ТОП просматриваемых книг сайта:
Bundesliga anders. Christoph Ruf
Читать онлайн.Название Bundesliga anders
Год выпуска 0
isbn 9783730704264
Автор произведения Christoph Ruf
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Gebaut wurde nicht auf der grünen Wiese, sondern auf dem Gelände der traditionsreichsten Freiburger Sportstätte, des Möslestadions – also der angestammten Heimstätte des bereits im 19. Jahrhundert gegründeten Freiburger FC. Für den deutschen Meister von 1907, der jahrzehntelang der größere Freiburger Fußballverein gewesen war, war das eine Demütigung, von der sich viele Mitglieder des heutigen Verbandsligisten bis heute nicht erholt haben. 1999 hatte der Sport-Club dem ungeliebten Rivalen ein Angebot gemacht, ihm sein angestammtes Stadion abzukaufen.
Wie das Mösle zum Sport-Club kam
„Das Mösle“ liegt idyllisch am Rande des Sternwaldes. Eine wuchtige Tribüne begrenzt es auf der einen Seite, auf der anderen Seite – Richtung Schnellstraße und SC-Stadion – standen die FFC-Anhänger auf Höhe der Mittellinie und feuerten ihre Mannschaft unter einem riesigen FFC-Wappen an. 3.000 bis 4.000 Fans kamen in den 1970ern, zum als bodenständiger geltenden Sport-Club gingen damals nur ein paar hundert Fans. Fakten und Geschichten, die sich viele ältere FFC-Fans heute noch erzählen, nicht selten mit einer gehörigen Portion Verbitterung in der Stimme. Denn der älteste Verein der Stadt, dessen Niedergang mit dem erstmaligen Abstieg in die Landesliga einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte und der aufgrund des jahrelangen Missmanagements finanziell darnieder lag, konnte letztlich gar nicht anders, als auf das Angebot des Lokalrivalen einzugehen und seine sportliche Heimat zu verkaufen. Dass der Sport-Club den FFC damit endgültig abgehängt hatte, war für ihn durchaus image- und identitätsstift end. Noch heute lästern ältere SC-Fans liebend gerne über den „Stehkragenverein“ FFC, der sich vor einigen Jahrzehnten tatsächlich reichlich arrogant gab. Schon lange ist er aber von jedem Hochmut geheilt und präsentiert sich als überaus sympathischer klassischer Amateurverein, der sich im Sommer 2019 mit dem Aufstieg in die Oberliga auch für die seriöse Arbeit der letzten Jahre belohnte.
Zur Tragik des FFC gehört nicht nur, dass ihn die Sünden der Vergangenheit immer wieder in der öffentlichen Wahrnehmung einholen und dass davon die ehrenamtlich arbeitenden Vereinsmitarbeiter betroffen sind, die für diese Sünden nicht das Geringste können. Tragisch war auch, dass der Freiburger FC mit der auf fünf Jahre umgelegten Abstandssumme von zusammengerechnet 240.000 Euro – im Übrigen nicht nur aus FFC-Sicht lächerlich wenig –, die der damalige SC-Manager Andreas Rettig ausverhandelt hatte, ebenso schlecht haushaltete wie in all den Jahren zuvor, in denen man sich erst in die Bredouille gebracht hatte, seine Heimstatt verscherbeln zu müssen. Und so stand der FFC 2008 wieder kurz vor der Löschung aus dem Vereinsregister.
Zwischenzeitlich war der FFC vom Möslestadion in das vergleichsweise piefige Schönwaldstadion im Süden der Stadt gezogen. Und selbst die Miete dafür konnte man sich nun nicht mehr leisten. Der Umzug ins heutige Stadion am Dietenbachpark, zunächst auch ästhetisch ein weiterer Abstieg, war unausweichlich. Im Laufe der Jahre haben sie allerdings das Beste aus den Möglichkeiten dort gemacht, das Gelände immer weiter aufgehübscht, so dass es heutzutage ein nettes Erlebnis ist, an einem Samstagnachmittag wieder Fußball beim FFC zu schauen. Doch natürlich werden ältere Mitglieder noch heute wehmütig, wenn sie an das frühere Stadion denken und es mit dem jetzigen vergleichen: einem klassischen Sportplatz, weit weg vom Stadtzentrum, wo eine Bude vom Baumarkt das Kassenhäuschen ist, wo es keine Vereinsgaststätte gibt und wo drei Stufen das ersetzen, was andernorts eine Tribüne ist.
Inzwischen geht es allerdings wieder bergauf. Der FFC hat mit Ralf Eckert einen Trainer, der in der Spielzeit 2018/19 seine zehnte Saison beim Verein bestreitet. Er verficht einen attraktiven, schnellen und offensiven Fußball, der in Freiburg – auf kleiner Flamme – durchaus seine Liebhaber findet. Zu Spitzenspielen kommen wieder bis zu 700 Zuschauer, ein paar SC-Dauerkarteninhaber haben den FFC als Zweitverein entdeckt. Beides wäre vor drei, vier Jahren noch undenkbar gewesen.
In dem Maße, wie es mit dem FFC bergab ging, vollzog sich fast parallel der Aufstieg des historisch gesehen etwas proletarischeren SC. Vor 2001 trainierten die SC-Jugendmannschaft en hinter der Haupttribüne des Dreisamstadions. Und das auf einem klassischen Hartplatz, der nun wirklich gar nicht zum eigenen Anspruch passte, modernes Kurzpassspiel von der Pieke auf zu lehren und zu praktizieren. Nun war ein neues Zeitalter angebrochen, Anspruch und Wirklichkeit näherten sich auch bei den Trainingsbedingungen zusehends an.
Um talentierte Jugendliche schon gut zu betreuen, bevor sie Kandidaten für die Fußballschule werden, unterhält der Verein seit einigen Jahren Kooperationen mit einer Reihe von Klubs im Umkreis von etwa 150 Kilometern. Hierzu zählen der Offenburger FV, der FV Ravensburg, der FC Radolfzell, der SV Zimmern, die Sportfreunde Eintracht Freiburg sowie der FV Lörrach-Brombach. Von Freiburg aus gesehen sind also alle Himmelsrichtungen abgedeckt. Talentierte Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren erhalten dort zusätzliche Trainingseinheiten von Übungsleitern, die der Sport-Club eigens geschult hat. Dazu kommen Einheiten in Freiburg. Jugendliche, die über all die Jahre herausragen, ziehen dann mit 16 Jahren in die Fußballschule um, auf deren Leitungsebene eine ähnlich große Kontinuität herrscht wie bei den Profis.
„Junge Menschen“, kein „Spielermaterial“
Jochen Saier, der heutige Vorstand Sport beim SC, leitete als einer der Vorgänger von Schweizer mehr als zehn Jahre die Fußballschule. Das ist ungewöhnlich in einer Branche, in der die meisten Sportdirektoren Ex-Profis sind. In Freiburg ist die Vita des studierten Sportmanagers Saier allerdings die Regel und nicht die Ausnahme. Von Christian Streich über Saier und den jetzigen Sportdirektor Klemens Hartenbach bis hin zu den Assistenztrainern Patrick Baier und Lars Voßler stammen die Verantwortlichen der Profis aus der Fußballschule. Und die liefert seit Jahren zuverlässig gute Spieler für die erste Mannschaft , die dann häufig gewinnbringend weiterverkauft werden.
Die Liste der Bundesligaspieler, die im Möslestadion zum ersten Mal das Freiburger Trikot trugen, umfasst heuer rund 20 Namen, die bekanntesten von ihnen: Matthias Ginter, Sascha Riether, Oliver Baumann, Ömer Toprak, Daniel Schwaab, Jonathan Schmid, Daniel Caligiuri, Dennis Aogo sowie die langjährigen Leistungsträger des Freiburger Kaders 2018/19 Alexander Schwolow, Christian Günter und Nicolas Höfler. Für Günter und Schwolow interessieren sich längst auch andere, finanzkräft igere Bundesligisten. Doch Günter kickt immer noch in Freiburg und nicht in Leipzig, wo er möglicherweise nur gutbezahlter Back-up für Nationalspieler Marcel Halstenberg geworden wäre.
Vielsagend ist die Anekdote, die die Eltern von Linksverteidiger Christian Günter über dessen Zeit in der Fußballschule erzählen. Voßler, der damalige Jugendtrainer und heutige Co-Trainer von Christian Streich, habe ihnen geraten, während der fußballerischen Ausbildung von Christian auf die zwei Jahre ältere Tochter aufzupassen, da die Gefahr bestehe, dass Geschwister angehender Profis darauf reduziert würden, „Schwester/Bruder von“ zu sein. Es dürft e durchaus noch Jugendtrainer in Deutschland geben, die einen solchen Rat gar nicht geben könnten, weil sie von den familiären Verhältnissen der Jugendkicker nichts wissen. Das wäre in Freiburg nur schwer vorstellbar. Ein guter Nachwuchstrainer, sagt auch Cheft rainer Christian Streich, müsse wissen, ob ein Kind bei Opa oder Oma großgeworden ist oder ob es aus einer klassischen Familie stammt. „Es ist schlecht, wenn sie das zufällig nach ein paar Jahren erfahren.“
Günter, dessen Verhältnis zur Schwester dem Vernehmen nach exzellent ist, wird heute dann auch ausgiebig gelobt. Streich mag junge Leute, die sich durchbeißen.