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Das Leben selbst ist ein ausgiebiger Akt der Verschwendung. Weil kulturelle Gepflogenheiten sich nicht rational auflösen lassen, muss jeder Versuch, welcher Zukunft mathematisch aus der Vergangenheit modellieren will, früher oder später übergriffig, am Ende gewaltvoll und gar totalitär werden. Diese Gewalt richtet sich gegen die Welt, und alles in ihr. Mit den Worten Michael Hampes:

       »Ein Naturalismus, der die Suche nach dem guten Leben aufgibt, weil er die vermeintlich abtrennbaren normativen Untersuchungen fallengelassen hat, der das Leben nur noch erklären und technisch beherrschen will, statt über es zu debattieren, muss deshalb, kurz gesagt, zur Gewalt tendieren.«

      Economists4future können also nicht einfach in gewohnter Manier statistische Trends aus der Vergangenheit auf die Zukunft anwenden, sondern müssen sich selbst aktiver als bislang inmitten gesellschaftlicher Debatten als Zukunftskünstler*innen begreifen. Sie forschen und lehren nicht nur quasiaußerirdisch über gesellschaftliche Produktionsverhältnisse, sondern sind Teil davon, befinden sich inmitten der Verhältnisse. Economists4future beziehen daher Betroffene ein: #partizipation. Sie integrieren und verständigen unterschiedliche praktische Parteilichkeiten und ermöglichen auf diesem Wege eine reflektierte, selbstbestimmte Praxis. Statt etwa die industrielle Fremdversorgung mit monokulturellem Ackerbau aus Effizienz- und Intensitätsgründen als unumgänglich zu betrachten und die daraus abgeleitete Ernährungskultur den Menschen regelrecht überzustülpen, wäre es demokratischer und freiheitlicher, eine Analyse der praktischen Vielfalt ernährungskultureller Orientierungen vorzunehmen und ausgehend davon nach Möglichkeiten der ernährungswirtschaftlichen Versorgung zu fragen.

      In diesem Sinne kommen economists4future zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen, denn »Zukunft« ist keine feststehende, sondern eine prinzipiell offene Angelegenheit. Nur weil sich nicht eindeutig und abschließend bestimmen lässt, wie Gesellschaften sich »richtig« mit Gütern und Dienstleistungen versorgen, bedeutet das jedoch nicht, dass Wissenschaft zum belanglosen Meinungsaustausch verkommt. Weder das Artensterben noch das Vorkommen anders wirtschaftender Initiativen – beispielsweise im Feld der Solidarischen Landwirtschaft oder des stiftungsbasierten Kreditwesens – sind Meinungsfragen. Diese Offenheit ist keine Beliebigkeit, sondern zeugt von belastbaren, begründeten und gerechtfertigten Entwicklungsmöglichkeiten. Economists4future legen daher ihre Annahmen offen: #transparenz. Sie sind bestrebt, nachvollziehbar zu machen, warum sie zu welchem Schluss gekommen sind und wie. Dabei hilft es nicht, einen Kampf der Großbegriffe zu inszenieren, der in der Regel nur dazu führt, dass sich überhaupt nichts ändert: »Kapitalismus versus Sozialismus« oder »Marktwirtschaft versus Planwirtschaft« – Schwarz-Weiß-Malerei dieser Art lähmt das Denken. Statt entlang der (historischen) Tatsachen zu argumentieren und in der Sache zu streiten, führt sie dazu, dass wolkige Chiffren im luftleeren Raum gegeneinander ausgespielt werden. Das mag als Spektakel taugen, aber nicht als Vehikel zu realer Veränderung.

      Wo immer Möglichkeiten vernichtet oder verstellt sind, weil ein Sachzwang oder ein Großbegriff konstruiert und in den Vordergrund geschoben wird – in wessen Namen auch immer! –, vertrocknen Demokratien. Denn demokratische Gesellschaften blühen nur durch eine Vielzahl an Möglichkeiten und durch das Ringen, der Debatten darum. Economists4future verständigen daher unterschiedliche Perspektiven: #diversität. Sie verständigen verschiedene Zugänge, Ansätze und Gegenstände, um ein möglichst nuanciertes Spektrum an Möglichkeiten aufzutun, weil sie wissen, dass alles Denken an Standpunkte gebunden ist, von denen aus gedacht wird. Aus der theoretischen wie praktischen Sackgasse der Sachzwänge heraus führen die Fragen nach dem »Wofür?« und dem »Worauf hin?«, kurz: die Frage nach dem Sinn. Denn wer von »Nutzen« spricht, darf über den Nutzen des Nutzens nicht schweigen. Andernfalls, darauf hat Hannah Arendt wiederholt hingewiesen, entsteht Sinnlosigkeit. Die Rhetorik von ökonomischen Gesetzen und Sachzwängen ist daher der Steigbügelhalter jener Entsinnlichung, die Wirtschaft wie Wirtschaftswissenschaften heute fest im Griff hält.

      Doch Wirtschaft ist kein abgetrenntes Reich der Soziophysik, in dem nur zählt, was zählbar ist, und das isoliert vom restlichen gesellschaftlichen Zusammenleben stattfindet. Wirtschaft ist, wie Reinhard Pfriem ausführt, immer schon ein Zusammenspiel kultureller Praktiken gewesen, das sich prinzipiell nicht vom Zähneputzen, Lesen oder Pizzabacken unterscheidet. Wirtschaft ist zugleich Produkt wie Produktion von Gesellschaft und kein Ding-an-sich, das immer schon so (und nicht anders) da war und immer so (und nicht anders) da sein wird. Wer über eine gewisse Kulturtechnik als »Wirtschaft« spricht, sagt nichts über das tiefere Wesen dieser Praktik aus, sondern nur darüber, so Cornelius Castoriadis, wie sie gegenwärtig gesellschaftlich reflektiert und behandelt wird. Es handelt sich um eine Frage der gesellschaftlichen Selbstthematisierung. Mit anderen Worten: Es gibt zahllose weitere Kulturtechniken der Produktion, Herstellung, Versorgung oder Beratung, die nur gegenwärtig nicht als das in den Blick geraten, was wir Wirtschaft nennen, es aber zukünftig vielleicht könnten oder sollten, etwa solidarisches Wirtschaften oder Gemeinsinnorientierung. Die Frage, welche Wirtschaftsformen sich inwiefern und wo durchsetzen, ist offen. Die Antwort hängt davon ab, welche gesellschaftlichen Kräfte sich verbünden, um einen gemeinsamen Entwurf einer anderen Wirtschaft auf den Weg zu bringen.

      Die theoretische wie praktische Herausforderung für das 21. Jahrhundert liegt darin, zu einer Vorstellung von Wirtschaft zu gelangen, die sich nicht länger in der unbestimmten Produktion von Gütern und Dienstleistungen erschöpft, die im Zweifel dem alten nur neuen Schrott hinzufügt. Stattdessen geht es darum, individuelle wie kollektive Verwirklichungschancen und Möglichkeiten einer besseren Gesellschaft zu schaffen. Es geht um die Öffnung statt Schließung von Räumen für Entfaltung, Leben und Lebendiges. In demokratischen Gesellschaften ist solche Wirtschaft – und auch das Denken über sie – in sich plural verfasst und beginnt mit der Einsicht, dass die Natur nicht nur ein zweckmäßiges Dasein für die Menschen fristet, sondern auch für sich selbst existiert.

       EINE ANDERE GESELLSCHAFT IST MÖGLICH

      Es ist also kein Zufall, dass die etablierten Wirtschaftswissenschaften in Bezug auf die Forderungen von Fridays for Future schweigen oder gar mit Spott reagieren. Doch das muss nicht so bleiben. Denn das Gegenteil trifft zu: Mehr denn je sind nun die Wirtschaftswissenschaften aufgefordert, sich selbst neu zu erfinden. Weil sie es sind, die die Vorstellungskraft befeuern können, welche anderen Zukünfte gesellschaftlicher (Re-) Produktion unter welchen Bedingungen möglich sind. Das Augenmerkt bleibt auf der »Suche«: Zukunft bleibt stets »im Kommen« und »4future« zu sein sagt noch nicht aus, um welche konkrete Zukunft es sich für wen handelt. Fragen von Zukunftsgestaltung münden – bei aller Eindeutigkeit, in der naturwissenschaftliche Feststellungen medial vorgetragen werden – eben nicht in Tatsachen. Befunde wie das Artensterben sind reale Bedingungen, die es anzuerkennen gilt. Aber von dort aus kann es so oder anders weitergehen. Denn infrage steht nicht allein eine sichere Versorgung mit Mobilität, Nahrung, Wohnraum, Energie und so weiter. Es geht jeweils auch um einen souveränen Umgang damit. Sicherheit und Souveränität als Zusammenspiel zeigen an, dass nicht allein das Überleben, sondern mit ihm auch das bessere Leben zur Diskussion steht. Ein Ergebnis lässt sich weder abstrakt und allgemein fassen noch formal bestimmen. Es ist so vielfältig und widersprüchlich wie die Menschen, die darüber debattieren.

      In diesem Zuge kommt demokratische Politik ins Spiel, die eine Verständigung dieser Vielfalt der Verschiedenen organisieren muss. Doch darf sie dort nicht stehenbleiben. Sie muss einen »realen Einfluß auf die Wünsche und Phantasien der Menschen« nehmen, wie Chantal Mouffe es fasst. Das ist fast zynisch, weil die Krisen der Gegenwart, die ganze Existenzen bedrohen, somit zu Weckrufen und Veranlassungen werden für eine neue, im deutlichen Sinne des Wortes demokratischere Gesellschaft. Dennoch: Auf dem Weg dorthin sollten neue Denkformen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften in diese demokratische Gestaltung eingebracht werden. Economists4future ermöglichen daher eine bessere Gesellschaft: #befähigung. Sie reflektieren

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