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ein am Theater in der Josefstadt engagierter Schauspieler, wohnte. Und er bat ihn nun, sich »den Buben einmal anzuschauen«. Attila Hörbigers erste Begegnung mit einem Theaterprofi fand an einem heißen Sommertag des Jahres 1919 im Schafbergbad statt, in das Sekler ihn hatte kommen lassen. Eduard Sekler erinnerte sich viele Jahre später an einen braungebrannten jungen Mann, der dem Bassin entstieg und sich ihm mit triefend nassem Haar gegenüberstellte. Hörbiger gab an, dass er den ganzen Aufwand, sprechen zu lernen, für unnötig hielt, da er »eh reden« konnte, ließ sich aber schließlich dazu überreden, mit Sekler das Gedicht Der Kunstreiter einzustudieren.

      Mit diesem sprach er einem Agenten vor, der ihm prompt ein Engagement als »Edelkomparse« in Czernowitz verschaffte. Wie bei seinem großen Bruder, sollte in den Anfängen auch bei Attila die Liebe eine bestimmende Rolle spielen. Denn das Verlockende an Czernowitz war eine attraktive Soubrette namens Bertha Weingartshofer. Da er durch Paul erfahren hatte, dass es schick war, sich einen Künstlernamen zuzulegen, entschied er sich, wohl um auch seine Verbundenheit mit der Soubrette Weingartshofer zu demonstrieren, für Felix Weingart.

      Der Traum vom schnellen Geld und einer Karriere in der ehemals kaiserlich-königlichen, jetzt zu Rumänien gehörenden Stadt in der Bukowina sollte nicht in Erfüllung gehen. »Eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung, der Saal war bereits zur Hälfte voll, und wir waren geschminkt und kostümiert«, erzählte Attila Hörbiger, »erschien der rumänische Stadtkommandant mit zwei Polizisten. Er salutierte und sagte zu unserem Direktor Paul Gutmann: ›Bitte um Ihre amtliche Spielerlaubnis. Sie haben doch eine Konzession?‹ «

      Der Direktor hatte keine, worauf die Truppe Czernowitz innerhalb einer Stunde verlassen musste.

      Der Wiener Theaterverein erbarmte sich der nun beschäftigungslosen Schauspieler und vermittelte sie an verschiedene österreichische Bühnen, wobei man Attila samt seiner Bertha ans Stadttheater von Wiener Neustadt schickte. »Der dortige Prinzipal«, erinnerte sich Hörbiger, »hatte wohl übersehen, dass ich in Czernowitz lediglich als besserer Statist mit einer Elevengage engagiert war. Aber vielleicht hatte ihm auch meine Garderobe imponiert – die Schauspieler mussten damals ihre Bühnenkleidung selbst mitbringen und ich hatte aus besseren Tagen noch Frack, Smoking, einen Anzug und schwarze Schuhe. Jedenfalls gab er mir ein Engagement als Liebhaber.«

      Attila Hörbigers Debüt fand am 9. Oktober 1919 in der Operette Der fidele Geiger von Edmund Eysler statt. In der kleinen Rolle eines Musikers sah man laut Theaterzettel: Felix Weingart.

      Die erste Premiere eines großen Künstlerlebens. »An Schlaf war nicht zu denken. Ich feierte bis früh um fünf, dann wanderte ich durch die leeren Gassen zum Redaktionsgebäude der Wiener Neustädter Nachrichten und ließ mir vom Nachtredakteur die noch druckfrischen Bogen der Morgenausgabe geben. Fiebernd überflog ich die Kritik und fand den Satz: ›Herr Weingart wirkte sympathisch.‹

      ›Wie ist das gemeint?‹, fragte ich den Redakteur einigermaßen misstrauisch.

      ›Na, so wie’s geschrieben steht, Sie sind ja auch wirklich ein netter Bursch.‹

      Das war nun nicht jene Anerkennung, die sich ein junger Himmelstürmer erhofft hatte, aber es war immerhin etwas. Leider hatte ich nur noch dreimal Gelegenheit, sympathisch zu wirken. Nach der dritten Aufführung ließ mich Direktor Paul Sundt zu sich beordern. ›Herr Weingart‹, sagte er, ›Verzeihung, Herr Hörbiger, ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass Sie noch nie auf einer Bühne gestanden haben. Frei heraus: Sie sind ein blutiger Laie. Wie mir berichtet wird, sind Sie neulich ohne Text zu einer Stückprobe gekommen, weil Sie gar nicht wussten, was eine Stückprobe ist. Stimmt’s?‹

      Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: ›Dessen ungeachtet sind Sie nicht völlig talentlos. Was Sie brauchen, ist erstens Unterricht und zweitens Unterricht und drittens Unterricht. Ihre Sprechtechnik ist mangelhaft. Na und Ihr Dialekt, also, bitte, reden wir nicht davon.‹ Er umarmte mich herzlich, versprach, dass er meinen weiteren Weg im Auge behalten würde und schmiss mich raus.«

      Attila Hörbiger war tief getroffen, immerhin erzielte sein Bruder Paul in Reichenberg bereits erste Erfolge, obwohl auch er nie eine Ausbildung erhalten hatte. Einzig seine kleine Soubrette hielt ihn jetzt noch aufrecht.

      In dieser trostlosen Situation entwickelte das brotlose Künstlerpaar den Plan, gemeinsam ins benachbarte Ausland zu ziehen, um die Theaterwelt zu erobern. Und tatsächlich: Attila erhielt an der Schwäbischen Volksbühne Stuttgart sein erstes festes Engagement und ging ein Jahr lang als »jugendlicher Held, vitaler Naturbursche und Liebhaber« auf Gastspielreisen. Da seine Soubrette jedoch nach Dresden geholt wurde, trennten sich die Wege der beiden Liebenden.

      Attila spielte jeden Tag im Theater- oder Gasthaussaal einer anderen Kleinstadt, doch sobald er ein paar Stunden frei hatte und einen geeigneten Lehrer fand, nahm er Sprechunterricht. Den brauchte er auch dringend, wie der Kritik eines Lokalblattes zu entnehmen ist: »Herr Weingart war ein sympathischer, liebenswürdiger, stattlicher, jugendlicher Liebhaber voll Charme. Der Künstler besitzt zweifellos Talent. Nur muss er sich in sprachlicher Hinsicht noch verbessern und dem österreichischen Dialekt entsagen.«

      Über ein Engagement am Stadttheater Bozen gelangte Attila Hörbiger ans Wiener Raimundtheater, an dem er in Shakespeares König Richard III. – neben Fritz Kortner in der Titelrolle – in zwei kleinen Partien auftrat. Immerhin begann er nun, sich seinem wirklichen Namen anzunähern. Auf dem Theaterzettel stand jetzt schon: Felix Hörbiger. Doch auch dieses Engagement war nach wenigen Wochen beendet. Direktor Rudolf Beer teilte ihm am 11. Februar 1922 mit, »dass ich, obwohl ich Sie für sehr talentiert halte, Ihren Vertrag für die kommende Spielzeit nicht erneuere«. Er empfahl ihm ein Engagement an einem Provinztheater anzutreten, »wo Sie viel, oft und Verschiedenes zu spielen haben«.

      Freundliche Worte zwar, aber doch wieder ein Rausschmiss. Attila Hörbiger war verzweifelt, er begann sich am Theater wohl zu fühlen, konnte aber nicht mehr daran glauben, in diesem Metier jemals Fuß zu fassen. »Ich wünsche das keinem Menschen«, sagte er einmal, »ohne jede Ausbildung zur Bühne zu gehen. Es ist die Hölle, wenn man so wie ich aus einem Engagement nach dem anderen wegen totaler Unfähigkeit entlassen wird.«

      Hans Weigel wird – Jahrzehnte nach den deprimierenden Anfängen – gerade das Fehlen des Unterrichts als seine Stärke bezeichnen, wenn er ihn in einem (fiktiv geführten) Interview sagen lässt: »Ich wollte eigentlich Landwirt werden und bin nur ganz beiläufig und zufällig und unvorbereitet zum Theater gekommen und hab das Theaterspielen nur gelernt, indem ich Theater gespielt habe, und jetzt bin ich Burgschauspieler und österreichischer Kammerschauspieler, man hat mir die Josef-Kainz-Medaille und den Ehrenring der Stadt Wien und das deutsche Bundesverdienstkreuz verliehen – und ich kann’s wirklich!«

      »So«, folgerte Weigel, »geht er an seine Berufsausübung heran – nicht belastet von einer traditionellen und routinemäßigen Meisterhaftigkeit, sondern beflügelt von der großen freudigen Unbekümmertheit.«

      CHRISTIANE HÖRBIGER: »Als mein Vater jung war, zählte am Theater nur das überdeutliche, bis in den letzten Rang verständliche, klassische Deutsch. Da hatten ihm ein Balser und ein Quadflieg vieles voraus, sie waren die besseren Sprecher. Als aber dann in den fünfziger Jahren der menschliche Ton – der Konversationston – in Mode kam, begann seine große Zeit. Natürlich musste auch er deutlich und gut verständlich sein, aber es war nicht mehr gefragt, ein sprachlicher Akrobat zu sein. Plötzlich war es seine Stärke, wie ein Mensch zu sprechen und nicht wie ein Schauspieler. Er war jetzt modern.«

      Noch war Attila Hörbiger weit davon entfernt, »modern« zu sein, er war nichts als ein begabter Dilettant, an dessen Zukunft niemand glauben wollte. Am allerwenigsten sein Vater, dem die aussichtslos scheinenden Schauspielexperimente seines jüngsten Sohnes nicht verborgen blieben. Als Attila sich wieder einmal in irgendeinem böhmischen Provinztheater zum Vorsprechtermin angemeldet hatte, wusste Hanns Hörbiger in seiner Verzweiflung keinen besseren Rat, als dem Prinzipal einen Brief zu schreiben: »Sehr geehrter Herr Direktor«, stand darin, »ich bitte Sie inständig, davon Abstand zu nehmen, meinen Sohn, Herrn Attila Hörbiger, ins Engagement zu nehmen, da er lernunwillig, unverlässlich und am Theater viel weniger interessiert ist als an sportlichen Betätigungen wie Boxen,

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