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me­tho­disch über den Schlüs­seln reih­ten, und ich war er­staunt, wel­che Sau­ber­keit in dem Raum herrsch­te, der in an­de­ren Ho­tels ge­wöhn­lich sehr schlecht ge­hal­ten zu sein pflegt, hier aber wie ein Gen­re­bild an­mu­te­te; das blaue Bett, die Gerät­schaf­ten, die Mö­bel zeug­ten von ei­nem kon­ven­tio­nel­len Schön­heits­sinn. Die Wir­tin, eine Frau von un­ge­fähr vier­zig Jah­ren, aus de­ren Zü­gen Kum­mer sprach und de­ren Blick wie von Trä­nen ge­trübt war, er­hob sich und kam auf mich zu. Ich nann­te ihr be­schei­den den Preis, den ich für die Mie­te zah­len konn­te; sie schi­en dar­über nicht ver­wun­dert, such­te aus all den Schlüs­seln einen her­aus, führ­te mich zu den Dach­stu­ben und zeig­te mir eine Kam­mer mit ei­nem Aus­blick auf die Dä­cher und die Höfe der Nach­bar­häu­ser, aus de­ren Fens­tern lan­ge, mit Wä­sche be­han­ge­ne Stan­gen rag­ten. Nichts konn­te schreck­li­cher sein als die­se Man­sar­de mit ih­ren schmut­zi­gen gel­ben Wän­den, die nach Elend roch und nur auf den ar­men Ge­lehr­ten zu war­ten schi­en. Das Dach senk­te sich auf bei­den Sei­ten gleich­mä­ßig dar­über, und die aus­ein­an­der­klaf­fen­den Zie­gel lie­ßen den Him­mel hin­durch­se­hen. Es war Platz für ein Bett, einen Tisch, ei­ni­ge Stüh­le, und un­ter dem spit­zen Win­kel des Da­ches konn­te ich mein Kla­vier un­ter­brin­gen. Da die arme Frau nicht reich ge­nug war, die­sen Kä­fig, den die Blei­kam­mern von Ve­ne­dig7 wohl kaum über­tra­fen, ein­zu­rich­ten, hat­te sie ihn bis­her nie ver­mie­ten kön­nen. Ich hat­te vom Ver­kauf der Mö­bel die Ge­gen­stän­de aus­ge­schlos­sen, die zu mei­nem per­sön­li­chen Be­darf ge­hör­ten, und so wur­de ich mit mei­ner Wir­tin bald han­dels­ei­nig und zog am Tag dar­auf bei ihr ein. Ich leb­te in die­sem Man­sar­den­grab na­he­zu drei Jah­re, ar­bei­te­te un­abläs­sig Tag und Nacht und mit so viel Freu­de, daß das Stu­di­um mir als die schöns­te Auf­ga­be, die glück­lichs­te Lö­sung des mensch­li­chen Le­bens er­schi­en. Die Ruhe und das Schwei­gen, die der Ge­lehr­te braucht, ha­ben et­was un­aus­sprech­lich Sanf­tes und Berau­schen­des wie die Lie­be. Die an­ge­spann­te Ar­beit der Ge­dan­ken, die Su­che nach Ide­en, die ru­hi­gen Be­trach­tun­gen der Wis­sen­schaft spen­den uns un­säg­li­che Won­nen, die man so we­nig schil­dern kann wie alle üb­ri­gen Phä­no­me­ne des Geis­tes, da sie für un­se­re äu­ße­ren Sin­ne nicht wahr­nehm­bar sind. Wir müs­sen da­her die Ge­heim­nis­se des Geis­tes auch im­mer durch ma­te­ri­el­le Ver­glei­che er­klä­ren. Das Ver­gnü­gen, al­lein und von ei­ner sanf­ten Bri­se um­schmei­chelt in ei­nem kla­ren See in­mit­ten von Fel­sen, Wäl­dern und Blu­men zu schwim­men, wür­de den Un­wis­sen­den nur ein schwa­ches Bild des Glücks ge­ben, das ich emp­fand, wenn sich mei­ne See­le gleich­sam in ei­nem über­ir­di­schen Lich­te ba­de­te, wenn ich den schreck­li­chen und ver­wor­re­nen Stim­men der In­spi­ra­ti­on lausch­te, wenn Bil­der aus ei­ner un­be­kann­ten Quel­le in mein zu­cken­des Hirn spran­gen. Zu be­ob­ach­ten, wie auf dem Feld der Abstrak­tio­nen eine Idee sprießt, gleich der Mor­gen­son­ne em­por­steigt, oder bes­ser, die her­an­wächst wie ein Kind, das lang­sam zur Rei­fe ge­langt und zum Mann wird, ist eine Freu­de, die alle ir­di­schen Freu­den über­steigt, oder viel­mehr, ist gött­li­che Lust. Das Stu­di­um ver­leiht al­lem, was uns um­gibt, einen ma­gi­schen Schein. Der wa­cke­li­ge Tisch, auf dem ich schrieb, das brau­ne Schafle­der, mit dem er be­deckt war, mein Kla­vier, mein Bett, mein Lehn­stuhl, die Schnör­ke­lei­en auf mei­ner Ta­pe­te, mei­ne Gerät­schaf­ten, all die­se Din­ge ge­wan­nen ein ei­ge­nes Le­ben und wur­den mei­ne er­ge­be­nen Freun­de, die ver­schwie­ge­nen Ge­fähr­ten mei­ner Zu­kunft. Wie oft habe ich ih­nen nicht, wenn ich sie an­sah, mei­ne See­le ent­hüllt! Wie oft, wenn ich mei­ne Au­gen über ein wind­schie­fes Ge­sims glei­ten ließ, sind mir neue Ge­dan­ken­fol­gen ge­kom­men, ein schla­gen­der Be­weis mei­nes Sys­tems oder Wor­te, die mir tref­fend schie­nen, kaum aus­zu­drücken­de Ge­dan­ken wie­der­zu­ge­ben.

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