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eine Chance gibst.«

      »Ich hab auch zugehört.« Sie legte die unverletzte Hand auf seine Brust und schob ihn beiseite. »Feen! Tolle Theorie! Ich danke dir dafür, dass du diese Weisheit mit mir geteilt hast, aber ich muss jetzt wirklich wieder los und weiter nach meiner Schwester suchen.« Mit diesen Worten drängte sie sich an ihm vorbei und aus der Wohnung hinaus.

      »Alien Neighbours«, rief er ihr nach. »Falls du deine Meinung änderst: Das ist der Club, in dem du nach deiner Schwester suchen solltest.«

      »Danke«, sagte sie, ohne es zu meinen. Dann ging sie schnell und ohne sich noch einmal umzusehen.

      Vor dem Fevernight hatte sich eine Schlange gebildet. Die erste Vorstellung des Abends musste in Kürze beginnen. Bren reihte sich unter die Wartenden und wandte den Blick ab, um ihre Missbilligung nicht allzu öffentlich zur Schau zu stellen. Sie hatte diesen Ort nie gemocht.

      Weiter die Straße herunter drängten sich andere Menschengruppen in die Clubs und Bars des Viertels oder steuerten auf das nahe Holo-Kino zu, um sich dort irgendeine Spätvorstellung anzusehen. Musik drang aus jedem der Läden und mischte sich draußen zu unangenehmen Disharmonien.

      So viele Menschen, so viel Nähe. Früher hatte Bren das nichts ausgemacht. Städte waren immer brechend voll. So war das eben, wenn sich eine Population quer über einen ganzen Planeten verstreut entwickelt und ausgebreitet hatte und sich dann unter ein paar Tausend Kuppeln zurückzog. Man war es gewöhnt. Aber seit Bren die Arbeit auf dem Mars angenommen hatte, hatte sie vergessen, wie viel gedrängter noch das Nachtleben war. Wie drückend die Musik und der Geruch der legalen Drogen, Alkohol und 6D, sein konnten. Ganz zu schweigen von den hin und wieder untergemischten illegalen Duftnoten. Auf dem Mars gab es keinen Alkoholausschank. Es gab auch keine Holo-Kinos, zu deren ach so tollem Gesamterlebnis die Leute 6D einwarfen, um sich durch die Droge noch mehr in der Geschichte zu verlieren. Und es gab keine Orte wie das Fevernight. Nichts davon hatte ihr gefehlt.

      Von hinten drängelte jemand. Bren wurde dichter an die Rücken der Männer vor ihr geschoben. Es roch nach Schweiß. Sie rümpfte die Nase, wandte den Kopf und versuchte, sich mit den Filmchen auf den Werbetafeln des Holo-Kinos abzulenken. Da schlugen sich zwei Kerle mit einem Baummonster um eine mysteriöse Kiste. Eine Shuttlepilotin küsste lachend ihre Geliebte. Eins weiter hockte eine Frau in Schwarz mit Hörnern auf der Stirn und rissigen Flügeln über einer bewusstlosen Blondine und kicherte wahnsinnig. Feenschlaf – Wer weckt Dornröschen? stand unter dem letzten Film. Bren runzelte die Stirn.

      Die Schlange bewegte sich vorwärts. Bren verlor die Werbetafeln aus den Augen und sah nach oben. Hier waren sie so nah am Stadtrand, dass man die Kuppel über ihnen mit bloßem Auge erkennen konnte. Ein paar graue Streben zogen sich den Himmel hinauf. Die Scheinwerfer daran warfen weißes Licht auf Gebäude und Menschen. Es war etwas kühler als das Sonnenlicht, das tagsüber durch die Kuppel drang, aber mindestens ebenso hell.

      Die Schlange rückte weiter. Bren war dem Fevernight jetzt so nah, dass die aufgedrehte Musik, die daraus drang, alle umliegenden Geräusche übertönte. Sie blickte auf und bemerkte, dass die Türsteherin ihr bereits ungeduldig den Scanner entgegenstreckte. Bren hielt ihren Arm dicht an ihren Körper gepresst und machte keine Anstalten, ihr Handgelenk unter das Lesegerät zu halten.

      »Ich suche Cay«, rief sie über den Lärm hinweg.

      »Wen?«, brüllte die Türsteherin zurück.

      Bren überlegte krampfhaft, welchen ätzenden Künstlernamen Cay sich damals als Tänzerin gegeben hatte. Irgendwas mit Blume. Moonflower? Nightflower? »Shadowflower!« Sie machte keinen Hehl daraus, wie sehr sie diesen Namen und überhaupt alles an diesem Ort verabscheute. »Ist sie hier?«

      Die Türsteherin zuckte die Schultern. »Weiß nicht. Aber es sind auf jeden Fall eine Menge guter Mädchen da.«

      »Mag sein, ich suche aber nur Shadowflower. Niemanden sonst.«

      »Hier draußen ist sie jedenfalls nicht.« Die Türsteherin zeigte hinter sich auf den Eingang und streckte den Scanner noch weiter in Brens Richtung. »Geh rein und such da nach ihr!«

      Bren schüttelte den Kopf. »Ich will sie nicht tanzen sehen, ich will nur wissen, ob sie hier ist.«

      »Wie du meinst. Aber wenn du nicht rein willst, dann hau ab! Du blockierst die ganze Schlange.«

      Bren funkelte die Türsteherin an und machte keine Anstalten zu gehen.

      »Was jetzt?« Drohend baute die Frau sich vor ihr auf. »Entweder du zahlst und gehst rein oder du verschwindest. Ich sage es nicht noch mal.«

      Mit einem Blick, von dem sie wünschte, er könne töten, streckte Bren ihren Arm vor und ließ das Eintrittsgeld über ihren ID-Chip abbuchen. Dann stapfte sie an der Türsteherin vorbei in den Club.

      Im Inneren des Fevernight schien das Licht etwas weicher als draußen auf der Straße. Kleine Scheinwerfer in verschiedenen Farben sorgten für eine aufregende Kulisse und einzelne weiße Spotlights lenkten die Aufmerksamkeit des Publikums auf ganz bestimmte Teile der Bühne. Dort wiegten, drehten und rekelten sich leicht bekleidete Frauen, die im Verlaufe des Abends sicher noch leichter bekleidet enden würden. Die Menschenmenge um die Frauen herum gaffte und johlte.

      Bren hielt sich im Hintergrund und verzog das Gesicht. Die ganze Angelegenheit war ihr zuwider, aber sie zwang sich, jede einzelne der Tänzerinnen genau zu betrachten. Einige trugen dünne Kleider, andere Strapse oder glitzernde Flügel. Cay war keine von ihnen.

      Bren atmete auf. Sie war enttäuscht und erleichtert zugleich. Enttäuscht, weil von Cay immer noch jede Spur fehlte, und doch erleichtert darüber, dass ihre Schwester offenbar Wort gehalten hatte und nicht noch einmal der Verlockung leicht verdienten Geldes erlegen war. So sehr sie sich auch wünschte, Cay wiederzufinden, hier wollte sie sie nicht entdecken.

      Sie wandte der Bühne den Rücken zu und kämpfte sich durch die Menge zur Bar an der Rückwand des Clubs. Dort schenkten gleich mehrere Barkeeper Getränke aus und heizten damit die ohnehin schon gelöste Stimmung weiter an. Bren drängte sich zwischen einigen wartenden Kerlen hindurch an die Theke. Die empörten Rufe, die ihr dabei folgten, ignorierte sie.

      An der Theke angekommen streckte sie sich hoch auf die Zehenspitzen, stützte sich mit dem gesunden Arm ab und beugte sich so weit vor, wie sie nur konnte. Der Barkeeper, der gerade zu ihrer Linken drei Bier über den Tresen reichte, kam ihr bekannt vor. Sie glaubte, dass Cay einmal mit ihm ausgegangen war, als sie noch im Fevernight gearbeitet hatte. Wie hieß er nur gleich? »Cev?«, versuchte sie ihr Glück.

      Sie war sich sicher, dass sie laut genug gesprochen hatte, um ihre Stimme über die Musik zu erheben. Trotzdem reagierte der Barkeeper nicht. Also nächster Versuch! »Brat?«

      Nichts.

      »Fin?«

      Endlich sah er auf. Mit einem gewinnenden Lächeln, das eindeutig auf eine ordentliche Portion Trinkgeld abzielte, kam er zu ihr herüber und lehnte sich Bren von der anderen Seite der Theke her entgegen.

      »Was kann ich für dich tun, Süße?«

      »Hast du in letzter Zeit was von Cay gehört? War sie hier?«

      Er runzelte die Stirn und lehnte sich ein wenig zurück. »Cay?«, wiederholte er.

      »Ja, Cay. Oder Shadowflower, wenn sie hier ist.«

      »Wer will das wissen?«

      »Bren.« Sie deutete auf sich. »Ich bin ihre Schwester, erinnerst du dich?«

      Fin musterte sie eingehend. »Kann sein«, sagte er unschlüssig.

      »Ich will nur wissen, ob sie hier gewesen ist. Ich suche sie überall.«

      »Seit Ewigkeiten nicht.« Fin hatte inzwischen verstanden, dass sie nichts kaufen würde, und so wandte er sich ab, nahm eine Bestellung auf und machte

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