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und fest in der Stille. Die Umgebung versank jetzt für ihn, wie stets bei einer Operation. Sein ganzes Wollen, mehr noch, sein ganzes Sein konzentrierte sich auf seine Hände, die zu hochempfindlichen Werkzeugen wurden und die Instrumente mit unvergleichlicher Fertigkeit und Behutsamkeit führten. Jetzt gab es für ihn nicht mehr einen Patienten namens Förk Kueinen, einen Nobelpreisträger, sondern nur noch den offenen Schädel eines Menschen — und ein Problem.

      Das Problem war der Tumor und seine Entfernung. Und er, Professor Hornstein, war nur noch dazu da, um dieses Problem zu lösen.

      Er machte den ersten kleinen Schnitt in die Hirnhaut.

      Der Anästhesist wiederholte: »Duraeröffnung.« Er zeichnete einen Vermerk in sein Tabellenbuch und starrte dann weiter wie gebannt auf Professor Hornsteins Hände.

      »Melden Sie!«

      Anästhesist: »Kreislauf gut, Blutdruck 120—70, Atmung gut.«

      Professor Hornstein: »Gut. Der Blutdruck muß runter, auf etwa neunzig.«

      »Blutdruck senken«, wiederholte der Anästhesist. Er versorgte den Patienten über die Dauertropfinfusion mit Medikamenten, die den Blutdruck künstlich senkten. Wenig später konnte er berichten: »Blutdruck jetzt 100—70.«

      »Noch weiter runter.«

      »Ich versuche es.«

      Während der Anästhesist sich bemühte, den Blutdruck noch weiter zu senken — eine knifflige, doch besonders bei Gehirnoperationen unumgängliche Notwendigkeit — reichte die OP-Schwester Professor Hornstein nacheinander Duraskalpell und Duraschere. Einige wenige, mit höchster Präzision ausgeführte Schnitte. Der Professor konnte jetzt die Hirnhaut aufklappen.

      Die Hirnwindungen lagen frei.

      Dr. Rissanen saugte das ausströmende Blut ab, Professor Hornstein schloß die größeren Blutgefäße mit Silberclips. Dann glitten seine Finger behutsam über das Operationsgebiet. Die Hirnwindungen waren etwas abgeplattet und zeigten deutlich vermehrte Gefäßzeichnung.

      »Kanüle!«

      Vorsichtig sondierte Hornstein mit der stumpfen Kanüle, die ihm von der OP-Schwester in die geöffhete Handfläche gedrückt wurde, das verdächtige Gebiet.

      In etwa zwei Zentimeter Tiefe war ein deutlicher Widerstand zu spüren.

      »Stirnlampe!«

      Die OP-Schwester setzte sie ihm auf. Die Spannung stieg, wenn dies überhaupt noch möglich war.

      Professor Hornstein führte einen behutsamen Schnitt mit dem Diathermiemesser aus, trennte mit Spateln das Gehirngewebe, drückte es zur Seite. Jetzt mußte er mit besonderer Vorsicht zu Werke gehen. Operationsschäden müssen unbedingt vermieden werden. Gehirnzellen wachsen nicht nach, sie erneuern sich nicht wie die Zellen an anderen Körperstellen. Ein kleiner Schnitt zu viel kann unabsehbare Folgen haben.

      Endlich wurde ein Stück des Tumors frei. Graurötlich schimmerte es aus dem Gewebe, ein Fremdkörper, die Ursache der tödlichen Krankheit.

      Ob es eine Krebsgeschwulst war, ließ sich im Augenblick noch nicht entscheiden.

      Professor Hornstein operierte weiter. Sehr langsam und sehr behutsam versuchte er, den Tumor aus seiner Umgebung zu lösen. Gefäße. Blutungen. Perlen roten Blutes, ein dünner Strahl Blut. Sein Rücken begann zu schmerzen. Vor seinen Augen begann es ganz leicht, kaum merklich zu flimmern. Er richtete sich auf, streckte die Schultern, atmete tief ein und wieder aus — und plötzlich, wie mit einem Schlage, war die Angst da: Was dann, wenn mich ausgerechnet jetzt, jetzt in diesem Augenblick, ein Schwindelanfall überrascht? So wie vorhin. So wie immer öfter in der letzten Zeit. Nicht jetzt! Bitte, nicht ausgerechnet jetzt! Großer Gott … nur das nicht!

      »Hallo, da bist du ja«, sagte Dr. Egon Wolff, ohne sich umzusehen, als Oberarzt Dr. Westhaus und Dr. Eva Hochhoff in sein Zimmer traten. Er beobachtete aufmerksam das wallende Wasser in der Kaffeemaschine. »Setz dich. Bin gleich soweit.«

      Dann sah er auf und lächelte, als er Eva erkannte.

      »Na, das nenne ich eine Überraschung! Wie kommt dieser Glanz in meine Hütte?«

      »Hütte? Sie haben das gemütlichste Zimmer im ganzen Haus.«

      Der Psychiater sah sich zufrieden um. »Hab’ ich mir auch selber eingerichtet. Billig auf Auktionen gekauft, in Trödelläden … kenne ein paar wahre Fundgruben … selber aufpoliert, ein Hobby, sozusagen. Der Alte gab mir keinen Pfennig Zuschuß zu dem Unternehmen ›Zimmereinrichtung‹.«

      »Es ist egal, wo man arbeitet. Hauptsache — man arbeitet«, ahmte Dr. Westhaus den Tonfall des Professors nach. »Hör mal, alter Junge, ich bräuchte eigentlich mehr als nur eine Tasse Kaffee.«

      »Weiß ich.« Dr. Wolff holte eine Flasche Kognak aus dem Wandschrank, drei Gläser und schenkte ein. Sie tranken.

      »Also — was war eigentlich los?« fragte Wolff etwas später den Oberarzt. »Sie müssen wissen …«, setzte er für Eva erklärend hinzu, »ich bin so etwas wie ein Beichtvater. Carl und ich kennen uns schon sehr, sehr lange.«

      Dr. Westhaus erzählte kurz, was sich ereignet hatte. Der Ausbruch des Professors, der Entschluß Angelika zu operieren, der Zusammenstoß mit Angelikas Eltern. Als er fertig war, sagte Dr. Wolff nach einer Weile dumpfen Schweigens: »Da hast du dir ja was geleistet, mein Junge. Ich verstehe nur nicht, wie …«

      Dr. Westhaus winkte ungeduldig ab. »Es ist passiert. Gut, der Alte wird mich natürlich vor die Tür setzen — so wie er augenblicklich in Stimmung ist. Und es hilft nichts zu sagen, wenn und wieso und warum.«

      »Also nun: Was jetzt?« sagte Dr. Wolff.

      Dr. Westhaus nickte nachdenklich. »In Deutschland werde ich kaum bleiben können. Und vielleicht soll man sich wirklich ein bißchen Luft um die Nase wehen lassen. Ein alter Freund schreibt mir immer wieder, ich soll zu ihm nach Teheran kommen … warum eigentlich nicht?«

      »Teheran?«

      Dr. Eva Hochhoff sah den Oberarzt aus weit aufgerissenen Augen an. »Aber — das ist doch … ist das wirklich notwendig? Vielleicht wird der Professor — nein — ganz bestimmt wird er mit sich reden lassen. Es ist doch alles gutgegangen. Soll ich … ich kenne ihn ja schon sehr lange und …«

      »Es wird kaum etwas nützen«, sagte der Oberarzt mit einem gequälten Lächeln. Und dann sehr leise, während er Eva ansah: »Schade — ich — fühle mich eigentlich verflucht wohl hier.«

      Doktor Wolff trank seinen Kaffee aus und drehte die leere Tasse nachdenklich zwischen den Fingern. »Vielleicht siehst du alles zu schwarz, Carl. Der Alte ist in der letzten Zeit wirklich ein bißchen — sagen wir — merkwürdig geworden. Aber er ist keiner von den anmaßenden, rechthaberischen Leuten, die wir auch kennen. Es gibt einige davon in unseren Krankenhäusern. Man konnte immer gut reden mit ihm. Was er nicht ausstehen kann, ist Dummheit und Verantwortungslosigkeit…«

      »Und was ich getan habe, war dumm und verantwortungslos«, sagte Oberarzt Dr. Westhaus.

      »Aber nur vom Standpunkt der Leute aus, die allein ihre Karriere vor Augen haben«, sagte Dr. Eva Hochhoff. »Wenn Sie mich fragen: Es war, weiß Gott — verantwortungsbewußt. Ich glaube nicht, daß ich es wagen würde, mir etwas Ähnliches aufzuladen.«

      »Immerhin — ein Trost.« Dr. Westhaus lachte. »Na ja. Lassen wir es auf uns zukommen. Das Donnerwetter bricht noch früh genug über mich herein …«

      »Er war schon immer ein leichtsinniger Kerl«, sagte Dr. Wolff zu Eva. »Na ja, als Junggeselle kann man sich’s leisten … Aber was ich sagen wollte …« Er hatte den Oberarzt und Eva mit seinen klugen, dunklen Augen schon eine ganze Zeitlang nachdenklich angesehen. Jetzt lächelte er: »Wißt ihr eigentlich, was eine Fügung des Himmels ist?«

      »Dein Kognak und dein Kaffee«, sagte Dr. Westhaus.

      »Das sowieso. Außerdem aber auch…« Dr. Wolff trat an seinen Schreibtisch, machte eine Schublade auf

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