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Sie auch zum Spiel gegen Kiel?«, lenkte er ab. Gemeint war die für Mitte September anstehende Begegnung der Göppinger Bundesliga-Handballmannschaft Frisch Auf gegen THW Kiel in der Hohenstaufenhalle. Siebeneicher, selbst begeisterter Sportfan, wusste, dass sich die junge Frau für Handball interessierte.

      »Das wird ein spannendes, aber schwieriges Spiel. Sie erinnern sich: Im Januar haben wir auswärts bei denen immerhin gewonnen.«

      Emmerich staunte: »Oh, Sie sind aber gut informiert.«

      »Ich kann Ihnen sogar sagen, wie Frisch Auf in Kiel gewonnen hat: 18 zu 13«, trumpfte Analena auf und sah in die verdutzten Gesichter der Männer. Natürlich gab es bei den Göppinger Honoratioren sehr viele Handballfans, denn es gehörte zum guten Ruf und war sozusagen Ehrensache, fest zu dem Bundesligisten zu stehen. Aber wenn sich noch jemand an Spielergebnisse von vor über einem halben Jahr erinnern konnte, musste er schon ein ganz eingefleischter Fan sein.

      Den Männern am Tisch wurde klar, dass sich Analena als Ulmerin schon sehr mit Göppingen identifizierte. »Ich hab selbst mal Handball gespielt«, verriet sie stolz. »In Ulm. Aber nicht sehr lange.«

      »Und deshalb haben Sie sich für die Handballstadt Göppingen entschieden?«, wollte Adamus wissen und sah sie über das dicke schwarze Gestell seiner Brille hinweg verwundert an.

      »Nein, nicht deswegen, sondern weil das Juweliergeschäft zur Verpachtung anstand und ich von der Bank einen günstigen Kredit für die Existenzgründung bekommen hab.«

      »Sie sind gelernte Juwelierin?«, hakte Autohändler Blaubart nach, weil sie bei ihren letzten Treffen darüber nicht gesprochen hatten.

      »Ja, bin ich. Goldschmiedin, genauer gesagt. Aber mein Traum war es schon immer, selbstständig zu sein.«

      »Da braucht man allerlei Knete«, warf Siebeneicher aus eigener Erfahrung ein.

      »Das kann man wohl so sagen. Jetzt mach ich das seit drei Jahren, aber ganz so locker sitzt den Göppingern das Geld nicht. In Ulm ist mehr gelaufen.«

      Blaubart grinste. »Die Göppinger sind sparsam. Anstatt das Geld auszugeben, holen sie sich’s lieber bei der Bank – auf unkonventionelle Weise.« Kaum hatte er es gesagt, spürte er, dass diese ironische Anspielung auf den Bankraub in diesem Augenblick völlig unpassend gewesen war.

      Siebeneicher war erneut um Schadensbegrenzung bemüht: »Nun lass mal. Oder willst du behaupten, die Räuber seien wirklich Göppinger?«

      Heiko Emmerich, der als einer der Verantwortlichen der Industrie- und Handelskammer stets darauf achtete, den Standort Göppingen nicht in Verruf kommen zu lassen, stellte klar: »Wir sollten das Thema nicht vertiefen. Je mehr Gerüchte in Umlauf kommen, desto schneller könnte auch einer von uns in die Schusslinie geraten.«

      »Einer von uns?«, entfuhr es Siebeneicher und sah in irritierte Gesichter. »Glaubst du, jemand würde ausgerechnet uns so ein Kidnapping zutrauen?« Er lächelte verlegen.

      Wieder gab sich der Autohändler vorlaut: »Natürlich. Jeder in der Stadt könnte es gewesen sein. Jeder, der in einer finanziellen Klemme sitzt. Oder habt ihr etwa alle keine Schulden?«

      30

      Die Aufregung legte sich, und auch das Interesse an dem Bankraub schwand von Monat zu Monat. Als Sander wieder genesen war, unterhielt er sich ausführlich mit seinem älteren Kollegen Grüninger darüber, aber außer Spekulationen gab es weiterhin nichts, was sich in diesem Sommer zu dem Thema verbreitet hatte. Für die Journalisten fand sich trotz aller Mühe kein aktueller Grund mehr, die Berichterstattung am Köcheln zu halten. Auch mehr oder weniger regelmäßige Anrufe bei dem Soko-Leiter in Stuttgart erbrachten nichts. Aber einen derart spektakulären Fall als ungeklärt zu den Akten zu legen, das durfte wohl nicht wahr sein. Natürlich schlug sich das dreiste Verbrechen in den Jahresrückblickseiten der Heimatzeitung, der NWZ, nieder, womit neues Salz in die Gerüchtesuppe geschüttet wurde. Sander hatte noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben, seinen Lesern irgendwann einen finalen Artikel bieten zu können.

      Er ahnte natürlich, dass im Hintergrund unzählige Vernehmungen liefen und sich die Aktenordner bei der längst nach Stuttgart umgezogenen Sonderkommission füllten. Auch Heinrich Lackner hatte seinem Nachbarn, dem Soko-Leiter Hartmut Zeller, mehrfach das Vorgehen der Gangster im Bankgebäude schildern müssen. Seine Sorge, selbst in die Schusslinie der Ermittler zu geraten, stieg von Woche zu Woche.

      Zeller hatte sein hartnäckiges Nachbohren so begründet: »Wir rätseln noch immer, weshalb die Täter so sicher sein konnten, dass in der Bank niemand etwas bemerkt hat.«

      »Wie oft soll ich Ihnen noch sagen«, wurde Lackner an diesem Januartag erstmals etwas ungehalten, als ihn Zeller erneut ganz offiziell in ein Büro der Göppinger Kriminalpolizei gebeten hatte, »ich hab nur getan, was mein Chef von mir verlangt hat. Und als die mich dann mitgenommen haben, hatte ich wirklich panische Angst.«

      »Haben Sie denn mal mit jemandem über die Örtlichkeiten im Tresorbereich gesprochen? Hat sich mal jemand auffallend dafür interessiert?«

      »Was glauben Sie, wie oft ich mir das schon überlegt habe, seit Sie mich das erste Mal dazu befragt haben! Nein, ich kann mich an niemanden erinnern.«

      »Sie wurden nie danach gefragt?«, zweifelte Zeller.

      »Nein.«

      »Auch nicht im Freundes- und Bekanntenkreis? Ich denke, dass es gesprächsweise doch manchen brennend interessiert, wie und wo die Bank das Geld lagert.«

      »Na ja«, räumte Zeller ein, »das schon, aber da erzähl ich doch nicht im Einzelnen, wie man da hingelangt und wie man den Tresor öffnen kann.«

      »Aber vielleicht, wie das mit den morgendlichen Geldtransporten ist?«

      »Was wollen Sie denn von mir hören?«, brummte Lackner hörbar verärgert. »Jetzt werden Sie mich gleich auch noch fragen, ob ich Schulden hatte und dringend 2,7 Millionen Mark brauchte.« Er sah sein Gegenüber erbost an. »Ja, ich habe Schulden. Ich habe ein Haus gebaut. Aber da werden Sie im ganzen Land genügend Leute finden, denen es genauso geht wie mir.«

      31

      Soko-Leiter Hartmut Zeller hatte sich vorgenommen, die meisten der involvierten Personen noch einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen, darunter auch die Chefsekretärin Karin Rüger, die ihr souveränes Auftreten auch im Büro der Kripo nicht verlor. Sie nickte, als Zeller rekapitulierte, wonach sie wohl über das höfliche Auftreten der Gangster verwundert gewesen sei. »Genauso war es«, bestätigte sie und betonte: »Die Herrschaften waren ungewöhnlich freundlich. Gangster stellt man sich ganz anders vor – wie aus den Kriminalfilmen im Fernsehen halt.«

      »Aber die beiden waren bewaffnet«, gab Zeller zu bedenken.

      »Ja, diese Maschinenpistole … aber die hat der eine gleich weggelegt, als ich gesagt habe, er soll nicht dauernd damit herumfuchteln.«

      »Der andere hatte auch eine Waffe.«

      »Ja, so eine kleine schwarze. Hab ich aber nicht genau gesehen.«

      Zeller entschied, eine direkte Frage loszuwerden: »Hatten Sie während des Überfalls den Eindruck, dass es zwischen den Tätern und Herrn Seifritz einen persönlichen Bezug gab?«

      »Persönlichen Bezug? Wollen Sie damit sagen, Herr Seifritz könnte die Täter gekannt haben?«

      Zeller schwieg und sah der Frau in die Augen, was sie verunsicherte. »Ich hatte nur den Eindruck«, sagte sie schließlich, »dass sich die Täter mit Bankgeschäften ausgekannt haben.«

      »Und mit dem persönlichen Umfeld des Herrn Seifritz«, stellte Zeller fest.

      »Dazu kann ich Ihnen nichts sagen«, gab sich die Frau beharrlich.

      »Wenn Sie sich zurückerinnern – hat sich in den Monaten vor der Tat jemand bei Ihnen auffällig über Seifritz’ familiäre Verhältnisse erkundigt?«

      Karin Rügers Gesicht wurde ernst. »Bei mir? Wie soll ich dies

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