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Bedingungen, Barrieren und Möglichkeiten hin kritisch analysieren, die Konsequenzen in den Blick nehmen und eine Öffentlichkeit für sie schaffen. Sie begreifen Zukunft als einen gestaltbaren Raum. Das ist die Chance und zugleich die Aufgabe dieser Zeit, in der wir leben. Ob die Lösungswege zum Ziel führen, bleibt ungewiss. Gewiss hingegen ist, dass das Aussitzen gesellschaftlicher Schieflagen, wie sie durch die Klimakrise oder die Corona-Pandemie ausgelöst werden, nur dazu führt, dass jene, die gesellschaftspolitisch ohnehin bereits am längeren Hebel sitzen, weiterhin die Gestaltung der Gesellschaft übernehmen. Denn trotz aller Unverfügbarkeit und Undurchdringbarkeit von Natur wird Geschichte letztlich nicht von Sachzwängen oder abstrakten Prinzipien aus Religion, Philosophie oder Ökonomie-Lehrbüchern geschrieben, sondern von Menschen und ihrem praktischen Tun. Weil Gesellschaften sich permanent selbst gestalten, also an ihrer Gestalt arbeiten, bedarf es der Mündigkeit, sich dem auch offen zu stellen. Das gilt auch und erst recht für Wissenschaftler*innen.

      Wenn ein demokratisches »4future« also einen deutlichen Sinn aufweisen soll, dann kann das im Grunde nur bedeuten, die akademische Überheblichkeit abzulegen, die darin besteht fremdes Leben zu verurteilen, bloß weil es aus einer bestimmten Blickrichtung einem willkürlich gesetzten Ideal, wie Effizienz, Gewinnstreben oder technischer Beherrschbarkeit, nicht entspricht. Statt solches Zusammenleben im Namen wissenschaftlicher Autorität zu bevormunden, wäre es würdevoller und auch demokratischer, sich der Welt mit einem Möglichkeitssinn zuzuwenden und einen Raum zu öffnen: Die Bildungs- und Einbildungskraft befeuern, wie wir als Gesellschaften unser Zusammenleben organisieren wollen und können, Möglichkeiten abklopfen, Sprachfähigkeit herstellen, zur Gestaltung befähigen – all das könnte es heißen, economists4future zu sein.

       DIESES BUCH IST (K)EIN ECONOMISTS4FUTURE-BUCH

      In demokratischen Gesellschaften hat Wissenschaft nicht die Aufgabe vorzuschreiben, in welcher Welt wir zukünftig auf welche Weise zu leben haben. Wissenschaft kann aber Möglichkeiten aufzeigen, begründen und rechtfertigen. Und sie kann die Bedingungen benennen und verbessern helfen, unter denen diese möglichen anderen Zukünfte zu verwirklichen sind. Das ist nun alles leichter gesagt als getan. Denn nicht nur Wirtschaft, auch Wirtschaftswissenschaften sind ein Zusammenspiel von Kulturtechniken. Und die herrschenden Wirtschaftswissenschaften sind selbst Ergebnis jenes historischen Prozesses, der die problematischen Praktiken des Wirtschaftens hervorgebracht hat, die einstweilen vom Inhalt auf die Struktur unseres Denkens gewandert sind. Insofern ist das Etablieren von economists4future keine Aufgabe für ein verlängertes Wochenende: Es braucht neben neuen Studiengängen mit neuen Curricula auch Menschen, die diese studieren wollen, sowie Menschen, die diese Curricula bespielen können. Es braucht dafür eine neue Vielfalt an akademischen Laufbahnen, die mit lebenswerten biografischen Perspektiven verbunden sein müssen, eine neue Nachwuchsförderung, die neben der Forschung auch auf die zweite und dritte Mission der Hochschulen vorbereitet – und diese auch anerkennt. Es braucht eine neue Publikationspraxis, die Vielfalt im Denken ermöglicht. Es braucht neue Kooperationen, Netzwerke und Förderprogramme –und letztlich auch eine neue Berufungspraxis, die mehr kann, als Summen zu bilden. Und damit ist über die inhaltliche Dimension noch nicht viel gesagt.

      Die gute Nachricht ist: Economists4future gibt es schon lange. Und auch wenn sie ein Nischendasein fristen oder in andere Disziplinen gedrängt wurden, gibt es viele von ihnen – zu viele, als dass sie hier sämtlich zu Wort kommen oder ihnen sämtlich das Wort geredet werden könnte. Dieses Buch ist daher im deutlichen Wortsinn eine notwendige Anmaßung: Es will die Not noch wenden und maßt sich deshalb an, ein economists4future-Buch zu sein und zugleich kein economists4future-Buch zu sein, weil es lediglich einen kleinen Einblick geben kann. Es ist eine Einladung zum offenen, aber veränderungsmutigen Streiten und Debattieren über eine Wissenschaft, die wie vermutlich keine andere aufgefordert ist, inhaltliche und institutionelle Konsequenzen zu ziehen aus der klimapolitischen Gemengelage der Gegenwart.

      Das ist ein gesellschaftlicher Auftrag, der nicht als Auftragsforschung missverstanden werden soll. Economists4future im Sinne dieses Buches geht es nicht darum, die Wissenschaftsfreiheit der Wirtschaftswissenschaften zu beschneiden. Es geht auch nicht darum, zu sagen, was nun wie, von wem, warum und wo getan werden muss. Es geht nicht darum, festzuschreiben, was economists4future zu sein, wie sie sich zu einzelnen Phänomenen zu stellen haben und welche Phänomene das im Einzelnen sind. Es geht um die Kultivierung von Verhältnissen, in denen Wissenschaftsfreiheit überhaupt erst wieder in einem seriösen Sinne möglich wird. Denn wer sich heute in den etablierten Wirtschaftswissenschaften querstellt, sich nicht in den natur- und gesellschaftsvergessenen Kanon fügt, wird oftmals kleingehalten oder gar ausgeschlossen. Freiheit in der Forschung, in der Lehre und im gesellschaftlichen Dialog bedeutet jedoch, dass das auch anders möglich sein muss. Statt um Verzwecklichung von Wissenschaft geht es hier also um ihre Versinnlichung. Die Beitragenden dieses Buches wollen niemandem etwas aufdrängen. Sie möchten stattdessen jene, die Teil der Lösung statt des Problems sein wollen, inspirieren, ermuntern und befähigen, Umstände zu schaffen, in denen mögliche andere Zukünfte von Wirtschaft und Gesellschaft auf ihre Bedingungen hin analysiert werden können.

      Das Buch handelt von dieser Neuerfindung der Wirtschaftswissenschaften. Es informiert über die neuen Selbstverständlichkeiten an Hochschulen, die neuen Gewohnheiten im Denken und Handeln sowie jene akademischen Gepflogenheiten, die zu fördern sind, damit economists4future mehr als bislang Fuß fassen und sich dementsprechend zu Wort melden können. Die hier versammelten Autorinnen und Autoren möchten aus unterschiedlichen Blickrichtungen zur Sprache bringen, dass economists4future zwar weder vom Himmel fallen noch an Bäumen wachsen werden, sie aber auch kein Ding der Unmöglichkeit sind. Sie machen Mut. Sie zeigen, welche institutionellen Umgebungen wichtig werden, damit sich Wirtschaftswissenschaftler*innen in der nötigen Tiefe und Sorgfalt mit Fragen zukunftsfähiger Wirtschaft befassen können. Natürlich sind solche Maßstäbe selbst kontingent und verlangen nach Rechtfertigung. Dieses Buch will das leisten. Es entfaltet, ergänzt und substantiiert die von Uwe Schneidewind, Reinhard Pfriem und Kolleg*innen markierten fünf Dimensionen transformativer Wirtschaftswissenschaften:

      1.Economists4future reflektieren ihre praktische Wirkungsmacht. #reflexivität

      2.Economists4future legen ihre Annahmen offen. #transparenz

      3.Economists4future verständigen unterschiedliche Perspektiven. #diversität

      4.Economists4future beziehen Betroffene ein. #partizipation

      5.Economists4future ermöglichen eine bessere Gesellschaft. #befähigung

      Sollte es zutreffen, dass economists4future vom Anliegen getrieben sind, sich den realen Bedingungen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Selbstgestaltung zuzuwenden, dann dürfen diese Dimensionen nicht zum Zweck oder gar Sinn von Wissenschaft erklärt werden. Sich auf Werte zu beziehen, nur um sich auf Werte bezogen zu haben, ist ähnlich unbefriedigend wie eine Vielfalt an Theorien zu postulieren, die am Ende Toleranz mit Unmündigkeit verwechselt. Aus dieser Blickrichtung erfordern die angeführten fünf Dimensionen eine inhaltliche Bestimmung, worum es konkret geht, kurz: welche Reflexivität, welche Transparenz, welche Diversität, welche Partizipation und welche Befähigung nun in Anschlag gebracht werden sollen. Das Buch leuchtet die Dimensionen daher in kritischer Absicht jeweils dreifach aus, nämlich im Hinblick auf die drei zentralen Handlungsfelder von Hochschulen:

image Lehre
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