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verletzt wurden, kam niemand zu Schaden. Haydn dankte der Vorsehung, dass ein gütiges Geschick so viele Menschenleben gerettet hat. Die Symphonie wurde fortan unter dem Beinamen »Mirakel« aufgeführt.

      Seine letzten Lebensjahre verbrachte Haydn in der heutigen Haydngasse 6 in Wien-Gumpendorf. Als Napoleon – dessen Truppen die Hauptstadt des Kaiserreichs gerade besetzt hielten – erfuhr, dass Haydn im Sterben lag, ließ er vor dessen Haustor eine Ehrenwache aufstellen und die Straße mit Stroh bestreuen, damit der Meister nicht durch das Rumpeln der Wagenräder gestört würde. Er starb am 31. Mai 1809 in seinem 78. Lebensjahr.

      Nur wenige Tage nach der Beerdigung am Hundsturmer Friedhof wurde sein Schädel aus dem Grab gestohlen – wie sich später herausstellte von Fanatikern, die anhand der Kopfform Rückschlüsse auf das Genie ziehen wollten. Der Schädel tauchte erst 1954 wieder auf und wurde dann in die Bergkirche Eisenstadt überstellt, wo der Körper bereits 1820 beigesetzt worden war.

      Im Biedermeier entwickelte sich der Musikgenuss vom Privileg des Adels hin zum allgemeinen Bildungsgut. Die Hausmusik eroberte die Salons des Bürgertums und erlebte ihre Blüte. Philharmoniker, Musikverein, Salzburger Mozarteum und Wiener Männergesang-Verein wurden gegründet, und an den Vorstadtbühnen in der Leopoldstadt, der Josefstadt und im Theater an der Wien erlangte das Singspiel weite Verbreitung.

      Franz Schubert kam 1797 als Sohn eines Lehrers am Wiener Alsergrund zur Welt und wuchs in beengten Verhältnissen auf. Mit elf Jahren wurde er von den Sängerknaben aufgenommen, nachdem er die musikalische Grundausbildung bereits von seinem Vater erfahren hatte. Da es von Schubert nur wenige Lebenszeugnisse gibt, bleibt ein Großteil der überlieferten Lebensumstände Spekulation. Auch viele Geschichten um seine angeblich unerfüllten Liebschaften sind erfunden. Nur zwei Beziehungen sind gesichert: Seine Jugendliebe Therese Grob wartete drei Jahre auf ihn, ehe sie einen anderen heiratete. Diese Affäre widerlegt also den »Dreimäderlhaus«-Romanstoff ganz klar, demzufolge ihn »keine wollte«. Nachweisbar ist nur, dass Schubert seine Schülerin Comtesse Carolin Esterházy verehrte, diese seine Liebe jedoch nicht erwiderte. Dass er deswegen gleich zum unglücklichen Liebhaber auf Lebenszeit gestempelt wurde, ist das Produkt einer unbarmherzigen Kitsch-Industrie.

      Seine Bescheidenheit geht aus einem Brief hervor, in dem er sich seiner Kindheit erinnerte: »Zuweilen glaubte ich wohl selbst im Stillen, es könne etwas aus mir werden – aber wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen.«

      Schubert gab seine Stellung als Hilfslehrer bald auf, weil ihm diese Tätigkeit keine Zeit zum Komponieren ließ, es fanden sich auch kaum Verleger, die seine Noten druckten, und nur drei seiner Bühnenstücke wurden zu seinen Lebzeiten aufgeführt. Aber gerade dem tragischen Umstand, dass er keine feste Anstellung fand, ist die Fülle seines Werks zu danken, denn nur dadurch konnte sich Schubert Tag und Nacht seinen Kompositionen widmen. Obwohl Beethoven fast doppelt so alt wurde wie er, ist Schuberts Oeuvre noch umfangreicher. In den wenigen Jahren, die ihm zur schöpferischen Arbeit blieben, schuf er mehr als tausend Lieder, Klavierstücke, Ouvertüren, Kammermusiken, Messen, Chöre, Tänze, Bühnenstücke sowie acht Symphonien. »In einem halbdunklen, feuchten und ungeheizten Kämmerlein, in einen alten, fadenscheinigen Schlafrock gehüllt, frierend und komponierend«, so behielt ihn ein Freund in Erinnerung. »Die Schwierigkeiten seiner Lage lähmten seinen Fleiß und seine Lust durchaus nicht«, schreibt ein anderer, »er musste singen und dichten, das war sein Leben.«

      Allen Widrigkeiten zum Trotz brachte es Schubert zu einem gewissen Bekanntheitsgrad im biedermeierlichen Wien. Er gab Konzerte in privaten Salons und hatte einen prominenten Freundeskreis, zu dem Grillparzer und Moritz von Schwind zählten.

      Im Gegensatz zu Mozart war Schubert tatsächlich arm, der »Liederfürst« konnte oft nicht für die Miete seines Zimmers aufkommen und schlief dann bei Freunden oder Verwandten. Auch die letzten Wochen seines Lebens verbrachte er bei seinem älteren Bruder Ferdinand. »Ich werde wohl im Alter an die Türen schleichen und um Brot betteln müssen«, lautete ein Verzweiflungsschrei Schuberts.

      Doch es gab kein Alter, das Musikgenie starb in den besten Mannesjahren, mit 31 Jahren. Nicht an Syphilis, wie oft behauptet wird, sondern an »schwerem Nervenfieber«. Vermutlich war er an Bauchtyphus erkrankt, einem in diesen Tagen infolge der schlechten Trinkwasserqualität weit verbreiteten Übel.

      Vor der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert erfuhr das österreichische Musikleben einen neuen Höhepunkt: in der Oper durch Richard Strauss und Hugo Wolf, in der Symphonik durch Brahms, Bruckner und Mahler. 1860 in Böhmen als Sohn eines Weinbrenners und Gasthausbesitzers zur Welt gekommen und in Mähren aufgewachsen, schrieb Gustav Mahler mit sechs Jahren erste Kompositionen, die von der Militärmusik und von der jüdischen Musik der Synagoge geprägt waren. Mit fünfzehn ging er zum Musikstudium nach Wien, wo Anton Bruckner sein Lehrer war. Mahler durchlief eine Karriere als Kapellmeister an verschiedenen Opernhäusern und zählte bald zu den anerkannten Dirigenten Europas. In Budapest besuchte Brahms eine von ihm dirigierte »Don Giovanni«-Aufführung und war tief beeindruckt.

      1897 zum Direktor der Wiener Hofoper bestellt, führte er das Opernhaus in nie da gewesene Höhen. In den zehn Jahren, die er das Haus leitete, wurde Mahler zum großen Reformer. Er führte die intensive Probenarbeit ein, in der die Leistungen der Musiker gesteigert und die bis dahin üblichen pathetischen Gesten der Sänger zurückgedrängt wurden. Mahler schuf die Ära der neuzeitlichen Operninszenierungen, in denen Bühnenbild und Kostüme zentrale Rollen spielten, er scharte das weltbeste Opernensemble um sich, zu dem Erik Schmedes und Leo Slezak zählten, aber auch die Sängerinnen Selma Kurz und Anna von Mildenburg – mit denen er, noch ehe er ihr Direktor war, Affären hatte.

      Kaiser Franz Joseph ließ den Direktoren der Hoftheater freie Hand, weder er selbst noch seine Minister oder Beamten sollten auf die Führung der Wiener Bühnen Einfluss nehmen. Umso heftiger die Reaktion Mahlers, als Erzherzog Peter Ferdinand – ein entfernter Verwandter des Kaisers aus der toskanischen Linie des Hauses Habsburg – bei ihm vorsprach, um eine eigene Komposition zur Aufführung zu bringen. Der Erzherzog betonte, es sei »der ausdrückliche Wunsch des Kaisers«, dass sein Werk an der Wiener Hofoper gespielt würde.

      Mahler selbst hinterließ uns, wie er daraufhin reagierte: »Ich habe zu dem Erzherzog gesagt: ›Es tut mir leid, Kaiserliche Hoheit, aber ich kann nicht Wünsche, sondern nur Befehle Seiner Majestät erfüllen. Wenn mir der Kaiser befiehlt, Ihre Oper aufzuführen, werde ich es tun. Nur werde ich dann ins Programmheft drucken lassen: ‚Auf Befehl Seiner Majestät, Kaiser Franz Josephs, Erstaufführung der Oper Soundso von Erzherzog Peter Ferdinand.‘‹«

      Die Oper blieb unaufgeführt.

      Mahler machte sich durch seine offene Art viele Gegner, aber die übelsten Anfeindungen waren antisemitisch geprägt. Er litt so sehr darunter, dass er zum katholischen Glauben konvertierte, was natürlich wenig half. Die von mehreren Zeitungen unterstützte Kampagne gegen ihn gipfelte darin, dass ihm die Uraufführung von Richard Strauss’ »Salome« untersagt wurde. Damit hatten seine Vorgesetzten bei Hof übers Ziel hinaus geschossen, und er trat als Operndirektor zurück. »Ich gehe«, schrieb er 1907 an einen Freund, »weil ich das Gesindel nicht mehr aushalten kann.«

      Felix Salten urteilte nach Mahlers Abgang: »Im Anfang hat ihn nur seine frenetische Unbeliebtheit populär gemacht, es war täglich zu hören, dass er seine Musikanten misshandelt, sie zu unmenschlicher Arbeit peitscht, schier zu Tode hetzt, und dass ihn alle, wären sie’s nur imstande, am liebsten in einem Löffel Wasser ertränken möchten. Die Intensität seines Wesens schien die ganze Stadt zu füllen. Leute stritten hitzig über ihn, die niemals sonst in der Oper waren. Jetzt liefen sie herzu, um ihn zu sehen. Wieder andere Leute, die bisher kaum gewusst hatten, was ein Theaterdirektor ist und soll, fragten nach dem bösen Mahler.«

      Noch als Operndirektor hatte Mahler im Salon der Bertha Zuckerkandl die um fast zwanzig Jahre jüngere Alma Schindler kennen gelernt und sich Hals über Kopf in sie verliebt. Die Tochter des Malers Emil Jakob Schindler und Stieftochter des Malers Carl Moll war in einem künstlerischen Umfeld aufgewachsen, in dem sie früh Gustav Klimt und Alexander von Zemlinsky kennen lernte (mit denen sie ebenfalls Verhältnisse hatte). Als Alma und Gustav Mahler im März 1902 heirateten, stellte er klar, dass sie nicht weiterkomponieren dürfte, um sich auf ihre Aufgaben als Ehefrau konzentrieren zu können, was

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