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      »Ja«, bestätigte der Kriminalrat ruhig, »besonders dann, wenn man gar nicht wirklich arbeiten will.«

      »Aber wer sagt Ihnen denn das?« fuhr sie auf.

      Er wechselte den Ton. »Kitty«, sagte er, »nun machen Sie bloß keine Geschichten. Geben Sie doch zu, daß Sie nicht allein waren, als Ihre Freundin Sie um Hilfe rief . . .«

      »Und wenn schon! Kann man denn nicht mal Besuch haben?«

      Jetzt erst wurde ihr bewußt, daß er sie mit ihrem Decknamen angeredet hatte. »Woher wissen Sie überhaupt . . .« Sie stockte und hatte plötzlich Angst, sich zu verraten. »Es war mein Verlobter«, trumpfte sie auf, »ja, damit Sie Bescheid wissen . . . mein Verlobter war bei mir!«

      »Und Ihr Verlobter pflegt Ihnen Geld für Ihre . . . Gefälligkeit zu geben?«

      »Ach so, das meinen Sie, das war nur . . . ich hatte ihm etwas geliehen, das hat er mir heute wiedergebracht.«

      »Und würden Sie dann auch so nett sein, mir den Namen Ihres Verlobten zu nennen?« Kriminalrat Hellwege bog die Schreibtischlampe so, daß ihr voller Schein auf Kittys Gesicht fiel. Er selbst saß jetzt im Halbdunkel.

      Sie preßte die Lippen zusammen, dachte angestrengt nach.

      »Machen Sie es sich doch nicht so schwer, Kitty«, sagte der Kriminalrat. »Glauben Sie etwa, mir macht es Spaß, mit Ihnen Katze und Maus zu spielen? Es wäre doch viel besser, wenn wir beide uns miteinander unterhielten wie zwei erwachsene, vernünftige Menschen.«

      »Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen!« erwiderte sie böse.

      »Na schön, dann werde ich es Ihnen sagen. Wir – ich arbeite übrigens im Sittendezernat, falls Sie die Aufschrift auf der Tür übersehen haben sollten – also, wir beobachten Sie schon seit Monaten. Sie pflegen in Ihrem Mercedes die Kaiserstraße abzugrasen, und . . .«

      Kitty protestierte. »Das ist eine Verleumdung!«

      Kriminalrat Hellwege seufzte. »Gut. Dann seien Sie so nett und erklären Sie mir, wovon Sie leben. Aber erklären Sie es mir, bitte ganz genau, so, daß ich es auch verstehe. Woher haben Sie zum Beispiel diesen Nerz?«

      »Den hat mir ein Bekannter geschenkt.«

      »Aha. Wahrscheinlich wieder Ihr Verlobter. Den Mercedes verdanken Sie wohl auch diesem sagenhaften Herrn?«

      Kitty schwieg.

      »Wir wissen alles über Sie, glauben Sie mir doch«, sagte der Beamte eindringlich. »Wir haben Sie beobachtet, wir haben die Männer gezählt, mit denen Sie zusammen waren . . . Es hat wirklich keinen Zweck, mir etwas vorzumachen! Ich will Ihnen ja auch keine Schwierigkeiten bereiten. Sie haben nicht das geringste zu befürchten . . .«

      »Was wollen Sie dann überhaupt von mir?«

      »Eine Kleinigkeit.« Kriminalrat Hellwege öffnete eine Schublade, zog ein Formular heraus, trug Kittys Personalien ein und schob es ihr über den Schreibtisch zu. »Da. Lesen Sie das durch und unterschreiben Sie!«

      Kitty studierte das Formular mit zusammengezogenen Augenbrauen.

      »Sie verpflichten sich damit, sich beim Gesundheitsamt zu melden und wenn nötig, einer stationären Behandlung zu unterziehen.«

      »Das verstehe ich nicht«, sagte Kitty, »ich bin doch ganz gesund.«

      »Um so besser für Sie! Dann kann es Ihnen doch auch nichts ausmachen, sich mal von einem Arzt untersuchen zu lassen. Das ist eine Sache von zehn Minuten, dann können Sie wieder gehen.«

      »Aber ich sehe den Zweck nicht ein . . .«

      »Kitty!«

      Sie warf das Formular auf den Schreibtisch. »Und überhaupt, ich will das nicht! Ich gehe schon von selber zum Arzt, wenn ich krank bin . . . Nein, ich denke nicht daran, diesen Quatsch zu unterschreiben.«

      »Wie Sie wollen«, sagte Kriminalrat Hellwege ruhig, »dann sehe ich mich leider gezwungen, Sie bis morgen früh in Haft zu nehmen und dem Untersuchungsrichter vorzuführen.«

      »Was?«

      Kriminalrat Hellwege lächelte. »Ja, so ist es nun mal. Sie haben die Wahl.«

      Aber Kitty wußte sehr gut, daß ihr keine Wahl blieb. Wenn sie nicht unterschrieb, würde man sie in Untersuchungshaft stekken, man würde ihr die Tasche abnehmen und ihr sorgfältig gehütetes Notizbuch finden, und damit wäre alles zu Ende.

      Wortlos zog sie das Formular wieder zu sich heran, Kriminalrat Hellwege reichte ihr seinen Kugelschreiber, und sie malte ihre Unterschrift.

      »Danke«, sagte er, »ich wußte ja, daß Sie ein vernünftiges Mädchen sind.«

      »Kann ich jetzt gehen?« Kittys grüne Augen flackerten vor Erregung und Zorn.

      »Nur noch ein paar Formalitäten. Wir müssen eine Karteikarte für Sie ausfüllen . . . Augenblickchen, das haben wir gleich.« Er zog die Schreibmaschine heran, schob ein Formblatt hinein und begann mit zwei Fingern zu tippen. »Es handelt sich nur um eine erkennungsdienstliche Maßnahme, eine reine Routinesache . . . So, da haben wir’s schon!« Er zog das Formblatt aus der Maschine. »Jetzt noch Ihre Fingerabdrücke . . . alle fünfe bitte, von jeder Hand . . . es tut nicht weh!«

      Er stand auf, legte das Formblatt vor Kitty hin, daneben die flache Dose mit dem blauen Puder.

      »Nachher werden wir noch zwei hübsche Fotos von Ihnen machen . . . von vorn und im Profil . . . Und dann werden Sie nie mehr etwas mit uns zu tun haben, dann ist es ausgestanden und vorbei . . .«

      Kitty hatte ihre Finger schon in das blaue Pulver gesteckt und wollte sie auf die Stelle drücken, die der Kriminalrat ihr zeigte. Da las sie, was auf dem Kopf des Formblattes stand. Es war ihr, als habe sie einen betäubenden Schlag auf den Hinterkopf erhalten. »Helga Reimers, alias Kitty, Prostituierte . . .«

      In riesigen Lettern schien dieses Wort vor ihr aufzuleuchten, dieses Wort, mit dem ihr ein Stempel aufgeprägt wurde, der nie mehr zu löschen sein würde: Prostituierte!

      Bis zu diesem Moment hatte sie sich frei gefühlt, jetzt war sie gefangen in dem Netz, das sie sich selbst geknüpft hatte. Das Spiel war vorbei, es war bitterer Ernst geworden.

      Sie war eine Prostituierte.

      Obwohl Kitty in dieser Nacht kaum geschlafen hatte, stand sie doch am nächsten Morgen schon gegen zehn Uhr auf – für sie eine ungewöhnlich frühe Zeit – und fuhr zum Gesundheitsamt. Mit ihrem Mercedes. Aber diesmal – zum erstenmal – konnte es ihr Selbstbewußtsein nicht heben, am Steuer des luxuriösen Wagens zu sitzen. Die Angst und das Entsetzen steckten ihr noch in allen Gliedern.

      Die Untersuchung zeigte kein Ergebnis, die Krankenhausbehandlung blieb ihr erspart. Sie nahm es ohne Genugtuung zur Kenntnis und zeigte auch keine Erregung, als der Amtsarzt ihr erklärte, daß sie sich von nun an jede Woche einmal zur Untersuchung zu melden hätte, entweder bei ihm oder einem privaten Arzt ihrer Wahl.

      »Das sollte doch auch in Ihrem eigenen Interesse sein«, sagte der Amtsarzt, den Kittys starre Ruhe irritierte.

      »Aber ja«, erwiderte sie müde, »alles geschieht nur in meinem eigenen Interesse . . . warum auch sonst?«

      Weder einige Apéritifs noch ein ausgezeichnetes Mittagessen in einem guten Lokal vermochten ihre Laune zu heben. Sie verzichtete auf den Kaffee, fuhr gleich wieder nach Hause, zog die Vorhänge zu und legte sich schlafen – jetzt endlich konnte sie schlafen. Es war alles entschieden, erledigt, sie brauchte nicht mehr zu grübeln, es war vorbei.

      Als sie gegen fünf Uhr erwachte, fühlte sie sich besser. Sie machte sich einen Nescafé in der kleinen Küche, rauchte eine Zigarette, studierte die Zahlen in ihrem kleinen Notzibuch und fand allmählich ihren Lebensmut zurück.

      Na, wenn schon, dachte sie, dann bin ich eben eine Prostituierte! Was soll’s? Ist ja auch bloß ein Wort. Die können mich mal, alle!

      Sie hatte

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