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fuhr da vielleicht Jonas hinter ihr?

      Sie schüttelte den Kopf und beschloss, sich auf die Fahrt zu konzentrieren. „Das ist doch zu dumm!“, versuchte die junge Frau sich zu beruhigen.

      Jana befand sich auf dem Weg zum Wochenendurlaub bei ihren Eltern, war zusätzlich noch in besonderer Mission unterwegs. Die Zeit drängte, eigentlich wollte sie schon am Nachmittag dort eintreffen. Aber ihr Ex hatte sie aufgehalten und wie immer gejammert, ja gebettelt, dass sie doch zu ihm zurückkommen solle. Jana hatte dann irgendwann genervt zugestimmt, noch mit ihm auf einen Kaffee in die Firmenkantine zu gehen, anschließend aber energisch darauf bestanden, dass sie nun wirklich fahren müsse. Jonas schien es dann plötzlich ebenfalls sehr eilig zu haben und hatte zu Janas Erleichterung mit einem Blick auf seine Uhr verkündet, dass er auch noch einen Termin habe.

      Jonas! Der größte Fehler ihres Lebens. Jana seufzte und konzentrierte sich wieder auf die Fahrt.

      Stolz betrachtete sie die beiden wertvollen Koffer auf dem Beifahrersitz, die man ihr anvertraut hatte und die sie bei einem kurzen Zwischenstopp nachher abliefern sollte.

      Dann wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Lied gelenkt.

      ♫ Rada rada radadadada, rada rada radadadada ♫ ... drang es erneut an ihr Ohr.

      ♫ Wie schön, dass ich heut’ endlich einmal Zeit hab’ Ich muss nicht rasen, wie ein wilder Stier – Ich träum’ so in Gedanken, ganz allein’ und ohne Schranken – Und wünsch’, das schöne Mädchen wär’ bei mir. ♫

      „Das träumst du wirklich!“, rief sie aus und wusste gleichzeitig, dass ihre Reaktion irre war.

      „Bleib cool, verdammt“, beschwichtigte sich Jana selbst und versuchte das Lied zu verdrängen.

      ♫ Rada rada radadadada, rada rada radadadada ♫

      Endlich kam ihre Ausfahrt und sie konnte die Autobahn verlassen. Die junge Frau setzte den Blinker, folgte dem Wegweiser über die B 437 Richtung Wiesmoor. Der Regen prasselte noch immer auf ihr Wagendach, außerdem machten die dunklen Wolken die Fahrt noch ungemütlicher.

      ♫ Bye-bye, mein schönes Mädchen, gute Reise – Sie hat den Blinker an, hier fährt sie ab. ♫

      Wieder kroch eine Hühnerpelle über ihren Nacken bis zur Kopfhaut hoch.

      „Schluss jetzt! Musik aus! Ich schaue einfach nicht mehr in den Rückspiegel.“ Jana drehte das Radio ab.

      Doch ganz gelang es ihr nicht. Mit einem Auge schielte sie in den Spiegel und atmete erleichtert auf. Hinter ihr war es dunkel. Kein Auto zu sehen. Nun lagen noch ungefähr siebzig Kilometer durch Dörfer und über die Landstraße vor ihr, bis sie in Wiesmoor und später dann zu Hause war.

      Erleichtert drückte sie sich in den Fahrersitz und gab Gas. Der Refrain des Liedes ging ihr allerdings nicht aus dem Sinn.

      ♫ Rada rada radadadada, rada rada radadadada ♫

      … trällerte es in ihrem Kopf.

      Nachdenklich fuhr sie in die Dunkelheit Ostfrieslands hinein und schimpfte zwischendurch: „Verdammter Ohrwurm.“

      Bockhorn stand auf dem nächsten Wegweiser. „Genau! Über Bockhorn und Friedeburg schnell nach Wiesmoor, die bestellte Ware abliefern“, flüsterte Jana, „und dann endlich zu Mama und Papa.“ Irgendwie fühlte sie sich unruhig, wusste aber nicht, warum.

      Wieder schaute sie zu den Koffern. Ja, der Auftrag erfüllte sie mit Stolz. Auf dem einen Aluminiumkoffer klebte ein roter, auf dem anderen ein gelber Punkt. Das war das einzige Unterscheidungsmerkmal. Niemand durfte von außen erkennen, was sich darin befand. In den Koffern lag je noch ein Lieferschein, hatte man ihr gesagt, zu dem sie dem Empfänger etwas ausrichten sollte. Dieser Code, ein kurzer Satz, sei wichtig für den Empfänger und dürfe nur ihm übermittelt werden. Ohne Code sei die wertvolle Lieferung nutzlos.

      Im Paket mit dem roten Punkt befanden sich drei gut verpackte und gekühlte Glasbehälter, in dem anderen einhundert kleine Ampullen. Beide Inhalte erfolgversprechend und doch unterschiedlich und nur sie konnte für die richtige Verwendung sorgen. Das war die Sicherheitsvorkehrung, die ihre Auftraggeber eingebaut hatten, falls die Lieferung in falsche Hände kommen sollte.

      „Zwei vollkommen unterschiedliche Inhalte“, flüsterte sie, „beide immens wertvoll, zukunftsträchtig und erfolgversprechend und trotzdem so anders.“ Ja, sie wusste genau, was sich in den Koffern befand, hatte es von Jonas erfahren, der ihr gegenüber mit seinem Wissen prahlte. Offiziell aber durfte sie natürlich keine Kenntnis davon haben.

      Jana konzentrierte sich wieder auf ihre Fahrt, sie wollte den Auftrag schnell erledigen und dann endlich nach Hause. Im Rückspiegel tauchten in der Dunkelheit nun doch zwei leuchtendgelbe Augen auf; Scheinwerfer, aber die kümmerten sie nicht.

      Die junge Frau schaltete das Radio wieder ein, suchte einen anderen Sender mit modernerer Musik. Von alten Schlagern hatte sie für heute genug.

      Irgendwann rauschte ein Auto an ihr vorbei.

      „Idiot“, fluchte Jana, „muss das sein, in der Dunkelheit und auf der unübersichtlichen Straße?“ Der Regen hatte nicht nachgelassen und ihre Scheibenwischer schoben sich quietschend über die Frontscheibe.

      Schnell waren die Rücklichter des Rasers in der Nacht verschwunden.

      Laut sang sie ein Lied mit, klopfte den Takt mit den Fingern auf dem Lenkrad. Jana freute sich auf die beiden Tage zu Hause und die anstehende Geburtstagsfeier ihrer Mutter. Erst am Montag würde sie wieder losmüssen, dann hatte sie einen Termin bei einem Tierarzt in Leer. Sie sang auch das nächste Lied mit, laut und falsch, aber egal. Dann verstummte sie plötzlich und nahm verwundert den Fuß vom Gas. Was war das, da weit vor ihr? Irgendetwas oder irgendwer befand sich mitten auf der Straße. Noch konnte sie nichts Genaues erkennen und schaltete das Fernlicht ein. Jana atmete heftig. Gab es dort einen Unfall oder wollte jemand … Mit der rechten Hand griff sie nach den Koffern neben sich und hob sie hinter den Beifahrersitz.

      Mitten auf der Straße stand ein Fahrzeug, unbeleuchtet, ohne Warnblinkanlage, angestrahlt von den Scheinwerfern ihres Wagens. Jana überlegte, ob sie aussteigen oder einfach den Notruf wählen sollte. Für eine Frau, allein auf der Landstraße in dunkler Nacht, war diese Situation zu gefährlich.

      „Ach was!“, sprach sie sich laut Mut zu. „Wenn da jemand dringend Hilfe braucht, ist es, bis ein Arzt kommt, sicher zu spät.“ Ihr Medizinstudium, wenn auch Tiermedizin, verpflichtete sie förmlich zum Handeln.

      Jana nahm ihr Telefon zur Hand, stieg aus, ließ aber den Motor laufen und ging auf das Fahrzeug zu.

      „Hallo!“, rief sie laut. „Hallo, brauchen Sie Hilfe? Soll ich die Rettung rufen?“ Sie wedelte mit ihrem Handy, bekam aber keine Antwort.

      Plötzlich vernahm sie von der Seite unheimliche Laute. Was war das? Im seitlichen Gestrüpp konnte sie nun zwei leuchtende Punkte sehen und mit einem Mal war da dieses schreckliche … – ja, was war das? Ein Heulen? Es klang sehr bedrohlich. Jana fröstelte. Die Sache wurde ihr unheimlich.

      „Was mach ich hier, bin ich eigentlich blöd?“ Schnell drehte sie sich um und lief zurück zu ihrem Fahrzeug. Als sie es erreichte und einsteigen wollte, registrierte sie hinter sich eine Bewegung, dann traf sie ein Schlag im Nacken und sie fiel nach vorne, schlug mit dem Kopf gegen das Lenkrad. Aber das spürte sie schon nicht mehr.

      Unheimliche Geräusche

      Samstag, früher Morgen

      Da war es wieder, dieses unheimliche Geräusch, und Jettchen Evers verfluchte ihr Hörgerät, das sie seit geraumer Zeit nachts nicht mehr ablegte. Einige Dinge waren in der Vergangenheit passiert, die die alte Ostfriesin hatten vorsichtig werden lassen. Ihrer Familie gegenüber behauptete sie zwar, dass der Grund darin liege, dass sie sonst den Feuermelder in der Stube nicht hören würde, aber keiner glaubte ihr das. Ihr Grund war ganz banal, sie wollte einfach nicht mehr unbemerkt im Bett überrascht werden. Ohne Hörgerät nämlich war sie taub.

      Nun saß sie kerzengerade

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