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ich Ih­nen ver­si­chern, daß ich nie ei­nem Man­ne an­ge­hö­ren wer­de.‹ – ›Hal­t‹, un­ter­brach ich sie; ›Sie läs­tern Gott und wer­den da­für be­straft wer­den! Ei­nes Ta­ges wer­den Sie auf dem Di­wan lie­gen, kein Geräusch und kein Licht ver­tra­gen, wer­den ver­dammt sein, in ei­ner Art Grab zu le­ben und un­er­hör­te Schmer­zen zu er­dul­den. Wenn Sie dann nach der Ur­sa­che die­ser lang­sa­men rä­chen­den Schmer­zen su­chen, ge­den­ken Sie des Un­glücks, das Sie so ver­schwen­de­risch auf Ihren Weg ge­streut ha­ben. Sie ha­ben über­all Flü­che ge­sät und wer­den Haß ern­ten. Wir sind un­se­re ei­ge­nen Rich­ter, die Hen­ker ei­nes Ge­rich­tes, das hie­nie­den sein Ur­teil spricht und das über dem Ge­richt der Men­schen und un­ter dem Got­tes wal­tet.‹ – ›Ach‹, er­wi­der­te sie la­chend, ›ich bin na­tür­lich eine große Ver­bre­che­rin, daß ich Sie nicht lie­be! Ist das mei­ne Schuld? Nein, ich lie­be Sie nicht; Sie sind ein Mann, das ist Grund ge­nug. Ich bin glück­lich, daß ich al­lein bin; warum soll­te ich mein Le­ben, mein egois­ti­sches Le­ben, wenn Sie es so nen­nen wol­len, ge­gen die Lau­nen ei­nes Herrn ver­tau­schen? Die Ehe ist ein Sa­kra­ment, das nichts als Kum­mer bringt. Und über­dies, Kin­der sind mir läs­tig. Habe ich Ih­nen nicht frei­mü­tig mei­nen Cha­rak­ter im vor­aus ge­schil­dert? Wa­rum ha­ben Sie sich nicht mit mei­ner Freund­schaft be­gnügt? Ich möch­te Sie ger­ne für die Qua­len, an de­nen ich schuld bin, weil ich nichts von Ihren Geld­ka­la­mi­tä­ten wuß­te, ent­schä­di­gen; ich sehe wohl, was Sie für Op­fer ge­bracht ha­ben; aber Lie­be al­lein kann Ihre Hin­ga­be und Ihr Zart­ge­fühl loh­nen; ich aber lie­be Sie so we­nig, daß die­ser Auf­tritt mir pein­lich ist.‹ – ›Ich weiß‹, ant­wor­te­te ich sanft und konn­te da­bei die Trä­nen nicht zu­rück­hal­ten, ›wie lä­cher­lich ich mich ma­che; ver­zei­hen Sie mir! Ich lie­be Sie so sehr, daß ich so­gar die grau­sa­men Wor­te, die Sie spre­chen, mit Ent­zücken höre. Oh, ich woll­te, ich könn­te mei­ne Lie­be mit mei­nem Blut be­sie­geln!‹ – ›Al­le Män­ner sa­gen uns in mehr oder we­ni­ger schö­nen Wor­ten die­se klas­si­schen Re­dens­ar­ten‹, ver­setz­te sie la­chend, ›a­ber es scheint wirk­lich schwer zu sein, zu un­se­ren Fü­ßen zu ster­ben; denn ich be­geg­ne der­lei To­ten über­all. Es ist Mit­ter­nacht, er­lau­ben Sie, daß ich schla­fen gehe.‹

      ›Und in zwei Stun­den schrei­en Sie wie­der auf: Mein Gott!‹ sag­te ich. – ›Vor­ges­tern! ja‹, ver­setz­te sie la­chend, ›ich dach­te an mei­nen Ban­kier; ich hat­te ver­ges­sen, ihm auf­zu­tra­gen, mei­ne fünf­pro­zen­ti­gen Ren­ten ge­gen drei­pro­zen­ti­ge zu tau­schen, und an dem Tag wa­ren die drei­pro­zen­ti­gen ge­sun­ken.‹ Ich sah sie mit wut­fun­keln­den Au­gen an. Oh! manch­mal muß ein Ver­bre­chen ein gan­zes Poem sein, das be­griff ich. Sie war of­fen­bar an die lei­den­schaft­li­chen Aus­brü­che ge­wöhnt und hat­te mei­ne Trä­nen und mei­ne Wor­te schon ver­ges­sen. – ›Wür­den Sie einen Pair von Frank­reich hei­ra­ten?‹ frag­te ich sie kalt. – ›Vi­el­leicht, wenn er Her­zog wäre.‹ Ich nahm mei­nen Hut und ver­beug­te mich. ›Ge­stat­ten Sie, daß ich Sie bis an die Tür mei­nes Zim­mers be­glei­te‹, sag­te sie mit ei­ner bei­ßen­den Iro­nie in ih­rer Ges­te, der Hal­tung ih­res Kop­fes und ih­rem Ton. – ›Ma­da­me.‹ – ›M­on­sieur?‹ – ›Ich wer­de Sie nicht wie­der­se­hen.‹ – ›Ich hof­fe es!‹ er­wi­der­te sie und neig­te ih­ren Kopf mit ei­ner im­per­ti­nen­ten Mie­ne. – ›Sie wol­len Her­zo­gin wer­den?‹ be­gann ich er­neut, durch ihre Hal­tung ge­ra­de­zu in Ra­se­rei ver­setzt. ›Sie dürs­ten nach Ti­teln und Ehren? Nun, dann las­sen Sie sich nur von mir lie­ben, be­feh­len Sie mei­ner Fe­der, nur für Sie zu schrei­ben, mei­ner Stim­me, nur für Sie zu er­tö­nen, sei­en Sie das ge­hei­me Prin­zip mei­nes Le­bens, sei­en Sie mein Stern! Neh­men Sie mich erst zum Ge­mahl, wenn ich Mi­nis­ter, Pair von Frank­reich, Her­zog bin … Ich wer­de al­les wer­den, was Sie wol­len!‹ ›Sie ha­ben‹, er­wi­der­te sie lä­chelnd, ›Ih­re Zeit beim An­walt gut ver­wen­det: Sie plä­die­ren sehr warm­her­zig.‹ – ›Du hast die Ge­gen­war­t‹, rief ich, ›und ich die Zu­kunft! Ich ver­lie­re nur eine Frau, du aber ver­lierst einen Na­men, eine Fa­mi­lie. Die Zeit trägt mei­ne Ra­che im Schoß: dir bringt sie Häß­lich­keit und Tod in der Ein­sam­keit; mir den Ruhm!‹ – ›Vie­len Dank für das Fina­le!‹ er­wi­der­te sie, un­ter­drück­te ein Gäh­nen und be­kun­de­te durch ihre Hal­tung, daß sie mich nicht län­ger se­hen woll­te. Nun schwieg ich, schleu­der­te ihr mei­nen Haß in ei­nem ein­zi­gen Blick zu und enteil­te. Es galt, Fœ­do­ra zu ver­ges­sen, mich von die­sem Wahn­sinn zu hei­len, mei­ne ein­sa­men Stu­di­en wie­der­auf­zu­neh­men oder zu ster­ben. Ich er­leg­te mir also ein ge­wal­ti­ges Ar­beits­pen­sum auf, ich woll­te mei­ne Wer­ke vollen­den. Vier­zehn Tage lang ver­ließ ich mei­ne Man­sar­de nicht und saß des Nachts über mei­nen an­stren­gen­den Stu­di­en. Trotz mei­nes Mu­tes und der Kraft der Verzweif­lung ar­bei­te­te ich schwer und nur spo­ra­disch. Die Muse hat­te mich ver­las­sen. Ich konn­te das strah­len­de, spöt­ti­sche Bild Fœ­do­ras nicht ban­nen. Je­der Ge­dan­ke brü­te­te einen an­de­ren krank­haf­ten Ge­dan­ken aus, ein Be­geh­ren, so schreck­lich quä­lend wie das Ge­wis­sen. Ich folg­te dem Bei­spiel der Ein­sied­ler aus der The­bais. Zwar be­te­te ich nicht wie sie, aber wie sie leb­te ich in ei­ner Ein­öde und höhlte mein Herz aus, wie sie die Fel­sen höhlten. Ich hät­te mir not­falls so­gar einen Sta­chel­gür­tel an­ge­legt, um den Schmerz der Lie­be durch den kör­per­li­chen Schmerz zu bän­di­gen. Ei­nes Abends drang Pau­li­ne in mein Zim­mer ein. – ›Sie rich­ten sich zu­grun­de‹, sag­te sie mit fle­hen­der Stim­me zu mir, ›Sie soll­ten aus­ge­hen, Ihre Freun­de auf­su­chen.‹ – ›Ach, Pau­li­ne! Ihre Pro­phe­zei­ung ist ein­ge­trof­fen. Fœ­do­ra tö­tet mich, ich will ster­ben. Das Le­ben ist mir un­er­träg­lich.‹ – ›Gibt es denn nur eine Frau in der Welt?‹ frag­te sie lä­chelnd. ›Wa­rum ma­chen Sie sich die­ses kur­ze Le­ben zu so maß­lo­ser Qual?‹ Ich blick­te Pau­li­ne wie er­starrt an. Sie ließ mich al­lein. Ich hat­te gar nicht be­merkt, daß sie ge­gan­gen war; ich hat­te ihre Stim­me ge­hört, ohne den Sinn ih­rer Wor­te zu ver­ste­hen. Bald dar­auf muß­te ich das Ma­nu­skript der Me­moi­ren zu mei­nem li­te­ra­ri­schen Un­ter­neh­mer brin­gen. Ich war so von mei­ner Lei­den­schaft be­ses­sen, daß ich nicht wuß­te, wie ich ohne Geld hat­te le­ben kön­nen; ich wuß­te bloß, daß ich die 450 Fran­cs, die mir zu­stan­den, aus­reich­ten, mei­ne Schul­den zu be­zah­len; ich woll­te also mein Ho­no­rar ho­len und traf Ras­ti­gnac. Er fand mich ver­än­dert und ab­ge­ma­gert. – ›Aus wel­chem Ho­spi­tal kommst du denn?‹ frag­te er mich. – ›Die­se Frau tö­tet mich‹, er­wi­der­te ich; ›ich kann sie nicht ver­ach­ten und nicht ver­ges­sen.‹ – ›Da ist es bes­ser, sie zu tö­ten‹, ver­setz­te er la­chend; ›viel­leicht denkst du dann nicht mehr an sie.‹ – ›Da­ran habe ich auch ge­dacht‹, war mei­ne Ant­wort; ›manch­mal er­quick­te ich mei­ne See­le mit dem Ge­dan­ken an ein Ver­bre­chen, Not­zucht oder Mord oder bei­des zu­sam­men; aber ich bin nicht im­stan­de, es wirk­lich zu be­ge­hen. Die Com­tes­se ist ein ent­zücken­des Un­ge­heu­er, das um Gna­de bit­ten wür­de, und ich bin kein Othel­lo!‹ – ›Sie ist wie alle Wei­ber, die wir nicht ha­ben kön­nen‹, un­ter­brach mich Ras­ti­gnac. – ›Ich bin toll!‹ rief ich; ›ich spü­re, wie der Wahn­sinn zu­zei­ten in mei­nem Hirn rast. Mei­ne Ge­dan­ken sind wie geis­ter­haf­te Ge­stal­ten, sie um­gau­keln mich, und ich kann sie nicht fas­sen. Lie­ber will ich tot sein, als so wei­ter­le­ben. Und so su­che ich nur nach dem bes­ten Mit­tel, die­sem Kampf ein Ende zu ma­chen. Es han­delt

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