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je selbst gemacht zu haben?

      »Und?«, fragte Dennis.

      Ich hatte die Mädels zum Mithören bei Kolleginnen geparkt und war jetzt in seinem Büro, um einen kurzen Zwischenbericht zu erstatten.

      »Zwei von denen bleiben, die beiden anderen werden die Flucht ergreifen«, erwiderte ich.

      Sorgfältig zupfte er die Bügelfalte seiner Schlagjeans in Form und inspizierte seine blank geputzten Cowboystiefel. Dann sah er mich an. »Immerhin. Zwei ist doch gut. Wir brauchen Leute. Und ich bin froh, dass du mir diese Gespräche abnimmst. Du als Frau kannst das viel besser als ich.«

      Ich winkte ab. »Geschenkt. Besser, als wenn du die Damen bei eurer ersten Begegnung mit deiner Kostümierung verschreckst. Sie könnten glauben, du hast dich seit Halloween nicht mehr umgezogen.«

      Ich durfte das sagen: Kostümierung. Bei jedem anderen wäre er jetzt aus seinem knallengen Rüschenhemd gesprungen. Ich hatte mir das Privileg, sein Faible für authentische Klamotten aus den Siebzigern bespötteln zu dürfen, hart erarbeitet.

      Genau genommen unter Einsatz meiner Gesundheit, als es darum gegangen war, seinen Laden vor dem gierigen Griff eines größenwahnsinnigen Kiezkaspers und dessen Schergen zu retten.

      Na ja, nicht ich allein.

      Auch mein bester Kumpel Frank Kropka war dabei gewesen, und seine Freundin Bärbel. Und Erwin natürlich, der Exbulle, dessen angebetete Angetraute, die zweiundsiebzigjährige Doris, meine mit Abstand allerliebste Kollegin im Callcenter war. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft, und Dennis Karger gehörte jetzt dazu.

      Seit gut sechs Jahren arbeitete ich mittlerweile für ihn an der Hotline, und ich muss zugeben, dass er meine gelegentlichen Ausflüge ins Ermittlerfach immer mit Humor genommen hat. Nein, mehr: Er hat sie unterstützt, indem er sich nie querstellte, wenn ich dafür kurzfristig freie Tage benötigte. Dann war es um sein Callcenter gegangen, und seitdem hatte ich praktisch Narrenfreiheit bei ihm. Ständig war er auf der Suche nach neuen Aufgaben für mich, mit denen er mir seine Dankbarkeit – die ich nie eingefordert hatte – beweisen konnte. Irgendwie schien ihm der Gedanke, dass ich wie alle anderen acht Stunden täglich an der Hotline schuftete, nicht mehr zu behagen, nachdem ich höchstpersönlich seine Existenz und damit gleichzeitig sein Einkommen und meinen Arbeitsplatz gerettet hatte.

      Dass ich neuerdings die Einstellungsgespräche führte und die Bewerberinnen trainierte, gehörte dazu. Und das machte mir wirklich Spaß, wie ich ehrlicherweise zugeben muss.

      Aber das war noch nicht alles.

      Da mein Chef uns – Erwin, Frank und mich – um unsere Ermittlungsabenteuer heiß beneidete, hatte er zusammen mit Erwin vor einigen Wochen eine Detektei gegründet, deren Büro sich praktischerweise in den Räumlichkeiten des Callcenters befand.

      Fehlte nur noch, dass er für mich ein rotes Schleifchen draufgepappt hätte.

      Aber ich will nicht übertreiben. Erwin langweilte sich in seinem Rentnerdasein und war regelmäßig aufgeblüht wie ein Veilchen im Frühling, wenn ich mal wieder in kriminalistische Verwicklungen geraten war, die wir dann gemeinsam aufdröselten. Mal mit der Kripo in Gestalt seiner Patentochter, Kommissarin Astrid Küpper, mal ohne sie. Erwin war eine Frohnatur und wahrlich kein Kandidat für Depressionen, aber die Wehmut, die ihn nach dem jeweiligen Ende unserer gemeinsamen Abenteuer regelmäßig befiel, war nicht zu übersehen.

      Schon lange war er mit der Idee, Privatschnüffelei als Hobby zu betreiben, das vielleicht auch etwas Geld einbrachte, schwanger gegangen. Aber sein Plan, in der heimischen Garage ein behelfsmäßiges Büro einzurichten, war am erbitterten Widerstand seiner Gattin Doris gescheitert, die bei ihnen zu Hause keinen Publikumsverkehr duldete. Räumlichkeiten anzumieten, wäre finanzieller Wahnsinn gewesen.

      Und dann brachte sich Dennis ins Spiel.

      Schon während unseres letzten Falls, der mit der Hochzeit meiner besten Freundin Diana zu tun gehabt hatte, setzte Dennis ihm wieder den Floh ins Ohr, eine Detektei aufzumachen. Als Trumpf hatte er diesen Büroraum im Ärmel; ein absolut unwiderstehliches Angebot für Erwin.

      Büromöbel gab es als Sahnehäubchen obendrauf, Kommunikationslogistik sowieso, und Dennis stellte mich bei Bedarf für Erwin frei. Oder anders formuliert: Er beförderte sich selbst zu meinem Doppelchef – Callcenter und Detektei. Nun ja, es gab Schlimmeres, zumal sich mein Monatslohn nicht verringerte. Ganz im Gegenteil: Dennis hatte ihn erhöht, wegen der besonderen Aufgaben wie eben diesen Einstellungsgesprächen.

      Also hatte sich die Situation für mich absolut verbessert: mehr Geld, Abwechslung durch zwei verschiedene Jobs unter einem Dach und besondere Aufgaben.

      Ich konnte nicht klagen.

      Ich glaube, man nennt das Win-Win.

      »Und wie ich bereits vorausgesehen hatte, bleiben von den vier Bewerberinnen zwei übrig, die tatsächlich bei uns anfangen wollen«, sagte ich zu Pascal.

      Wir saßen am Küchentisch, aßen zu Abend, und ich erzählte von meinem Arbeitstag. Er hatte eine meiner Lieblingsspeisen gemacht: gebratene Blutwurst mit Kartoffelpüree und Apfelkompott. Sehr ruhrpöttisch und wahnsinnig lecker. Fand auch Kater Baghira, der zu unseren Füßen hockte und von Zeit zu Zeit ein herzzerreißendes, lang gezogenes Miauen ausstieß.

      Ich beugte mich zu ihm hinunter. »Herrje, Baghira, hab doch wenigstens so viel Stolz und Würde, abzuwarten. Du kriegst doch was. Du kriegst immer was ab. Aber nicht während des Essens. Und nicht vom Tisch. Da kannst du wimmern, so viel du willst.«

      »Miaaaaaooooooooooo …«

      Der große pechschwarze Kater sah mich flehend an. Dann stellte er sich auf die Hinterbeine und legte mir eine Pfote aufs Knie, aber ich blieb hart.

      »Lass dir Daumen wachsen, dann kannst du dir selbst Essen machen.«

      »Du kannst so grausam sein, Loretta«, sagte Pascal.

      Er stippte den Zeigefinger ins Kartoffelpü und machte leise »Ksskss«, das weltweit gültige Locksignal für Tiere aller Art.

      Sofort ließ Baghira von mir ab, trippelte mit hocherhobenem Schwanz zu Pascal und durfte zur Belohnung den Finger ablecken.

      »So lernt das Kind nie bessere Manieren, wenn du ständig meine Autorität untergräbst.« Ich runzelte vorwurfsvoll die Stirn.

      Pascal lachte, wurde aber rasch wieder ernst.

      Allzu rasch, wie ich fand.

      Außerdem bildete ich mir plötzlich ein, dass er mich nicht angucken konnte. Nein, stimmte nicht, er konnte mich tatsächlich nicht angucken, wie ich feststellte, als ich testhalber seinen Blick suchte. Noch immer hielt er dem verwirrten Kater den Finger vor die Nase, an dem längst nicht einmal mehr das winzigste Atom Kartoffelpüree zu finden war, denn Baghira hatte selbstredend ganze Arbeit geleistet. Also stippte Pascal erneut ins Püree, und der Kater konnte sein Glück kaum fassen. Eifrig schrappte die kleine rosa Zunge über den Finger, dann wurde das Spielchen noch ein drittes Mal wiederholt. Allmählich machte ich mir ernsthafte Sorgen um die Fingerkuppe meines Liebsten. Als seine Hand zum vierten Mal in Richtung Teller wanderte, griff ich blitzschnell über den Tisch und hielt sein Handgelenk fest.

      Erschrocken sah er mich an.

      »Was ist los?«, fragte ich, ohne ihn loszulassen.

      »Du wirst nicht begeistert sein«, murmelte er.

      Er glubschte aus der Wäsche wie ein achtjähriger Bengel, der einen Fußball durchs geschlossene Wohnzimmerfenster des Nachbarn geschossen hatte.

      Ich ließ ihn los und lächelte aufmunternd. »Raus damit. Wird schon nicht so schlimm sein.«

      Um ehrlich zu sein: Ein wenig ging mir schon die Düse. Seit wann hatte er das Gefühl, mir nicht alles sagen zu können? Beziehungsweise: Wieso rechnete er damit, dass ich unentspannt reagieren würde?

      Pascal musste tatsächlich dreimal tief Luft holen. Dann sagte er: »Ich habe heute Nachmittag ein kurzfristiges Jobangebot bekommen. Sehr kurzfristig.«

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