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Sohn der Betriebsleiterin, weil er die 320 Stellplätze hin und wieder kontrolliert. Beim Vergleich mit den Kennzeichen der Dauerparker hat er festgestellt, dass dieser Wagen nicht registriert ist. Weil grundsätzlich jeden Abend die Nachtparker in eine Liste eingetragen werden, kann man nachvollziehen, dass der Audi mindestens seit 11. März dort stand.«

      »Was heißt mindestens?«

      »Die Liste für die Tage zuvor ist nicht auffindbar, aber der Parkschein trägt das Datum 9. März.«

      »Ach«, machte Häberle, als habe er Zweifel an dieser Darstellung.

      26

      Mit den üblichen dürren Worten einer Pressemitteilung wollten sich Sander und Grüninger an diesem Tag nicht zufriedengeben. Nach einigen Telefonaten gelang es ihnen, die Chefin jener Gesellschaft ausfindig zu machen, die das Parkhaus Gmünd-Center betrieb. Die Leser wollten schließlich nicht nur darüber informiert werden, dass man das Auto der Bankräuber gefunden habe. Sie wollten auch noch ein bisschen über die Hintergründe erfahren. Vielleicht, so pflegte Sander oft zu argumentieren, fühlten sich diejenigen, die etwas wussten oder gesehen hatten, durch eine weitere Berichterstattung doch noch veranlasst, sich zu melden. Aber leider wollten die auf Geheimniskrämerei gebürsteten Beamten diese einfache Möglichkeit des Zeugenaufrufs nicht nutzen.

      Mit seiner eigenen Recherche brachte Sander neue Aspekte ins Spiel. Denn die Parkhauschefin erinnerte sich an einen ähnlichen Millionenraub, bei dem ziemlich genau vor vier Jahren, Mitte Juni 1978, bislang noch immer unbekannte Täter von der Kreissparkasse Schwäbisch Gmünd 1,4 Millionen D-Mark erbeutet hatten. Die damaligen Gangster hatten offenbar genau darüber Bescheid gewusst, wie die Bank größere Geldmengen transportierte. Die Räuber überfielen im Hinterhof des Gebäudes vier Geldboten und flüchteten ebenfalls ins Parkhaus Gmünd-Center, wo sie ihr Fahrzeug an derselben Ecke abgestellt hatten, in der auch jetzt der silberfarbene Audi stand. Und noch eine Merkwürdigkeit: Das damalige Fluchtfahrzeug – ein grüner VW Golf – war mit einem gefälschten Göppinger Kennzeichen versehen worden.

      Sander und Grüninger stutzten: Hatte die Soko diese Zusammenhänge gekannt und bisher nur darüber geschwiegen? Oder waren die Polizeidienststellen weitaus schlechter vernetzt, als man vermutete?

      27

      Heidi Offenbach, eine junge Bankangestellte, hatte lange mit sich gerungen, ob sie einen Anlageberater ihres Arbeitgebers zurate ziehen sollte. Aber knapp 50.000 D-Mark, dazu noch in bar, waren eine riesige Summe, und es wäre wohl viel zu riskant, diese zu Hause aufzubewahren. Da bedurfte es eines Experten, dem sie ihr Anliegen unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen konnte. Eine Zeit lang hatte sie mit dem Gedanken gespielt, dies bei einer anderen Bank zu tun. Aber falls man sie dort mit ihrem Beruf als Bankkaufmann erkennen würde, dazu vielleicht noch als Angestellte der Kreissparkasse, würde dies möglicherweise Argwohn erwecken. Also entschied sie, den älteren Kollegen Hermann Pfitzold um Vorschläge zu bitten. Während einer Mittagspause hatten sie sich in sein kleines Büro zurückgezogen. Pfitzold, ein Endvierziger, der Anzug und Krawatte trug, seine Haare kurz hielt und sorgfältig rasiert war, hörte sich interessiert an, was die 24-Jährige von ihm wollte: einen Rat für eine sichere, langfristige Geldanlage. »Vielleicht sogar für die Rente«, hatte sie gesagt und ihm erklärt, dass sie von ihrer Oma 48.000 D-Mark geerbt habe.

      »In bar?«, fragte der Anlageberater völlig sachlich.

      »Ja«, lächelte Heidi verlegen. »Sie hat wohl mal eine Lebensversicherung ausbezahlt bekommen und das Geld nie irgendwo angelegt.«

      »Sie kennen sich ja aus. Woran haben Sie nun gedacht?« Er musterte die junge Frau, die ihn mit großen Augen anstrahlte und ihm äußerst sympathisch erschien. Allerdings trennten sie vermutlich fast 30 Jahre, dachte er. Zwar war sie ihm gelegentlich schon aufgefallen, wenn sie sich innerhalb des großen Bankgebäudes über den Weg liefen, aber jetzt, in ihrer Nähe und unter vier Augen, empfand er sie als besonders hübsch und charmant. Sogar die Unsicherheit, die sie zu verbergen versuchte, war liebenswürdig.

      »Ich möchte das Geld sicher anlegen. Dauerhaft, ohne Risiko.«

      Er überlegte, weshalb sie sich nicht selbst informierte. Als Bankkaufmann verfügte sie schließlich über eine entsprechende Ausbildung. Er entschied aber, nicht danach zu fragen, sondern sich auf seinen Auftrag zu konzentrieren: »Keine Aktien, Fonds oder Ähnliches? Mit der Aussicht auf hohe Renditen?« Pfitzold lehnte sich zurück und spielte mit einem Kugelschreiber.

      »Nein, nichts davon. Ich hab eher an Gold gedacht. Deshalb komm ich zu Ihnen. Sie kennen sich da doch am besten aus.«

      »Gold?«, staunte der Anlageberater.

      »Ja. Meine Oma hat immer gesagt, wer nach der Währungsreform in den 40er-Jahren Gold gehabt habe, der sei gleich wieder reich gewesen.«

      »Sie befürchten eine neue Währungsreform?« Pfitzold legte die Stirn in Falten.

      »Man weiß ja nie …«

      »Okay. Ich brauch Ihnen nicht allzu viel zu erklären«, nickte der ältere Kollege. »Denken Sie an Münzen oder Barren?«

      »Barren sind wohl günstiger«, gab sich Heidi informiert.

      »Ja, aber nicht so schön.«

      »Ich will auch keinen großen Barren, sondern kleinere Stückelungen.«

      Pfitzold holte einige Broschüren aus der Schublade und legte sie der jungen Frau vor. »Wir können das Geschäft machen, sobald Sie das Geld herbringen«, sagte er.

      »Morgen? Wäre morgen okay?«

      »Ja, natürlich. Aber passen Sie auf, wenn Sie so einen hohen Betrag mit sich herumtragen.«

      »Mich wird schon keiner überfallen«, entgegnete sie keck.

      »Nur noch eine Frage«, hakte der Banker nach. »Wie haben Sie das Geld? Scheine oder auch viele Münzen? Sind auch noch Scheine früherer Serien dabei?«

      Heidi wusste für einen Moment mit dieser Frage nichts anzufangen. »Spielt das denn eine Rolle?«

      Pfitzold lächelte einnehmend. »Ich dachte nur, wenn Ihre Oma das Geld gehortet hat, könnten es doch noch Scheine sein, die wir bei der Bundesbank tauschen müssten.«

      »Nein, da sind keine dabei«, erwiderte sie schnell.

      28

      Das Fluchtauto der Gangster und der Fundort waren endlich ein paar handfeste Anhaltspunkte, mit denen sich Soko-Leiter Hartmut Zeller erneut an die Öffentlichkeit wenden wollte. Seine Vorgesetzten bei der Landespolizeidirektion Stuttgart 1 hatten die Staatsanwaltschaft davon überzeugen können, den Fall der Redaktion der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst anzudienen. Dort nahm man das Ansinnen mit Interesse auf und fertigte im Eiltempo mithilfe der Ermittlungsakten ein Drehbuch an, sodass ein relativ langer Filmbeitrag entstand: mit allen Details vom Eindringen der Täter in die Wohnung Seifritz’ bis zur Flucht. Knapp viereinhalb Monate nach dem Verbrechen wurde die Fernsehfahndung am 17. Juli 1982 als siebter Fall dieser XY-Folge ausgestrahlt. Kommissar August Häberle verfolgte die Sendung am heimischen Bildschirm zusammen mit seiner Frau Susanne. »Den Seifritz stellen sie aber als ziemlich biederen Schwaben dar. Das hat er nicht verdient«, kritisierte er den Schauspieler, der den Bankdirektor verkörperte. Dass dieser im Film Hans Sanders hieß, veranlasste den Kriminalisten, der sich in Göppingen auskannte, zu einer süffisanten Bemerkung: »Die nennen ihn Sanders – beinahe so, wie dieser Journalist heißt«, grinste er seiner Frau zu. »Hab dir von dem doch schon erzählt. Der steckt seine Nase in Göppingen in alles rein. Georg Sander.«

      Susanne konnte sich an einige Episoden des Journalisten erinnern, wollte sich jetzt aber nicht ablenken lassen und dem etwa 15-minütigen Film folgen. Im Anschluss gab neben Moderator Eduard Zimmermann der sichtlich nervöse Soko-Leiter Hartmut Zeller im hellbraunen Anzug mit grauer Krawatte weitere Erläuterungen zu dem Verbrechen. Häberle überlegte, ob sein Kollege den Text tatsächlich auswendig vortrug oder von einem Bildschirm ablas.

      Georg Sander,

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