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Bundesliga anders. Christoph Ruf
Читать онлайн.Название Bundesliga anders
Год выпуска 0
isbn 9783730704264
Автор произведения Christoph Ruf
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
21 Punkte würden es am Ende der Hinrunde tatsächlich sein, ein 1:0-Sieg beim 1. FC Nürnberg sorgte zwei Tage vor Heiligabend endgültig für zufriedene Gesichter beim Sport-Club. Die Rückrunde lief dann nicht mehr annähernd so gut, acht Niederlagen und sechs Unentschieden standen nur drei Siege gegenüber. Wobei die Freiburger Verantwortlichen nicht zu Unrecht darauf verweisen, dass der Sport-Club meist ganz ordentlich spielte und einiges Pech hatte, was verletzte Spieler und verwirrte Schiedsrichter betrifft . Da das Punktepolster aus der Vorrunde komfortabel war und vor allem die drei Tabellenletzten aus Stuttgart, Hannover und Nürnberg so gut wie nie punkteten, war recht früh absehbar, dass man erneut die Klasse halten würde. De facto stand es am drittletzten Spieltag fest, als Stuttgart in Berlin verlor.
Jemand für hier
Bei einem längeren Interview einige Wochen vor Saisonschluss wirkt Nils Petersen, der am Saisonende zehn Tore und drei Assists zum Freiburger Klassenerhalt beigesteuert haben wird, ebenso konzentriert wie entspannt. Er kann nicht nur anschaulich erläutern, warum das Klima in der Mannschaft derzeit so gut ist. Er beweist auch bei jeder Frage nach der Ausrichtung des Vereins, dass er den nicht als bloßen Arbeitgeber sieht. Und dennoch hält er kurz inne, als er mit den lobenden Worten konfrontiert wird, die Christian Streich ihm widmete. Dass Petersen „den SC lebt“, ist eine für Streichs Verhältnisse ungewöhnlich pathetische Aussage. Und offenbar eine, die Petersen nur bedingt recht ist. „Ich mag es, wenn der Trainer so etwas sagt“, betont Petersen an diesem warmen Frühsommertag. Doch die Art und Weise, wie er das wiederum sagt, lässt keinen Zweifel daran, dass gleich eine Einschränkung folgen wird. „Aber ich weiß auch, wie er es meint.“ Der Trainer möge es „ja nicht so, im Rampenlicht zu stehen. Aber so klein Streich sich manchmal auch macht, so genau weiß er, was für eine Lücke er hinterlässt, wenn er mal geht.“ Auch deshalb, meint Petersen, lobe er manche seiner Spieler so auffallend oft . „Vielleicht weiß er am besten, wer die Lücke mal füllen könnte.“
Überhaupt, so Petersen, habe er in den letzten Monaten immer mal wieder den Eindruck gehabt, dass man sich beim SC gut vorstellen könne, dass er oder Julian Schuster einmal in die Fußstapfen derjenigen treten, die heute das Sagen beim Sport-Club haben. Christian Streich, Jochen Saier und Klemens Hartenbach – oder, wie Petersen nicht ohne Grund sagt, „Streichsaierhartenbach“ – sind für Petersen so sehr mit dem SC Freiburg verbunden, dass er sich den Verein nur schwer ohne sie vorstellen kann.
„Ich habe manchmal das Gefühl, dass sie hoffen, dass der ein oder andere auch mal in die Rolle schlüpfen kann“, sagt Petersen, der seinem ehemaligen Mitspieler und heutigen Verbindungstrainer Julian Schuster zutraut, eines Tages ein hervorragender Cheft rainer zu sein. Und sein Eindruck, dass auch er in den Planspielen der „drei wahnsinnig intelligenten Menschen, die vorsorgen“, eine Rolle spielt, täuscht nicht. „Man hat schon im ersten halben Jahr gemerkt, dass Nils ein besonderer Mensch ist“, wird Sportdirektor Klemens Hartenbach ein paar Tage später sagen. „Das ist jemand für hier, ganz klar.“
Er selbst weiß hingegen spätestens, seit er hin und wieder gemeinsam mit Schuster und Mike Frantz Fußballspiele im Fernsehen schaut, dass er zumindest zum Trainer weniger taugt als die beiden Kollegen. „Wenn ich mit Schusti Fußball gucke, kann er schon nach fünf Minuten sagen, welche zwei Systeme die bereits gespielt haben, da habe ich noch nicht mal daran gedacht, auf so etwas wie ein System zu achten. Ich schaue ein Spiel ganz anders, achte eher darauf, welcher Spieler welche Ausstrahlung hat, welchen Spielertypus du gerade gebrauchen kannst, wer gerade was verkörpert.“ Er schaue Fußball noch zu sehr wie ein Fan: fasziniert und „mit Genuss“.
Auch Frantz, den Streich in den Monaten zuvor ebenfalls häufig für seine Identifikation mit dem Verein gelobt hat, oder Nicolas Höfler seien als Trainer prädestiniert. „Mike versteht auch extrem viel von taktischen Abläufen. Er ist zudem stark von seiner eigenen Biografie geprägt und sieht, welchen Hintergrund die jeweiligen Spieler haben.“
„Manchmal geht es sehr konservativ hier zu“
Petersen werden die Freiburger Fans also wohl eher nicht an der Seitenlinie stehen sehen, wenn er irgendwann seine Karriere beendet. Auch die erwartbare Frage, ob er seine Zukunft dann überhaupt in Freiburg sehe, beantwortet er nicht mit einem gellenden „Ja, klar“. Wobei seine Antwort („so ist es geplant“) wohl das Gleiche bedeutet. Dass es im Verein einige gibt, die ihn sich jetzt schon bestens als künft igen Verantwortungsträger beim SC vorstellen können, hat einen guten Grund. Denn wer Petersen an diesem Mittag zuhört, merkt sofort, dass da jemand sitzt, der sich über den Verein, für den er seit viereinhalb Jahren Fußball spielt, in einem Maß Gedanken macht, wie es nur selten in dieser Branche vorkommt. Eine Verwendungsmöglichkeit für die Zeit nach der Karriere würde daher wohl jedem Kenner des Freiburger Mannschaft sgefüges sofort einfallen. Zumal Petersen sich seit seiner Ankunft in Freiburg immer mehr in Richtung der gegenwärtigen Vereinspolitik entwickelt hat. Anfangs, 2015, berichtet er, sei ihm das Entwicklungstempo oft zu gemächlich gewesen. „Warum entwickelt ihr euch nicht schneller weiter?“, habe er sich oft gedacht. Als er auf den geplanten Stadionneubau angesprochen wurde, war er sofort Feuer und Flamme. Bedenken, ob der Verein nicht ein Risiko eingehe, wenn er seine angestammte Heimat verlasse, wischte er weg. „Ein größeres Stadion? Klar“, habe er gedacht. „Und das mit möglichst vielen Plätzen.“ Schneller, höher, weiter. Dass man nur so weiterkommt im Fußball, hatte er tief verinnerlicht.
Heute sehe er die Dinge anders, differenzierter. „Es ist hier in Freiburg immer die Frage, wie viel Entwicklung, wie viel Modernität und wie viel Veränderung dem Verein guttun.“ Petersen ist nach wie vor ein Befürworter von Wachstum, und auch wenn er es nicht explizit sagt, fände er es wahrscheinlich gut, wenn – um nur ein Beispiel zu nennen – auf den Social-Media-Kanälen des Vereins mehr passieren würde. Aber noch größer wäre dann die Angst, dass Aktionismus und Effekthascherei dort einziehen, wo bisher Verlässlichkeit und Weitsicht herrschen. „Ich habe mittlerweile eher das Gefühl, dass es hier aus gutem Grund manchmal recht konservativ zugeht.“
Petersen hat schon vor Jahren beobachtet, dass gegnerische Fans ganz anders reagieren, wenn der Freiburger Mannschaft sbus vorfährt, als sie es taten, wenn er im Bremer oder (natürlich) im Bayern-Bus saß. „Da zeigt dir keiner den Fuck-Finger, selbst in Stuttgart eigentlich nicht. Überall, wo du hinkommst, sagen die Leute: Freiburg ist okay, oder zumindest: Gegen die haben wir nichts. Davon leben wir so ein bisschen.“ Umgekehrt kriege er bei den gegnerischen Mannschaft en mit, dass „die und ihre Fans gerne hierherkommen. Die unterstützen dann ihre Mannschaft und hängen noch einen Tag dran, weil man es hier ja durchaus aushalten kann.“ Ihm fielen durchaus Ligakonkurrenten ein – Petersen nennt jetzt drei, vier Städte –, in denen der Stadionbesuch das einzige Highlight sei.
Petersen wäre nicht er selbst, wenn er es mit diesen Beobachtungen bewenden ließe. Was er dank seiner Neugier wahrnimmt, reflektiert er auch. Und macht sich Gedanken, ob „dieser Charme hier verlorengehen könnte“, wenn das Tempo, in dem der Verein sich modernisiert, zu sehr erhöht wird. „Ich fühle mich hier wohl, will hier noch jahrelang Bestandteil sein. Und dann denkst du: Hoffentlich spielen wir in ein paar Jahren noch auf dieser Ebene, im Profibereich, mit.“ Petersen denkt an Vereine wie Uerdingen, dessen millionenschwerer Gönner Mikhail Ponomarev ein paar Tage zuvor gesagt hat, er würde auch „18 Trainer entlassen“, wenn es der Sache diene. Uerdingen also oder „irgendein anderer Verein, wenn einer die Finger im Spiel hat, der Ahnung hat“. Was dann drohen würde, ist für Petersen klar: „Jetzt zählst du gerade zu den 18 Besten in Deutschland, dann musst du gucken, dass du zu den 36 Besten gehörst, und dann wird es schon wieder gefährlich.“
Die Angst, dass genau das passieren könne, sei allgegenwärtig „Es kann immer sein, dass du zwei richtig schlechte Jahre hast, und dann überholen dich in jedem