wollen Sie hier im Laden?«

      »Einen kleinen Vorschuß, ich soll den zweiten Band schreiben.«

      »Sie haben schon einen ersten Band geschrieben?«

      »Ja.«

      »Was?«

      »Gedichte.«

      »Ah, das ist allerdings nicht einträglich. Wollen Sie mir Ihren Namen und ihre Wohnung mittheilen?«

      »Robert Bertram, Wasserstraße elf, drei Treppen.«

      »Drei? Ja, Dichter pflegen hoch zu wohnen, zumal wenn sie noch so jung sind wie Sie. Bitte, nehmen Sie.«

      Er drückte dem jungen Manne aus seiner Börse etwas in die Hand und trat dann in den Laden zurück, so daß Robert gar keine Zeit zum Danke fand. Er warf einen Blick auf das Empfangene. Es waren zwei Louisd'or.

      Da war mit einem Schlage alle Schwachheit verschwunden. Er fühlte sich so wohl und kräftig, daß er es mit einem Riesen hätte aufnehmen mögen. Er dachte gar nicht daran, die Rückkehr des edlen Gebers abzuwarten, sondern er eilte, sofort die Einkäufe zu machen, welche nöthig waren, um zunächst die dringendsten Bedürfnisse der Seinigen zu befriedigen.

      Als er nach Hause kam, fielen die Kleinen über ihn her, der Vater und Marie weinten vor Freude. Als der Hunger gestillt war, mußte er erzählen. Dann fragte Marie:

      »Also die Kette ist gerettet?«

      »Ja, Gott sei Dank!«

      »Und wer war der fremde Herr?«

      »Es war – – ah, das weiß ich nicht! Ich habe ihn nicht gefragt, ja ich glaube, daß ich mich sogar nicht einmal bei ihm bedankt habe. Ich war ganz von Sinnen vor Hunger und Beschämung.« – –

      Jener Herr ließ die Bücher, welche er eingekauft hatte, in seinen Schlitten legen und stieg selbst auch ein.

      »Oberst von Hellenbach,« befahl er dann.

      Der Schlitten sauste davon und hielt vor einem Hause, dessen erste Etage festlich erleuchtet war. Die Straße, zu welcher es gehörte, lag vor der Wasserstraße, mit welcher sie parallel ging, so daß die Gärten Beider an einander stießen.

      »Mich nicht abholen!«

      Mit diesem Befehle stieg der Fremde aus und trat ein. Droben kamen ihm mehrere Diener entgegen, welche ihm Hut und Pelz abnahmen. Als sie den Pelz erblickten, machten sie Gesichter, in denen sich das Erstaunen mit der tiefsten Ehrerbietung paarte. Es war ein Zobelpelz, wie ihn kaum der russische Czar kostbarer tragen kann.

      »Wen befehlen der Herr, zu melden?« fragte der eine der Domestiken.

      »Fürst von Befour.«

      Im nächsten Augenblick erschallte der Name in den Saal, und die Augen aller dort Anwesenden flogen

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