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haben noch nicht viel verdient und daher abseits der eleganten Welt in einer kleinen Pension gewohnt. Meine Mutter hatte sich für diesen Ausflug, wie sie mir erzählte, eigens einen seidenen Pyjama anfertigen lassen, das war ein großer Luxus damals. Sie spazierten jeden Tag hinüber zum Lido, um im Grandhotel Des Bains einen Drink zu nehmen und die High Society zu sehen, zu der Thomas Mann, Franz Molnár und Lili Darvas zählten. Hans und meine Mutter hatten ein paar schöne Tage, doch selbst hier, in dieser paradiesischen Atmosphäre, sah Jaray immer nur die dunklen Wolken, die – wie er meinte – auf ihn zukamen.«

      Im Sommer 1929 treten Paula Wessely und Hans Jaray am Kurtheater Bad Ischl in den Stücken Alt-Heidelberg und Gelegenheit macht Liebe auf. Das Traumpaar spielt ein solches – und die Presse ist begeistert. Sie verbringen wieder einige gemeinsame Tage, diesmal in der alten Kaiserstadt, die zwar ihren Kaiser verloren, aber die imperiale Atmosphäre behalten hat. In der nächsten Saison wechselt auch Jaray an die »Josefstadt«, Reinhardt hat ein weiteres großes Talent entdeckt.

      Irgendwann passiert Hans Jaray, der seine Paula wirklich liebt, ein epochaler Blödsinn. Dass die Frauen auf diesen Feschak fliegen, war der Wessely von Anfang an klar, und am Theater ist die Verlockung groß – man kennt sie, die bezaubernden Kolleginnen, die einem Abenteuer mit einem so attraktiven Bühnenpartner nicht abgeneigt sind. Eines Tages will die Wessely ihren Hans in seiner Wohnung besuchen. Sie läutet an der Tür. Diese wird von einer Frau geöffnet. Es ist Marlene Dietrich.

      Paula Wessely ist tief verletzt. Noch ein halbes Jahrhundert später wird sie André Heller davon erzählen, mit dem sie in dieser Zeit eine innige Freundschaft verband: »Das mit dem Jaray ist ihr schrecklich nahe gegangen«, erinnert sich Heller. »Nach so vielen Jahrzehnten regte sie sich noch darüber auf, dass die Dietrich damals jeden Abend in der ›Josefstadt‹ saß und dem Jaray beim Theaterspielen zusah. ›Da kam die schöne Dietrich und ich war nur noch die altkatholische Fleischhauerstochter‹, hat sie gesagt. Sie war schrecklich enttäuscht.«

      Der Krise im Privatleben folgt ein beruflicher Rückschlag. Wenige Wochen nach Paula Wesselys erfolgreichem Debüt an der »Josefstadt« taucht auch dort das erste Problem auf: Reinhardts Stellvertreter Emil Geyer hat ihr das nächste Stück, in dem sie auftreten soll, zugeschickt. Die Rolle, die man ihr zudachte, war die eines Stubenmädchens – ein Fach, das sie längst überwunden glaubte. »Das war ein Schritt zurück in die Anfänge, das kam unter keinen Umständen in Frage«, erinnerte sie sich später. »Ich schickte die Rolle zurück, sehr zum Entsetzen des Büros.«

      »Das Büro« des Theaters in der Josefstadt reagierte mit einem scharfen Brief: »Sehr geehrtes Fräulein Wessely! Ich bedaure sehr, dass es gleich am Beginn zu einem Konflikt kommen soll. Ich würde ihn vermeiden, wenn ich fühlte, dass Sie auch nur einen Schein von Recht haben. Ich habe Ihnen bei Vertragsabschluss nicht verhehlt, ich habe Sie ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass der Rang des Josefstädter Theaters auf sehr kultivierter Ensemblekunst beruht und dass ich gewohnt bin, auch zweite und selbst ganz kleine Rollen mit unseren ersten Schauspielern zu besetzen. Beispiele könnte ich Ihnen in Menge anführen. Die Rolle der Georgette, die Ihnen zugeteilt wurde, ist eine sehr wirksame Rolle, die Sie umso weniger zu übernehmen sich weigern können, weil Sie in der großen tragenden Rolle der Kiki in der ›Josefstadt‹ debütiert haben. Ich teile Ihnen die Rolle noch einmal zu und ersuche Sie, morgen zur Probe zu erscheinen. Ergebenst Dr. Geyer.«

      Sie erscheint nicht. Dafür ein Schreiben ihres Anwalts Dr. Robert Müller: »Fräulein Paula Wessely befindet sich derzeit in einem elenden seelischen und körperlichen Zustande und ist unliebsam genötigt, sich einer Sanatoriumsbehandlung zu unterziehen. Ich möchte es daher in diesem Augenblicke unterlassen, auf die rechtliche Seite der Angelegenheit näher einzugehen und mich, wenn es irgend geht, bemühen, bei einer gütlichen Lösung mitzuwirken.«

      Paula Wessely hat sich durchgesetzt, eine Kollegin springt für sie ein, der Eklat dringt an die Öffentlichkeit und wird von einer Zeitung, wenn auch etwas holprig, glossiert:

      »Die Paula sprach: ›Als Stubenmädchen,

      Bin ich doch nicht am rechten Plätzchen.

      Sogar das Ohnmachtsimulieren,

      Ist lieber mir als das Servieren.‹ «

      Ihrer Tochter Maresa wird Paula Wessely viel später die Hintergründe der Ablehnung erklären: »Ich hatte nie etwas dagegen, kleine Rollen zu spielen, aber ich hatte etwas dagegen, schlechte Rollen zu spielen. Die der Georgette war klein und schlecht.«

      Gerade noch infolge ihres »seelischen und körperlichen Zustandes« nicht in der Lage, ein Stubenmädchen zu sein, kann sie bald wieder auftreten – jetzt aber in einer wirklich guten Rolle. Als Marie Ebeseder, einem »Mädel vom Grund« in Felix Saltens Schauspiel Der Gemeine. Der Jubel des Publikums gehörte ihr gemeinsam mit den Kollegen Hans Moser, Adrienne Gessner und – Attila Hörbiger. Da ist er also wieder.

      Hörbiger war noch vor der Wessely an die »Josefstadt« gekommen. Und wie bei ihr war es auch in seinem Fall der Dramaturg Franz Horch, der wesentlich zu diesem Engagement beitrug. Horch hatte ihn vor Jahren schon bei einem Auftritt in Brünn gesehen und Emil Geyer geraten, »den jungen Mann im Auge zu behalten«. Geyer verfolgte daraufhin Hörbigers Entwicklung und holte ihn 1928 von Prag an die ›Josefstadt‹. Wo dieser sich sofort als würdiges Mitglied des traditionsreichen Hauses erweisen sollte, wie Max Burckhardt im Neuen Wiener Tagblatt aus Anlass seiner ersten Premiere, als Franzl in Peripherie, festhielt: Hörbiger ist »allem Anschein nach ein starkes Talent von herbem Klang und – was heutzutage leider ein seltener Fund ist – ein vortrefflicher Sprecher«. Er hatte sich also, vielleicht mithilfe des Schwiegervaters Alfred Martinz, seiner Sprachprobleme, unter denen er einst gelitten hatte, entledigt.

      Die Wiederbegegnung mit Paula Wessely. Man hatte sich längere Zeit nicht gesehen, doch in Wien konnte man sich nicht mehr aus den Augen verlieren. Nach Saltens Der Gemeine kam ein Stück nach dem anderen auf die beiden zu, in denen sie gemeinsam auftraten. Sie spielten in Shaws Der Kaiser von Amerika, in Fodors Die Füllfeder, in Molnárs Die Fee, in Schönthans Raub der Sabinerinnen, Tag für Tag standen Paula Wessely und Attila Hörbiger auf der Bühne.

      Nicht, dass er ihr nicht gefallen hätte, dieser große, sportlich durchtrainierte Typ. Nur war das schon wieder so einer, auf den die Frauen flogen. Ein Draufgänger, der sich noch dazu einmal ziemlich daneben benehmen sollte.

      CHRISTIANE HÖRBIGER: »Irgendwann, meine Mutter war auf dem Weg zu ihrem Auftritt, gab ihr mein Vater hinter der Bühne mit einem frechen Lächeln einen Klaps auf den Hintern, wie er das bei Kolleginnen wohl des Öfteren getan haben mochte. Sie hat sich umgedreht und zu ihm gesagt: ›Lass das, ich mag das nicht!‹ Und ist abgegangen, ohne ihn eines weiteren Blicks zu würdigen. Das hat ihm irgendwie imponiert. Mit einer solchen Reaktion hatte der erfolgsverwöhnte Herzensbrecher nicht gerechnet. Und da hat er sich, so erzählte er es später immer wieder, in sie verliebt.«

      Die 23-jährige Paula Wessely, die sich zur Wehr setzte, nur weil man ihr einen Klaps gab, beeindruckte ihn also. Sie war so ganz anders als die zierlichen Soubretten und die heiteren Naiven, ein ganz besonderer Zauber ging von dieser jungen Schauspielerin aus.

      Doch für die Wessely kam er nach wie vor nicht in Betracht, der Mann war immer noch verheiratet, daran hatte sich in den vier Jahren nichts geändert, seit sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, damals in Prag. Über einen Mangel an Verehrern musste sie sich nicht beklagen – und gegen einen Flirt hatte sie nichts, aber diese schnellen Abenteuer waren ihre Sache nicht.

      Und doch, irgendwann muss es passiert sein, muss es gefunkt haben. Man geht nach der Vorstellung auf ein Glas Wein, zuerst mit dem Ensemble, das nächste Mal mit einigen wenigen Freunden. Und irgendwann zu zweit. Sie erzählt von ihren Eltern, er von seiner Ehe, die gar keine mehr sein soll, aber nicht geschieden werden kann.

      Man schaut sich in die Augen, wie sie’s in diesem und jenem Stück getan haben. Jetzt aber braucht die Szene keinen Regisseur mehr.

      MARESA HÖRBIGER: »Meine Mutter musste sich entscheiden. Den Hans Jaray gab’s immer noch, und sie liebte ihn nach wie vor. In dieser Situation der Ratlosigkeit fuhr sie allein

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