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voll und ganz der Musik hingab. Als er dort den Besuch seines Komponisten- und Dirigentenkollegen Bruno Walter erhielt, fiel Mahler auf, dass dieser sich jeden Berg, jeden Baum und jeden Strauch der Landschaft ganz genau ansah. Mahler nahm Walter an der Hand und sagte: »Sie brauchen sich hier gar nicht mehr umzusehen. Hier herum hab ich schon alles wegkomponiert!«

      Auch den Sommer des Jahres 1910 verbrachten Alma und Gustav Mahler am Attersee. Während dieses Urlaubs hatte Alma eine stürmische Liebesbeziehung mit dem Architekten Walter Gropius, der sich im steirischen Tobelbad zur Kur aufhielt. Als der fünfzigjährige Mahler von der Affäre seiner Frau erfuhr, war die Erschütterung so groß, dass er Sigmund Freud konsultierte.

      Mahler wurde nach seinem Abgang aus Wien Leiter der New Yorker Philharmoniker und Dirigent an der Metropolitan Opera, wo er mit Enrico Caruso und wieder mit Leo Slezak arbeitete.

      Alma heiratete, nachdem Mahler 1911 verstorben war, ihren Geliebten Walter Gropius und später den Dichter Franz Werfel. Dennoch ließ sie sich bis an ihr Lebensende als »Witwe Gustav Mahlers« feiern. Sie wurde zur Femme fatale, zum Inbegriff der Muse großer Künstler. Als Gerhart Hauptmann und seine Frau einen Abend mit ihr verbrachten, griff er zu später Stunde nach ihrer Hand und seufzte: »Alma, wenigstens im Jenseits müssen wir ein Paar werden. Dafür melde ich mich jetzt schon an.«

      »Aber Gerhart«, unterbrach Frau Hauptmann, »ich bin überzeugt, dass Frau Alma auch im Himmel schon gebucht ist.« Sie starb 1964 in New York.

      Mit seinen Symphonien, seinen Orchester- und Klavierliedern steht Mahler an der Schwelle zur Neuen Musik, die den Weg zu Alban Berg, Anton von Webern und Arnold Schönberg ebnete.

      Für den 1874 in Wien geborenen »Vater der Zwölftonmusik« war es nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, dass die Musiker im Orchestergraben seinem Werk skeptisch gegenüberstanden. Als Schönberg bei einer Probe wieder einmal erkennen musste, dass die Mitglieder eines Symphonieorchesters sehr zurückhaltend spielten, erklärte er: »Meine Herren, in fünfzig Jahren wird man meine Musik überall aufführen und verstehen, und die Gassenjungen werden sie pfeifen.«

      Da zischelte der erste Geiger seinem Sitznachbarn zu: »Und warum müssen wir sie dann heute schon spielen?«

      Die Jahrhundertwende war auch die Zeit der gehobenen Wiener Unterhaltungsmusik – gekrönt durch die »Walzerdynastie« Strauß, durch Lanner, Millöcker, Heuberger, Ziehrer und Franz von Suppè, dem im dalmatinischen Split geborenen »Erfinder« der leichten Muse. Er hatte die ursprünglich aus Frankreich kommende und von Offenbach erdachte Operette mit Elementen des Altwiener Singspiels verschmolzen und damit den speziellen Typus der Tanzoperette geschaffen. Form und Inhalt der Wiener Operette waren ganz anders als das Pariser Vorbild, ja geradezu ins Gegenteil verkehrt. Sollte sie an der Seine verspotten und kritisieren, so diente die Operette an der Donau – durchaus im Einklang mit der österreichischen Lebensart – von Anfang an der Verherrlichung des Kaiserhauses und der Erhaltung bestehender Gesellschaftsformen.

      Johann Strauß Vater, der Gründer der Familie, die den Dreivierteltakt populär machte, war 1804 in Wien als Sohn des Gastwirts der Schenke »Zum guten Hirten« am Donaukanal zur Welt gekommen. Schon in der väterlichen Schankkapelle stellte er sein überragendes Talent unter Beweis, wurde aber von den Eltern gezwungen, bei einem Buchbinder in die Lehre zu gehen. Als er 15 Jahre alt war, lernte er den etwas älteren Joseph Lanner kennen, der ein Dreimannorchester leitete und ihn als Bratschisten engagierte. Bald gingen die beiden jedoch getrennter Wege, Strauß gründete eine eigene Kapelle, wurde zum erbitterten Konkurrenten Lanners und stellte im Alter von 22 Jahren seine erste Komposition, den »Täuberlwalzer«, vor. Während bis dahin in Adelskreisen immer noch fast ausschließlich das gespreizte Menuett getanzt wurde, machte Strauß den Dreivierteltakt hoffähig und den Walzer zum beliebtesten Gesellschaftstanz.

      Als Dreißigjähriger zum Hofballmusikdirektor ernannt, verließ er im selben Jahr seine Frau Maria Anna Streim und die drei Söhne. Der älteste, Johann, war zehn, Josef acht und Eduard gerade erst zur Welt gekommen. Johann Strauß Vater lebte fortan mit der Modistin Emilie Trampusch und kümmerte sich herzlich wenig um seine Familie. Nur einen Wunsch wollte er »den Buben« mit auf den Weg geben: »Alles könnt’s werden, nur eins nicht – Musikanten!« Zu viele gescheiterte Existenzen hatte er im Laufe seines Berufslebens gesehen, Künstler gehörten damals – mit Ausnahme der wenigen, die berühmt waren – immer noch den untersten sozialen Schichten an.

      Der väterliche Protest half nichts, die Musik lag den Söhnen im Blut, sie mussten Musiker werden.

      War Joseph Lanner anfangs der Konkurrent von Strauß Vater, so wuchs bald in seinem eigenen Sohn Johann ein Genie heran, das die Popularität des »alten Strauß« in den Schatten stellte. Der »Walzerkönig«, wurde zum beliebtesten Österreicher ex aequo mit dem Kaiser, weshalb man auch davon sprach, dass Österreich »von zwei Kaisern regiert« würde. Als Strauß 1862 die um sieben Jahre ältere Sängerin Henriette Treffz heiratete, ließ er sich einen mächtigen Vollbart wachsen, der den Altersunterschied ausgleichen sollte. Strauß Sohn machte seinem Namen alle Ehre und blieb auch in der Ehe der Sohn, »Jetty« nannte ihn sogar »mein Bub«.

      Nach einiger Zeit des Wildwuchses wurde »Schanis« Bart zu einem Kaiserbart gestutzt, der dem des Monarchen verdächtig ähnelte. Das aber war Franz Joseph gar nicht recht. Im Sommer 1862 meldete die »Morgenpost«, dass »Allerhöchst Seine Majestät seinen Backenbart abrasiert hat und nur mehr einen Schnurrbart trägt. Wie man erfährt, fiel des Kaisers Bart aus galanter Zärtlichkeit für die Kaiserin. Ihre Majestät ließ nämlich die Bemerkung fallen, dass der Kaiser früher, bevor er den Backenbart getragen, jugendlicher und munterer ausgesehen habe.«

      Kaiser und (Walzer-)König hatten der Liebe wegen konträr gehandelt: »Franzl«, weil er seiner Frau zu alt, »Schani«, weil er der seinen zu jung erschien. Nun wurde in allen Teilen der Monarchie heftig gestritten, ob die beiden mit oder ohne Bart fescher wären. Johann Strauß blieb zeitlebens Bartträger, und auch Franz Joseph ließ den seinen bald wieder sprießen. Das also war der Grund für den berühmten »Streit um des Kaisers Bart«.

      Wie Johann Strauß die Noten förmlich zuflogen, entnimmt man der Aussage eines Komitee-Mitglieds des Wiener Technikerballs. Dieses trat kurz vor der Eröffnung in einem Restaurant an den »Walzerkönig« heran, um ihn zu fragen, wie weit die Komposition eines vor Wochen in Auftrag gegebenen Musikstückes gediehen sei. »Ach Gott, ich hab noch keine Note«, gestand Strauß, nahm die Speisekarte zur Hand und ließ innerhalb von dreißig Minuten den heute noch populären »Accelerationen-Walzer« entstehen.

      Strauß erfreute sich in der Damenwelt derartiger Beliebtheit, dass sein Lebenswandel in einem Akt der k. k. Polizeidirektion als »unsittlich und leichtsinnig« bezeichnet wird. Der »Strauß-Schani« war nach »Jettys« plötzlichem Tod im April 1878 noch zweimal verheiratet, etliche Male verlobt und im Wien des 19. Jahrhunderts Mittelpunkt gesellschaftlicher Skandale – etwa, als seine zweite Frau Lily mit dem Direktor des Theaters an der Wien »durchging«. Oder als er in seiner dritten Ehe der Bigamie bezichtigt wurde, worauf er zum protestantischen Glauben überwechselte und die österreichische Staatsbürgerschaft aufgab, um den Rechtsfolgen seiner (gesetzlich gültig gebliebenen) zweiten Ehe zu entgehen.

      Hätte Josef Strauß in einer anderen Generation gelebt, wäre er unter Garantie der bedeutendste Unterhaltungsmusiker gewesen. Aber da war eben der ältere Johann, neben dem keiner bestehen konnte, auch wenn Josef große Melodien wie den »Dorfschwalbenwalzer« oder »Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust« komponiert hatte. Der Absolvent der Technischen Hochschule Wien war auch als Mathematiker überaus begabt und hatte eine Straßenkehrmaschine erfunden.

      Aber in jedem Strauß steckte Musik. Und daher übernahm Josef, wann immer sein älterer Bruder verhindert war, die Leitung der Strauß-Kapelle. Der eitle aber doch als bescheiden geltende Johann soll über seinen Bruder Josef gesagt haben: »Ich bin populärer, er ist begabter.«

      Eduard, der Jüngste, hatte es zweifellos am schwersten. Obwohl er eine Diplomatenschule absolviert hatte, war er von der Musik ebenso besessen wie seine Brüder und begann in Johanns Kapelle Violine und Harfe zu spielen, bis auch er sein eigenes Orchester gründete, mit dem er in aller Welt Gastspiele gab. Doch sämtliche Erfolge konnten nicht über die Verbitterung hinwegtäuschen,

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