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Woanders habe ich den Eindruck, die Leute sind da regelrecht scharf darauf.“

      Suspektes Harmoniebedürfnis

      Für einen Menschen, der ein paar Jahre zuvor noch nie in Freiburg gewesen war und nicht die geringste Bindung ins Badische hat, kennt Petersen Land und Leute bereits bestens. Zu wissen, wo man ist, setzt allerdings voraus, dass man rausfinden will, wo man ist. Und Petersen ist eben nicht einer jener Spieler, die sich nach dem Training in irgendein Stammcafé setzen, einen Espresso trinken und die medialen Netzwerke bespielen. Wenn solche Spieler zwei Jahre später den Verein wechseln, ist es immer wieder erschütternd zu hören, was sie zu erzählen haben. Austauschbare Geschichten, die an jedem Ort der Welt hätten passieren können, sind das Höchste der Gefühle.

      Petersen ist da völlig anders. Menschen, die ihn gut kennen, beschreiben Neugierde als eine seiner hervorstechendsten Eigenschaft en. Mannschaft skoch Stephan Köpfer, der viele Spieler im aktuellen Kader auch zu den Gästen seines idyllischen Restaurants zählt, gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er von Petersen und dessen Interesse an seinen Mitmenschen spricht. Identifikation ist dann eben auch mehr als eine abgenutzte Vokabel aus dem Repertoire von Motivationstrainern. Identifikation setzt voraus, dass man benennen kann, womit man sich identifiziert. Und dass man dementsprechend handelt. „Ich habe ja früher auch anders gelebt“, schränkt Petersen ein. „Da bin ich um halb zehn zum Training gekommen, und um halb zwölf bin ich wieder abgehauen. Heute komme ich um halb neun, frühstücke mit den Jungs, und vor 14 Uhr gehe ich meist nicht raus.“ Das, so Petersen, „zeigt ja wahrscheinlich auch, dass man gerne hier ist.“ So ist das wohl.

      Allerdings ist Petersen niemand, der nun binnen kurzem zum Lokalpatrioten reinsten Wassers mutiert wäre. Das Harmoniebedürfnis, das in der Region herrscht, ist ihm suspekt. Suspekt vor allem, weil er es manchmal als verlogen, zumindest aber als aufgesetzt empfindet. „Hier will man immer heile Welt“, hat er erkannt. „Es wirkt hier immer alles so harmonisch und nett, dabei ist das vielleicht gar nicht so.“ Petersen ist eine direktere, unverblümtere Kommunikation gewohnt, und die Sprache ist nicht das Einzige, das er im Badischen als ein bisschen verzärtelt empfindet.

      „Ich bin definitiv ostdeutsch geprägt“, sagt er. „Zwar war ich ein Kleinkind zu Zeiten der Wende, aber ich bin großgeworden mit den Werten und Methoden, die damals zuhause praktiziert wurden. Das hat sich ja nicht geändert, nur weil die Grenzen offen waren. Ich höre heute noch gerne zu, wenn die Verwandten und Freunde von früher reden, meine ganze Familie ist ja komplett im Osten großgeworden.“ Auch im Fußball habe ein anderes Werteschema geherrscht, meint Petersen. „Die Ostschule im Fußball war immer auch eine härtere. Wenn ich das sehe, wie heute die Spieler aus der A-Jugend hochkommen, die fasst man besser mit Samthandschuhen an.“ Zudem, und in dem Punkt scheint Petersen sie sogar auf eine Art zu beneiden, seien viele mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein gesegnet. „Die wollen in jeder Übungsform immer den Ball haben.“

      Wenn er das während seiner Lehrjahre im Jenaer Fußballinternat so praktiziert hätte, wäre ihm das nicht gut bekommen, sagt er. „Das war bei mir komplett anders, da wurdest du von den anderen Spielern erzogen.“ Von Torsten Ziegner zum Beispiel, dem Jenaer Urgestein und heutigen Hallenser Trainer. „Damals habe ich die gehasst. Ich fand es furchtbar, immer die Schuhe putzen zu müssen, ihnen die Bälle ablegen zu müssen. Wenn du beim Drei-gegen-drei verloren hast, warst immer du als Jüngster schuld.“ Heute sei er den Altvorderen dankbar. „Ich musste mir alles hart erarbeiten und war froh, dass ich überhaupt so weit gekommen bin. Dadurch wäre schon mal meine Fallhöhe nie so hoch gewesen, wenn ich es nicht in den Profibereich geschafft hätte.“ Er selbst, so Petersen, sei „leider“ anders gestrickt als Ziegner. „Ich bin leider nicht so, wir haben wenige in der Mannschaft , die Spieler erziehen können. Die musst du ja vorsichtig anpacken, weil sie einen anderen Marktwert haben als wir früher und schon mit einem anderen Level in die Kabine kommen.“

      Tatsächlich klagen die erfahreneren Spieler bei allen Vereinen, dass heute schon 16-Jährige Siegprämien in ihren Kontrakten stehen haben und mit eigenen Ausrüsterverträgen ausgestattet seien. Und wenn sich der große Traum von der glamourösen Profikarriere dann nicht erfüllt, erleben sie die erste und dafür umso tiefere Sinnkrise ihres Lebens. Ein paar Tage später wird sich in Freiburg auch der im tiefsten Westen geborene Saarländer Mike Frantz ähnlich über die junge Spielergeneration äußern. Ist das Ganze also eher ein Gegensatz zwischen Generationen als zwischen einer BRD- und einer DDR-Sozialisation?

      Ostdeutsch geprägt

      Petersen ist jedenfalls überzeugt, dass seine Ostsozialisation ihn maßgeblich geprägt hat. „Ich glaube, vieles, was man mir zuschreibt, sind schon klassische Ostwerte. Disziplin, Geduld, die Fähigkeit, auch mal ruhig zu sein, das sind schon Dinge, die meine Eltern vorgelebt und eingefordert haben.“ Petersen kann es manchmal nicht fassen, wenn er beim Einkaufen mithört, wie sich junge Mütter darüber unterhalten, was ihre zweijährigen Kinder alles nicht essen. Er hat dann oft den Eindruck, sie sind regelrecht stolz darauf, dass das alles so kompliziert ist. „Dieses ‚Was magst du denn heute essen, mein Kleiner?‘ finde ich nach wie vor merkwürdig“, sagt Petersen, in dessen Kindheit tatsächlich gegessen wurde, was auf den Tisch kam. „Und wenn das Wetter gut war, haben wir mit meinen Eltern eine Fahrradtour gemacht. Auf die Idee, ‚Och nee, keine Lust‘ zu sagen, kam bei uns im Ort damals niemand.“ Ostwerte, glaubt Petersen. „Irgendetwas musste man ja dem Westen voraushaben. Sonst machen sich immer die Wessis über die Ossis lustig, also hat man wohl das Bedürfnis, dem etwas dagegenzusetzen.“

      Der Osten definiere sich als „Malocherland“, die Menschen als prinzipienfest. „Wir stehen für etwas“, sei die Selbstwahrnehmung. Fleiß, Hingabe und Solidarität, alles keine schlechten Grundlagen für eine Mannschaft ssportart wie Fußball. Und damit genug zu den Ost-West-Differenzen nebst dazugehörigem Witzarsenal, das Petersen meist „ganz lustig“ findet. So zum Beispiel, wenn er sich Reste des von Mannschaft skoch und Spitzengastronom Stephan Köpfer gekochten Mittagessens in einer Tupperdose mit nach Hause nimmt. „Das ist natürlich immer guter Stoff für Ossiwitze“, lacht Petersen, dem es komisch vorkäme, Essen vergammeln zu lassen, für das er im Restaurant viel Geld bezahlen würde.

      Auch über Köpfer hat sich Petersen schon viele Gedanken gemacht. „Ihn hat man hier ja nicht nur dazu geholt, weil er so toll kocht, sondern auch, weil er SC-affin ist.“ Wenn man Petersen richtig versteht, ist das eine nicht zu unterschätzende Zusatzqualifikation für jeden Vereinsangestellten. Egal, ob er nun mit dem Ball arbeitet, dem Computer oder mit den eigenen Händen.

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