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Gehirnstation. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Gehirnstation
Год выпуска 0
isbn 9788711718810
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
»Ja, Herr Oberarzt … Sagen Sie, lieber Doktor, wann kommt der Herr Professor zurück?«
»Das steht leider nicht genau fest — aber wollen wir uns nicht setzen? Bitte, nehmen Sie mit mir vorlieb. Sie können sicher sein, daß ich gerade in Ihrem Fall …«
»Sie sind reizend, Doktor. Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen.«
Dr. Enders verzog mißmutig das Gesicht und setzte sich nur widerwillig. Was glaubte dieser Arzt eigentlich … sah gut aus, und gutaussehende Männer mochte Viola schon immer gerne leiden.
»Bei welchem Arzt waren Sie bisher in Behandlung, gnädige Frau?« fragte Dr. Westhaus.
»Arzt? Fragen Sie lieber, bei wem ich noch nicht war. Seit Monaten ziehe ich von Arzt zu Arzt!«
»Kopfschmerzen?«
»Irrsinnig! Man hat mir alles mögliche verschrieben, die stärksten schmerzstillenden Mittel — nützt nichts … Ich habe sogar verschiedene Konzerte absagen müssen und wurde wegen Starallüren beschimpft, oh, Sie ahnen ja nicht, wie häßlich die Menschen sind, wie böse, böse, böse! Schließlich hat mich ein Doktor — Doktor — wie hieß er schon?«
»Dr. Schildkraut«, sagte Violas Verlobter.
»Der Münchner Augenarzt?« fragte Dr. Westhaus.
»Jawohl. Er hat mich hierhergeschickt. Ich ging zu ihm, weil ich dachte, die Kopfschmerzen könnten vielleicht von einer falschen Brille kommen, ich sehe nicht sehr gut, müssen Sie wissen, und man liest ja manchmal — schlechte Augen, Kopfschmerzen … Aber er behauptete, ich würde — was habe ich, Ernest?«
»Gesichtsfeldausfall.«
»Was soll das sein, Doktor?« fragte Viola.
»Ein Gesichtsfeldausfall kann sehr wohl mit einer Gehirnerkrankung zusammenhängen«, erklärte Dr. Westhaus vorsichtig — aber nicht vorsichtig genug.
Viola Römer sprang auf, ballte die Fäuste, ihre schwarzen Augen sprühten: »Wollen Sie etwa behaupten — ich wäre verrückt?«
»Halt!« Westhaus’ Stimme klang jetzt sehr energisch. »Davon habe ich nichts gesagt, Sie sind völlig normal und werden es auch bleiben. Aber ich rate Ihnen dringend, ein paar Tage hier in der Klinik zu bleiben. Wir würden dann alle notwendigen Untersuchungen vornehmen, und wenn Professor Hornstein zurückkommt…«
»Hier bleiben? Aber ich habe doch Verpfiichtungen!«
»Sie dürfen keine Zeit verlieren, gnädige Frau«, sagte Dr. Westhaus ernst. »Am besten, Sie gehen gleich ins Vorzimmer und lassen Ihre Personalien aufnehmen, bitte!«
Schweigen.
»Gut.« Viola Römer nickte. »Ich bin ein Freund schneller Entscheidungen. Komm, Ernest, sprich du mit der alten Schachtel draußen.«
»Ich komme sofort nach«, sagte Dr. Enders und schob sie sanft durch die Tür.
»Ein — Tumor?« fragte er dann Dr. Westhaus.
»Es ist durchaus möglich. Ein Gesichtsfeldausfall wird meist durch einen Tumor verursacht, der auf den Sehnerv drückt.«
»Das heißt — Operation.«
Dr. Westhaus nickte.
»Können Sie versprechen — falls die Sache mit dem Tumor stimmen sollte —, daß meine Braut durch eine Operation geheilt wird?«
»Nein. Das kann man nie. Es kommt ganz darauf an, wie groß der Tumor ist, ob es sich um einen gutartigen oder bösartigen handelt — aber warten Sie erst die Untersuchung ab.«
Als Dr. Enders gegangen war, atmete der Oberarzt tief auf. Das ist mal eine Frau, dachte er lächelnd. Die hat den Teufel im Leib.
Er wußte noch nicht, wie recht er damit hatte.
Dann griff er zum Telefon und wählte die Nummer des Hauspsychiaters. Dr. Wolff meldete sich sofort.
»Hast du viel Betrieb?« fragte der Oberarzt.
»Mit anderen Worten — du willst eine Tasse Kaffee?«
»Ich hab’s verdammt nötig.«
»Man hört so was munkeln. Ich stelle schon Wasser auf.«
Als Dr. Westhaus die schmale Hintertreppe hinunterging, begegnete ihm Dr. Eva Hochhoff. Mit geschmeidigen, weit ausgreifenden Schritten lief sie herauf, zwei Stufen auf einmal nehmend, wie ein junges Mädchen. Etwas außer Atem blieb sie vor ihm stehen.
»War es schlimm mit der Kunst?« Um ihre Mundwinkel zuckte es.
»Kann man wohl sagen! Aber es ist mir gelungen, die Primadonna zu beruhigen. Und jetzt verraten Sie mir eins: Wie sind Sie mit Angelikas Eltern fertig geworden?«
Sie wurde ernst. »Als Sie wütend rausgerannt sind, habe ich mit ihnen wie mit vernünftigen Menschen gesprochen«, sagte sie schlicht. »Ich habe ihnen Bilder gezeigt, das Knochenstück, das Sie entfernt hatten, und ich habe ihnen erzählt, was Angelika zu erwarten gehabt hätte, wenn sie nicht operiert worden wäre.«
»Aber das haben der Professor und ich doch auch schon versucht?«
»Vielleicht haben Sie es falsch angefangen? Die gleiche Sache kann man so oder so erzählen. Und schließlich habe ich …« Sie verstummte, über ihr Gesicht breitete sich zarte Röte aus.
»Was?«
»Ich habe ihnen von Ihnen erzählt… alles, oder fast alles, was mit dieser Operation zusammenhängt. Sie haben verstanden. Und sie danken Ihnen und lassen sich entschuldigen.«
»Mädchen — Mädchen, wie haben Sie das nur angestellt?« Dr. Westhaus schüttelte verwundert den Kopf. »Und ich dachte schon … hören Sie, wollen Sie eine Tasse Kaffee mit mir trinken?«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, faßte er sie unter dem Arm und führte sie die Treppe hinunter.
Im Gang im ersten Stock kam ihnen die Stationsschwester Sigrid entgegen.
»Herr Oberarzt …« Schwester Sigrid blieb stehen, ihre Augen streiften Eva mit einem kurzen, mißtrauischen Blick, »ich muß … gut, daß ich Sie treffe …«
»Was ist los?«
»Ich — ich habe etwas Wichtiges mit Ihnen zu besprechen.«
Eva ging langsam weiter.
»Warten Sie bitte einen Augenblick, Kollegin!« rief ihr Dr. Westhaus nach. Und dann zu Sigrid: »Es handelt sich doch um einen Patienten?« Er sagte es leise und eindringlich.
»Ja … natürlich …« Schwester Sigrid stockte.
»Also — was gibt’s?« Jetzt klang seine Stimme scharf. Konnte sie’s denn nicht lassen? Fing das jetzt schon so an?
Sigrid zermarterte ihr Gehirn. Sie hatte nichts weiter vorgehabt als — was eigentlich? Sie wußte es nicht mehr, vielleicht wollte sie ihn von der jungen Ärztin trennen, die jetzt weiter unten stand und wie unbeteiligt durch das Fenster sah. Aber Sigrid wußte genau, daß sie zuhörte, daß sie die Unbeteiligte nur spielte, ihre Gleichgültigkeit war zu offensichtlich, um echt zu sein. Spann sich vielleicht etwas zwischen den beiden an?
»Es ist nur …«, sagte sie tonlos, »die kleine Ursel ist sehr verängstigt.«
»Und da haben Sie es nicht fertiggebracht, sie zu beruhigen?«
»Ich …« Sigrids Gesicht wurde flammend rot. Und fast im nächsten Augenblick sah sie kalkweiß aus. Sie tastete mit der Hand hinter sich, als suchte sie einen Halt. Ihre Augen wurden dunkel; das unheimlich glimmende Leben in ihnen hätte ihn warnen müssen. Aber er bemerkte es nicht.
»Ich bitte Sie, Schwester, mich in Zukunft nicht mit Nebensächlichkeiten zu belästigen«, sagte er bemüht kalt. Dann ging er, griff Dr. Eva Hochhoff am Ellbogen, und seine Stimme wurde wieder, wie gewöhnlich, warm und unbekümmert,