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Alle Liebe dieser Welt. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Alle Liebe dieser Welt
Год выпуска 0
isbn 9788711718377
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Auf dem Foto war nur das schulterfreie Oberteil ihres schwarzen Kleides zu sehen, das mit einer seltsam geformten Brosche geschmückt war, die auffallend einem Sheriffstern ähnelte. Ellen Krone vermochte nicht zu entscheiden, ob es sich um einen Modeschmuck handelte. Wenn sie echt war, mußte sie sehr kostbar sein. Auf alle Fälle wirkte Annabelle Müller gepflegt und elegant, nicht wie eine Frau, deren Bekanntschaft man sich hätte schämen müssen.
Warum hatte Peter dann niemals ein Wort über sie erwähnt?
Die Schlußfolgerung lag nahe, aber Ellen Krone wollte sie nicht ziehen. Alles in ihr sträubte sich dagegen.
»Nein, nein, nein!« Sie rief es laut, als wenn sie ihre Gedanken damit übertönen könnte.
Ihr Mann war kein Mörder, sie durfte sich nicht in eine solche Vorstellung verrennen. Wahrscheinlich war er nicht einmal Annabelles Liebhaber gewesen. In all den zahllosen Pressenotizen, die sie über den Fall gelesen hatte, war niemals ein Wort von einem unbekannten Freund erwähnt worden.
Annabelle Müller war die Geliebte von Heinrich Groß gewesen. Das stand fest. Diese Tatsache hatte auch die Aussage der Angeklagten erhärtet. Wahrscheinlich war das Foto schon vor Jahren aufgenommen worden, vielleicht stammte es sogar noch aus jener Zeit, da Annabelle verheiratet gewesen war.
Ellen Krone drehte es um, in der Hoffnung, auf der Rückseite ein Datum zu finden, aber dort stand nur eine Widmung. »Meinem geliebten Peter von seiner Annabelle.«
Mehr nicht. Aber diese wenigen Worte genügten, um Ellen Krone erneut in einen Abgrund von Verzweiflung zu stürzen. Zwischen ihrem Mann und der ermordeten Annabelle hatte also eine enge Beziehung bestanden. Auch wenn diese Freundschaft Jahre zurücklag – warum, warum hatte er ihr nichts davon erzählt?
Es gab nur eine einzige Erklärung für dieses Schweigen, eine einzige Erklärung für das Entsetzen darüber, daß sie als Geschworene ausgerechnet für diesen Mordprozeß bestimmt worden war – er war in den Mordfall verwickelt.
Ellen Krone sträubte sich dagegen, selbst in Gedanken auch nur einen Schritt weiterzugehen. Sie liebte ihren Mann, und sie war fest überzeugt, daß er kein Mörder sein konnte.
Beinahe hätte sie, einem Impuls folgend, das verräterische Foto in tausend Fetzen zerrissen. Aber dann besann sie sich und ließ es in ihre Handtasche gleiten. Sie mußte mit ihrem Mann darüber sprechen. Aber sie scheute sich, ihn danach zu fragen. Er sollte sich ihr gegenüber nicht wie ein ertappter Sünder fühlen. Nein, es war viel besser, ihm eine Gelegenheit zu geben, von sich aus die Wahrheit zu bekennen.
Er würde es tun, dessen war sie sicher, er würde alles klären können. Aber obwohl sie sich bemühte, tapfer und vernünftig zu sein, wollte der Druck nicht von ihrem Herzen weichen. Sie spürte den drohenden Schatten, der über ihr junges Eheglück gefallen war, fast körperlich.
In der Gastwirtschaft »Zum goldenen Eck« ging es in den frühen Nachmittagsstunden sehr ruhig zu. Außer Peter Krone befanden sich nur wenige Gäste in dem großen, gemütlichen Schankraum, genauer gesagt, nur eine Runde älterer Herren, wahrscheinlich Rentner, die einen ausgiebigen Skat klopften, und ein junger Lastwagenfahrer, der an der Theke eine Cola trank.
Aber gerade die Anwesenheit dieses jungen Mannes machte es Peter Krone unmöglich, mit dem Wirt, Hubert Erlinger, einem Kameraden aus der Kriegszeit, ein vertrauliches Gespräch zu führen.
Erlinger, ein untersetzter Mann mit einem gemütlichen Boxergesicht, fuhr mit einem Wischtuch über das glänzende Spülbecken. »Schön, daß du dich auch mal wieder sehen läßt, Kumpel«, sagte er, »die Ehe scheint dich sehr häuslich gemacht zu haben …«
»Ich war unterwegs«, erwiderte Peter Krone kurz und warf einen Blick auf den Lastwagenfahrer, der sich jetzt auch noch eine Zigarette anzündete.
Ohne eine Bestellung abzuwarten, stellte Hubert Erlinger ein Bier und einen Korn vor Peter Krone auf die Theke. »Na dann«, sagte er, »wohl bekomm’s!«
»Willst du nicht einen mitheben?« fragte Peter Krone.
»Lieber nicht. Der Tag ist noch lang«, wehrte der Wirt ab, aber dann drehte er doch den Zapfhahn noch einmal auf und ließ Bier in ein Glas schäumen. »Weil du es bist«, sagte er, wischte mit der flachen Hand den Schaum ab und hob sein Glas. »Auf alte Zeiten!«
Peter Krone hatte den Schnaps schon gekippt, jetzt nahm er das Bierglas und prostete dem Freund zu. »Auf daß sie unvergessen bleiben!« Er leerte sein Glas. »Noch mal dasselbe!« forderte er.
»Na, du gehst aber heute ’ran«, sagte Erlinger. »Ärger zu Hause gehabt?« Er füllte das Schnapsglas erneut randvoll, so geschickt, daß nicht ein einziger Tropfen vergossen wurde.
»Ach wo«, sagte Peter Krone, »Ellen ist ganz in Ordnung.«
»Wem sagst du das! Ich habe euch ja schließlich zusammengebracht … oder?«
»Stimmt!« Peter Krone zündete sich eine Zigarette an.
»Wenn ich allerdings gewußt hätte, daß ihr beide euch, sobald ihr verheiratet wart, nie mehr würdet blicken lassen …« Erlinger drehte den Zapfhahn zu, wartete, bis der Schaum sich gesetzt hatte.
»Nun hör mal auf, alter Meckerkopf, jetzt bin ich ja da! Du kannst schließlich nicht erwarten, daß wir als verheiratete Leute immer noch mit deiner Küche vorliebnehmen …«
Hubert Erlinger drehte den Zapfhahn wieder auf und gab noch einen Schuß in das Bierglas. »Na, aber deshalb könntet ihr doch abends mal vorbeikommen, nur so auf ein Bierchen …« Er schob dem Freund das wohlgefüllte Glas zu.
»Ich sagte doch schon, ich war unterwegs, bin erst vorgestern wieder zurückgekommen …«
Hubert Erlinger beugte sich vor, stützte die Ellenbogen breit auf die Theke. »Wo hast du denn gesteckt?«
»Karachi…«
Der Lastwagenfahrer horchte auf. »Liegt das nicht in Indien?«
»Pakistan, wenn Sie es genau wissen wollen.«
»Da wollt’ ich immer schon mal hin!«
»Dann tun Sie’s doch!« sagte Peter Krone grob.
Der junge Mann verstand die Abweisung. »Na, entschuldigen Sie schon«, sagte er etwas beleidigt, »man wird sich ja wohl noch unterhalten dürfen!« Er warf ein Geldstück klirrend auf die Theke, tippte an seine Mütze und verließ den Schankraum.
Hubert Erlinger richtete sich auf. »Na, nett hast du den Jungen eben nicht behandelt!«
»Ich wollte ihn loswerden«, gab Peter Krone unumwunden zu.
»Nanu?«
»Ich möchte nämlich was mit dir besprechen!« Peter Krone drückte seine Zigarette aus, zündete sich aber gleich darauf eine neue an. »Du erinnerst dich doch, daß ich noch im vorigen Jahr so ungefähr jeden Abend hier war …«
»Und ob.«
»Na, ich hoffe, du kannst mir dann auch bestätigen, daß ich am Abend des neunzehnten September bis kurz nach Mitternacht hier in deiner Kneipe gesessen habe!«
Hubert Erlinger lachte laut auf und schüttelte den Kopf. »Wie sollte ich? Bildest du dir ein, ich mache mir über das Kommen und Gehen meiner Gäste Notizen? Da hätte ich viel zu tun.«
»Denk mal nach«, drängte Peter Krone. »Vielleicht erinnerst du dich doch noch an jenen Abend! Es war ein Freitag …«
»Zahltag also. Noch schlechter. Da ist es hier immer bumsvoll. Wenn du mich fragst, wer alles am vorigen Freitag dagewesen ist, ich könnte dir nicht mal das sagen.«
Peter Krone gab nicht auf. »Aber ich war am neunzehnten