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Bundesliga anders. Christoph Ruf
Читать онлайн.Название Bundesliga anders
Год выпуска 0
isbn 9783730704264
Автор произведения Christoph Ruf
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Schruns im Juli 2019. Der SC Freiburg bestreitet zum 13. Mal in Folge sein Trainingslager in dem Alpenörtchen. So oft war er schon hier, dass sie beim FC Schruns eine riesige Fotowand mit Bildern von Freiburger Trainern und Spielern an der Außenwand des Stadions angebracht haben. Sie wissen eben, dass der SC auch 2020 wiederkommen wird.
Was der Sport-Club einmal für gut befunden hat, das ändert er auch nicht mehr. Man kann das belächeln und muss das vielleicht sogar manchmal. Doch in Zeiten, in denen viele Ligakonkurrenten eine immer überdrehtere Außendarstellung praktizieren, ist die Freiburger Selbstgewissheit ausgesprochen wohltuend. Fast immer in den letzten Jahrzehnten ist es dem SC zudem gut bekommen, dass wichtige Entscheidungen nach reiflicher Überlegung getroffen wurden. Und erst dann, wenn man halbwegs sicher sein konnte, dass weder die notorisch soliden Finanzen noch der innere Zusammenhalt des Vereins gefährdet werden.
Ich begleite den SC Freiburg beruflich seit Ende der 1990er Jahre, seit 2007 dürft e ich nicht mehr als zehn Heimspiele verpasst haben. Freundschaft en mit Kollegen und Fans sind so entstanden und natürlich auch Loyalitäten: Beim Sport-Club Freiburg sind mir jedenfalls weit mehr Menschen sympathisch als bei anderen Vereinen. SC-Fan war und bin ich allerdings nicht. Ich finde den Fußweg die Dreisam entlang zum Stadion wunderschön, schätze es sehr, dass es im Stadion friedlich und gelassen zugeht, und freue mich alle zwei Wochen auf ein Wiedersehen mit vielen netten Menschen. Und doch geht es mir eben wie einem Protagonisten aus diesem Buch, dem beim Stadionerlebnis der „Dreck unter den Fingernägeln“ fehlt. Privat zieht es mich auch deshalb seit Jahren sowieso eher in die unteren Ligen. Doch das hält mich nicht davon ab, mich bei 16 von 17 Spielen zu freuen, wenn der SC einen Sieg einfährt. Das würde sich allerdings schnell ändern, wenn – sagen wir einmal – Huub Stevens Nachfolger von Christian Streich werden würde oder statt Klemens Hartenbach ein komischer Investor mit dickem Auto und Doppelkinn die Transferpolitik bestimmte.
Vielleicht ist all das ja eine ganz gute Voraussetzung, um sich aus der Nähe anzuschauen, wie dieser Verein funktioniert, was ihn zusammenhält, was ihn bedroht – und was das Geheimnis seines Erfolges ausmacht. Denn nach wie vor ist es ja eine Sensation, dass sich ein Klub mit dermaßen schlechten Voraussetzungen in der ersten Liga halten kann. Den SC Freiburg nennen jedenfalls gefühlt drei von vier Funktionären im deutschen Fußball, wenn sie gefragt werden, wie man einen Profiverein führen kann, damit er gut für die Zukunft gerüstet ist. Dass es fast immer beim reinen Lippenbekenntnis bleibt, ist gut für den Sport-Club, der sich sonst noch größere Sorgen um seine Zukunft machen müsste. Denn schon jetzt gibt es weit mehr Unwägbarkeiten und Gefahren, als Verantwortlichen und Fans lieb sein kann.
Christoph RufAugust 2019
Der SC Freiburg – nie kopiert, nie erreicht
Was den SC Freiburg ausmacht, wurde nie an einem Flipchart entworfen. Und ist vielleicht gerade deshalb in Stein gemeißelt.
Als der Präsident des VfB Stuttgart in der SWR-Sendung Sport im Dritten saß und mal wieder eine Trainerentlassung rechtfertigen musste, kam der SC Freiburg zu Ehren. Auch wenn der mächtige Gönner des Drittligisten Karlsruher SC, Vizepräsident Günter Pilarsky, mal wieder über seinen Verein sinniert, ist das so. So wie die Freiburger muss man es machen, heißt es dann. Und wahrscheinlich meinen sie es in diesem Moment auch genau so, wie sie es sagen, all die Funktionäre von Hamburg bis München und von Karlsruhe bis Stuttgart, die finden, dass man einiges von der Art und Weise lernen kann, wie der Sport-Club seit den Zeiten von Präsident Achim Stocker sein Kerngeschäft versieht. Ruhig, unaufgeregt und mit einem Plan, der länger als die nächsten beiden Spieltage überdauert.
Nur: So wie der SC Freiburg machen sie es eben nicht. Nicht beim VfB, wo sie im Januar 2018 Tayfun Korkut als Trainer verpflichteten und ihm nach erfolgreicher Rückrunde im Sommer ohne jede Not einen hochdotierten Zweijahresvertrag gaben, nur um ihn wenige Wochen später wieder rauszuwerfen, woraufhin sie selbstredend den nächsten teuren Trainer verpflichteten, den sie wieder ein paar Monate später rauswarfen – und abstiegen. Schon diese beiden Personalien dürft en einen hohen einstelligen Millionenbetrag gekostet haben. Im Sommer 2019 war der VfB Stuttgart dann auch seinen Präsidenten Wolfgang Dietrich los. Hier war die Trennung von einem beratungsresistenten Spalter mit merkwürdigem Geschäft sgebaren überfällig. Aber es zeigte eben auch, wie nachlässig in der Fußballbranche Führungspositionen besetzt werden, in denen über dutzende Millionen Euro entschieden wird
Nun macht auch der SC Freiburg Fehler. So neigte mancher Funktionär in den vergangenen Jahren dazu, Kritik als zerstörerisch und nicht als produktiv wahrzunehmen. Doch viele der entscheidenden Fehler, die neben Stuttgart und Karlsruhe auch den meisten anderen Profivereinen Jahr für Jahr Millionen kosten, kann der Sport-Club gar nicht machen. Zum einen natürlich, weil er es sich schlicht nicht leisten kann, so viel Geld aus dem Fenster zu werfen wie der HSV oder der VfB Stuttgart. Das allein erzieht schon zu Sparsamkeit. Vor allem aber, weil der Verein als Geschäft sgrundlage tatsächlich etwas hat, das in einer Branche, die ihre Personalrochaden gerne in möglichst pathetische Worte kleidet, „Philosophie“ genannt wird. Der SC Freiburg funktioniert in seiner Grundausrichtung unabhängig von den handelnden Personen. Angestellte des Vereins sind vergleichbar einem Puzzlestück, manches größer, manches kleiner. Doch für alle Teile des Puzzles gilt: Fällt eines heraus, darf es eine andere Farbe haben, aber es muss hineinpassen, die gleiche Form haben wie das Stück, das es ersetzt. Die Konturen des Puzzles bleiben immer gleich. Das nennt man Kontinuität. Etwas, das ja angeblich alle Präsidenten, Manager und Trainer mit aller Kraft anstreben.
Allerdings reicht das Interesse daran, welche Mechanismen beim SC Freiburg wirken, weder in Stuttgart noch in Karlsruhe aus, um sich mal genauer mit der dortigen Arbeitsweise zu befassen. „Stabilität“ und „Kontinuität“, um die der SC so oft beneidet wird, werden in der Schwarzwaldstraße 193 ja nicht durchs Leitungswasser angeliefert. Stabilität und Kontinuität sind vielmehr Ergebnis der ganz konkreten Alltagsarbeit. So wie man dort arbeitet, stehen die Chancen besser, dass die Transfers gelingen, dass man einen Trainer findet, der länger als ein paar Monate bleibt, und dass man immer wieder Talente heranbildet, die zu Bundesliga-Stammspielern werden. Höchste Zeit also, sich die Elemente der „Philosophie“ mal etwas genauer anzuschauen, die dafür sorgen, dass der Verein so beneidet wird.
Jugendstil als Philosophie
Irgendwann im letzten Jahrhundert, also in Zeiten, in denen Fußballvereine noch nicht ständig von einer „Philosophie“ redeten, hat sich der SC tatsächlich bereits eine zugelegt. Nicht am Flipchart, sondern weil man einem Mann vertraute, der sich über Fußball ein paar grundsätzlichere Gedanken gemacht hatte als die meisten seiner Kollegen. Auch beim SC Freiburg, das wird gerne einmal vergessen, wurden früher alle paar Monate die Trainer rausgeworfen – bis Finke kam. Spätestens seit dessen Trainerschaft definierte sich der Sport-Club als Ausbildungsverein, also als Verein, der die Spieler entweder selbst ausbildet oder sie günstig einkauft , um sie ein paar Jahre später – wenn sie schon den Verein wechseln wollen oder sollen – für deutlich mehr Geld wieder zu verkaufen. Das war zwar quasi seit Vereinsgründung das Geschäft smodell eines Fußballklubs, der im faktisch industriefreien Südbaden beheimatet ist. Konsequent durchdekliniert wurde das Modell allerdings nicht, man versuchte halt Jahr für Jahr, möglichst günstig einzukaufen und wechselwillige Spieler möglichst teuer abzugeben. Unter Finke, der ja in Freiburg weit mehr als ein Trainer war, bekam das Ganze dann aber endgültig eine Struktur. Denn dieses Konzept setzt, logisch zu Ende gedacht, nicht nur eine hohe Qualität bei der Ausbildung voraus, also gute Trainer und eine ebenso gute Infrastruktur. Es muss auch Sorge dafür getragen werden, dass die generierten Transfererlöse Stück für Stück für ein Wachstum sorgen, von dem sowohl die Qualität des Kaders als auch die Infrastruktur profitiert.
Im Herbst 2001, also bemerkenswert früh, wurde folgerichtig die „Freiburger Fußballschule“ als Nachwuchsleistungszentrum eröffnet. Dass man einen anderen Namen als „Nachwuchsleistungszentrum“ wählte, war dabei kein Zufall. Denn der studierte Lehrer Finke legte großen Wert auf den pädagogischen Aspekt bei der Ausbildung junger Menschen. Heute hat jedes Nachwuchsleistungszentrum, das sich um eine Zertifizierung durch die DFL bemüht, wie selbstverständlich einen pädagogischen Leiter. 2001 war auch dieser Freiburger Ansatz