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      Sie bilden den Grundstock des ganzen Satzes, in dessen Verlauf nach altem Brauche einzelne Begriffe wie "timentibus, fecit potentiam, dispersit, humiles" besonders hervorgehoben werden. Das Streben nach einheitlicher Gestaltung ist nicht minder deutlich als in den Messen. Nur die Doxologie wird in beiden Sätzen selbständig behandelt, und zwar in je zwei Abschnitten, von denen das Gloria frei kontrapunktisch, das "Et in saecula" dagegen als strenges Fugato verläuft. Beide Male wird das Hauptthema straff festgehalten und kehrt ohne Zwischengedanken immer wieder, das zweitemal gefolgt von einer prachtvollen, plagalen Coda. Hervorzuheben ist endlich auch der merkwürdig belegte Ton der beiden Gloria-Sätze.

      Überragt aber werden die sämtlichen Kirchenkompositionen mit Ausnahme einiger Teile der F-Dur-Messe von der Motette Misericordias Domini (K.-V. 222, S. III. 25). Das Stück ist schon sehr verschieden beurteilt worden. Padre Martini, der es zuerst von Mozart zugesandt erhielt, gab ihm (Sept. 1776) das Zeugnis, er finde darin alles, was die moderne Musik verlange: gute Harmonie, reiche Modulation, mäßige Bewegung in den Violinen, natürliche und gute Stimmführung, und wünschte dem Komponisten Glück zu diesem Fortschritt. Freilich liegt ein merklicher Vorbehalt in der Betonung der "modernen Musik", der Padre Martini als Anhänger des älteren Ideals kritisch gegenüberstand69. Später wurde das Werk ebenso einseitig von Ulibischeff gepriesen70, wie von Thibaut wegen seines unbefriedigenden Stimmungsgegensatzes getadelt71, bis Jahn wieder warm dafür eintrat72. Thibauts Ansicht, Mozart hätte entweder das "misericordias Domini" oder das "cantabo in aeternum", nicht aber beides zum Grundgedanken seiner Komposition nehmen sollen, verkennt in grober Schulmeisterei das schöne Vorrecht des Musikers, getrennte Gedanken durch seine Kunst psychologisch zu verbinden. Gerade Mozarts Komposition ist ein geniales Beispiel dafür. Wohl hebt er die Worte "misericordias Domini" in lapidarem, homophonem Satz in immer wieder neuen, ernsten und düsteren Harmonien hervor, wie gebannt von dem Bild des Gekreuzigten, während das "cantabo" ihm in freier Kontrapunktik und schweifender Melismatik gegenübertritt. Aber über diesem bewegten Ausdruck der Dankbarkeit wird nie deren Anlaß vergessen, immer wieder erinnern bange Harmonien, scharfe Dissonanzen und chromatische Stimmführung daran, daß der Menschheit Erlösung um den Preis von Christi Kreuzestod erkauft ist, man denke nur z.B. an die beiden lastenden Orgelpunkte kurz vor dem Schluß. Für unbegrenzten Jubel hätten gerade einem bei den Neapolitanern groß gewordenen Künstler ganz andere Töne zur Verfügung gestanden. So ist dieses Stück, obwohl es in seinem bewußten, aber nie aufdringlichen Aufwand an Kontrapunktik73 den Charakter einer Probearbeit trägt, doch ein eigentümliches Beispiel für Mozarts selbständige und vertiefte Textauffassung.

      Von den Sinfonien dieser Zeit heben sich die in C-, D-, B- und Es-Dur (K.-V. 162, 181, 182, 184, S. VIII. 22–24, 26) schon durch ihre Dreisätzigkeit74 als eine besondere Gruppe heraus. Auch der italienische Ouvertürenton ihrer Hauptthemen, einzelne melodische Ähnlichkeiten untereinander, namentlich aber der eigentümliche Bau ihrer ersten Sätze läßt sie als zusammengehörig erscheinen. Äußerlich kennzeichnet er sich durch das Fehlen der Repetitionszeichen, innerlich durch den Mangel jeder Durchführungsarbeit im deutschen Sinn, an deren Stelle vielmehr die einfache Transposition der Hauptgedanken in verwandte Tonarten nach altem italienischem Brauche tritt. Da wir nun von der D-Dur-Sinfonie die Entstehungszeit, Mai 1773, kennen, so werden die übrigen ohne Zweifel in derselben Zeit, zwischen der Rückkehr von der italienischen und dem Antritt der Wiener Reise entstanden sein75.

      Indessen fehlen trotz der erneuten Anlehnung an die Italiener auch die deutschen Züge nicht, wie die individuellere, vom Konzert beeinflußte Orchesterbehandlung und die wienerisch angehauchten Mittelsätze der D- und C-Dur-Sinfonie zeigen. Das Reizvollste ist jedoch der persönliche, leidenschaftliche Ton, der von den Violinsonaten her noch in der Es-, schwächer auch in der D-Dur-Sinfonie nachwirkt. Die Es-Dur-Sinfonie bringt gleich im vierten Takt mit dem E des Streichorchesters und der Fagotte in den festlichen Ouvertürenton einen finsteren Zug hinein, der sich im folgenden durch die gewaltigen Unisonogänge bis zum Erschreckenden steigert, auch die unruhige Hast des Seitenthemas bringt keine Befreiung. Die Krone der Sinfonie ist aber das durch einen Übergang voll unheimlicher Spannung eingeführte c-Moll-Andante, das sich nach italienischer Art auf einem kurzen, imitatorisch geführten Motiv aufbaut, aber in seinem den Schmerz bis zur Verzweiflung steigernden Stimmungsgehalt die Grenzen der Gesellschaftsmusik weit hinter sich läßt. Die Bläser begleiten teils in schweren, lastenden Akkorden auf dem schlechten Taktteil, teils greifen sie selbständig in die Entwicklung ein; die erste Geige aber hat bereits die sprechenden, halb rezitativischen kleinen Soli des späteren Mozart. Das durch einen unerwarteten, ganz kurz angebundenen Bläsersatz eingeführte Finale gibt zwar froheren Gedanken Raum, jedoch ohne die Kampfgeister ganz zum Schweigen zu bringen. So verbindet diese Sinfonie ihrer Stimmung nach die sechs Violinsonaten mit der folgenden g-Moll-Sinfonie (K.-V. 183). Diese gehört einer Gruppe an, von der wiederum freilich nur ein einziges Werk, die D-Dur-Sinfonie (K.-V. 202, S. VIII. 30) sicher datiert ist (5. Mai 1774); indessen weisen die übrigen in g-Moll, G-, C-und A-Dur (K.-V. 183, 199–201. S. VIII. 25, 27–29) soviel Form- und Stilähnlichkeiten mit jener auf, daß man sie nicht ohne Grund ebenfalls in die Zeit zwischen die Wiener und die Münchener Reise setzen darf76. Von ihren Vorgängerinnen unterscheiden sich diese Sinfonien äußerlich durch die Wiedereinführung des Menuetts, innerlich aber durch einen ganz entschiedenen Zug ins Große, Heroische, hinter dem man wohl nicht mit Unrecht den Niederschlag der Wiener Eindrücke zu erblicken hat. Die äußeren Dimensionen gehen mächtig in die Breite: die Durchführungen verlieren ihren bloß überleitenden Charakter, sie sind zwar noch nicht streng thematisch wie bei J. Haydn, sondern bevorzugen noch das sequenzenartige Weiterspinnen der Hauptthemen, aber es geschieht nicht mehr in dem gefälligen Plauderton der Italiener, sondern mit einer merkwürdigen, oft leidenschaftlichen Energie, die ihr Ziel fest im Auge behält und es schließlich auf echt Mozartsche Weise, nämlich mit allerhand poetischen Überraschungen, zu erreichen versteht77. Ferner haben alle diese Sätze nach M. Haydns Vorgang eine größere Coda. Auch im Innern herrscht größerer Schwung: die Themen sind bedeutender und ihre Verarbeitung geht, dank der gesteigerten Rolle des Kontrapunkts und der thematisch selbständigen Bläser, weit mehr in die Tiefe. Das Streben nach einem ideellen Zusammenschluß der vier Sätze macht sich besonders in den beiden bedeutendsten Sinfonien, in g-Moll und A-Dur78, bemerklich, während die D-Dur-Sinfonie gerade hierin merklich nachläßt, wie sie überhaupt, offenbar um des Erzbischofs willen, wieder in den Kreis der gewöhnlichen, galanten Unterhaltungsmusik zurückkehrt. Jene beiden aber stellen der Vielseitigkeit von Mozarts Phantasie ein glänzendes Zeugnis aus. Die in A-Dur (K.-V. 201) atmet durchaus kraftvolle Lebensfreude, der im Andante auch der Humor und im Finale die Natureindrücke nicht fehlen, die in g-Moll (K.-V. 183) dagegen, das bedeutendste sinfonische Werk Mozarts auf lange Zeit hinaus, stellt den Höhepunkt jener leidenschaftlichen, pessimistischen Stimmung dar, die seit dem "Lucio Silla" in Mozart immer wieder zum Ausbruch kommt, sie ist außerdem denkwürdig wegen der auffallenden Verwandtschaft mit der großen g-Moll- aus dem Jahre 1788 (K.-V. 550), nicht allein in der gesamten Haltung, sondern auch in einzelnen Motiven79. Schon das von den Oboen angestimmte und von den Streichern in echt Mozartschen, trotzigen Synkopen begleitete Thema

      führt uns einen Seelenzustand voll wilder Gärung vor, gemischt aus Trotz und Hoffnungslosigkeit, den auch die beiden, musikalisch freilich nicht gleich bedeutend erfundenen Nebengedanken nicht zu bannen vermögen. Der erste, der nach einem ratlosen Halbschluß auf D mit erneutem Kraftaufwand in B-Dur einsetzt und auf dem italienischen Schleifermotiv kurz abreißt80, ist wegen der abermals auftauchenden Synkopen und des an Gluck gemahnenden dröhnenden Rhythmus in den vier Hörnern wichtig, und auch beim eigentlichen Seitenthema liegt der Schwerpunkt mehr auf dem unruhig pochenden Baß und der Synkopenbegleitung als auf der trotz ihrer Verzierungen nicht eben sehr originellen Melodie. Dagegen sind alle Zwischengruppen voll des persönlichsten, leidenschaftlichsten Ausdruckes und außerdem von jeder Schablone frei. Die Durchführung versucht zunächst in einer kanonisch gehaltenen,

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