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Forschung bisher der Mannheimer Schule zuzuschreiben geneigt war78, von "Seufzern", "Vögelchen", "Walzen" u. dgl., auch das Crescendo79 tritt auffallend häufig auf, und zwar, ganz wie in Mannheim, im Verein mit sequenzenmäßig aufsteigenden Motiven; schöne Wirkungen dieser Art, auch auf langen Haltetönen, konnte Mozart in "Cesare e Cleopatra" 1770 hören. Daß Piccinni alle diese Züge dem Mannheimer Stamitz verdankte, ist höchst unwahrscheinlich; sie treten schon in seinen ersten Werken zutage, und außerdem lehrt sein ganzes Schaffen, daß er von allen Italienern für die reine Instrumentalmusik am wenigsten Sinn und Zeit hatte. Er muß also aus anderen Quellen geschöpft haben. Für das Crescendo war das ohne allen Zweifel Jommelli80, für alles übrige aber lassen sich Belege aus der italienischen Oper, besonders der komischen, beibringen. Was Stamitz der italienischen Oper verdankt, verdiente besonders untersucht zu werden, jedenfalls würde sich herausstellen, daß die große Stilwandlung zwischen den älteren und den jüngeren Klassikern, was ja auch aus inneren Gründen wahrscheinlich ist, nicht das Werk eines einzelnen Meisters und seiner Schule, sondern auf weit breiterer Grundlage erwachsen ist. Der große und eigentümliche Anteil, den Stamitz daran hat, und seine Bedeutung für die deutsche Instrumentalmusik werden dadurch natürlich nicht berührt.

      Auch der konzertierende Stil, den Piccinni gleich allen seinen Zeitgenossen besonders liebt, wird bei ihm weit leichter und elastischer. Solobläser erhalten sehr oft eine ganz moderne Streicherbegleitung in gebrochenen Akkorden, treten aber auch sonst mit ausdrucksvollen, selbständigen Motiven auf, wie im "Ciro" III 13 (Arie "Bell'alma se ancora"):

      Auch die Form handhabt Piccinni als geborener Buffokomponist mit bemerkenswerter Freiheit. Die kleine liedmäßige Kavatine liebt er besonders, vom "Cesare" an tritt zu den drei Arienformen81 noch das Rondo. Den raschen Arien schickt er gerne langsame Einleitungen voraus, deren Gedanken mitunter im folgenden Allegro in großen Notenwerten wiederkehren. Auch nehmen nach Bachs Vorbild die Themengegensätze in den Ritornellen im Verlauf seiner Entwicklung stetig zu.

      Von heroischer Kraft ist freilich bei Piccinni noch weniger zu verspüren als bei den bisher genannten Meistern. Er war als Mensch und als Künstler eine friedfertige, beschauliche, ja versonnene Natur. Seine ernsten Opern entbehren des sinnlichen Zaubers der Bachschen, sie sind mitunter eintönig und überempfindsam. Aber auf der anderen Seite nimmt der neuneapolitanische Grundzug der Weichheit bei ihm nicht selten eine sehr sympathische, trauliche und herzliche Färbung an. Auch hier ist seine Buffokunst den opere serie zugute gekommen; der fein stilisierte Volkston naiven oder elegischen Charakters, der die Buffoopern auszeichnet, klingt z.B. schon in der "Zenobia" durch die ganze Partie der Egle hindurch, man vergleiche aber auch das Thema der Arie "Deh lasciami" (Cajo Mario II 4) mit dem innigen Terzschluß:

      Dieser rührende, innige Ton erscheint bei Piccinni stets, wenn es sich um Sehnsucht, flehendes Bitten u. dgl. handelt, vgl. z.B. die in ihrem Hauptthema später von Mozart übernommene Arie "Mi scacci sdegnato" (Artaserse II 2)82:

      er adelt mitunter sogar die Koloratur, wie in der Arie "Dovrei, ma no" (Didone I 2):

      Der romantische Zug, der solchen Naturen häufig zu eigen ist, findet sich auch bei Piccinni. Keiner von seinen Zeitgenossen hat den plötzlichen Wechsel von Dur und Moll, der, wie das Beispiel D. Scarlattis zeigt, der ganzen damaligen italienischen Kunst besonders geläufig war, für die Zwecke der Oper so sinnvoll auszunützen verstanden wie er. In derartigen Szenen, wo plötzlich dunkle Wolkenschatten über ein helles Bild hingleiten oder umgekehrt ein heller Lichtstrahl überraschend durch düsteren Nebelflor bricht, zeigt sich deutlich, welch feiner poetischer Kopf Piccinni war, ja er biegt unter dem Drucke des dichterischen Gedankens gelegentlich überhaupt aus den herkömmlichen Geleisen heraus83. Endlich neigt er dazu, in einzelnen Mollarien sich in die trübe Stimmung förmlich hineinzuwühlen, so daß die Durtonart kaum einmal flüchtig berührt wird84.

      Das sind alles Züge, die im Gemüte des jungen Mozart einen lebhaften Widerhall finden mußten, und tatsächlich finden wir die Spuren der Piccinnischen Kunst in einzelnen seiner Arien greifbar vor.

      Aus weit härterem Holze als der liebenswürdige Piccinni war der spätere Lehrer Cherubinis, Gius. Sarti (1729–1802), geschnitzt, dessen Schaffen freilich weniger für Mozarts Jugendopern als für "Idomeneo" und "Titus" wichtig geworden ist. Seine Werke beweisen deutlich, daß auch aus der neuneapolitanischen Oper noch dramatisches Feuer herauszuschlagen war, wenn sie ein Künstler meisterte, dem außer Sentimentalität und Tändelei auch noch ernste und kräftige Töne zu Gebote standen. So ist Sarti der bedeutendste Vertreter dieser Kunst geworden, ja Heinse zählt ihn nicht nur zu den älteren Neapolitanern, sondern stellt seinen "Giulio Sabino" sogar noch über Glucks Taurische Iphigenie85. Das hat wohl seinen Grund in Sartis großen dramatischen Akkompagnato- in denen er allerdings sämtliche Neuneapolitaner um Haupteslänge überragt. Aber Form und Stil seiner Arien und seine virtuose Orchesterbehandlung weisen doch auf die neue Zeit hin, auch beweist die mehr auf äußere Wirkung als auf dramatischen Ernst angelegte Haltung so mancher Arien sowie die Neigung zu übermäßiger Koloratur, daß die Selbstverleugnung der älteren Meister dahin war86. Trotzdem hatte Sarti von allen damaligen Opernkomponisten noch das lebendigste Gefühl nicht allein für den Stil der Metastasioschen Kunst, sondern auch für die Größe des alten Renaissanceideals. Gerade in seiner besten Oper, dem "Giulio Sabino" (1781), strebte er ihm mit allen verfeinerten Mitteln der modernen Kunst gerecht zu werden. Auch die äußere Form hat er mit Glück erweitert. Neben den damals modernsten Arienformen bevorzugt er, wiederum nach dem Vorbild der Buffooper, die mehrteilige Arie und besonders das Rondo. Dabei erscheint regelmäßig ein sichtlich von den Franzosen beeinflußter, gavottenhafter, oft etwas leiriger Melodietypus, der dann in Mozarts "Titus" (Rondo des Sextus II 7, Allegro) wiederkehrt. Vgl. Sartis "Alessandro e Timoteo" (1782), Rondo: "Bella Dea87":

      Ensembles und Chöre finden sich auch bei Sarti noch sehr selten, mit Ausnahme des für das ja von jeher franzosenfreundliche Parma geschriebenen "Alessandro e Timoteo", wohl der formenreichsten Oper der ganzen Schule88. Dagegen ist sein Orchester äußerst schmiegsam und dabei von glänzender äußerer Wirkung89. Bezeichnend ist dafür, daß er bereits in dem sonst noch durchaus altmodischen "Ciro" (1754, Arie II 9 "Men bramosa") ein sonst in der Oper sehr seltenes Cembalosolo einführt. An den Akkompagnatos hat das Orchester einen reichen Anteil, manchmal sogar mit kleinen selbständigen Sätzen; freilich tritt auch dabei schon eine Sartische Eigentümlichkeit zutage, die sich auch in manchen Arien findet und wiederum an den jungen Mozart gemahnt: die Neigung, mit den Motiven verschwenderisch umzugehen. Denn auch Sarti ist ungewöhnlich reich an Ideen, und zwar sowohl volkstümlicher Art, vgl. "Giulio Sabino" II 5 und 11 (beide Male freilich textwidrig):

      als auch kunstmäßiger, oft überraschend moderner Natur, vgl. "Cleomene" II 11, 5, "Ifigenia" II 5:

      In allen drei Beispielen ist die Verwandtschaft mit Mozart mühelos zu erkennen.

      Auch Pietro Guglielmi, der Vater (1727–1804), gehört in diese Reihe90 und zugleich zu den Meistern, die, in der Buffooper besonders stark, verschiedene von deren Stilelementen auch auf die opera

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