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Coda des Satzes endet in einem letzten Ausbruch des Schmerzes auf einem neuen, trauermarschähnlichen Rhythmus. Das Andante ist von derselben inneren Unruhe erfüllt; es äußert sie zwar weniger laut und trotzig, aber dafür um so grüblerischer; zuversichtlichere Gedanken kommen kaum zum Wort82. Das Menuett nimmt, wie in dem Werk von 1788, den Kampf wieder offen auf; charakteristisch ist auch hier der beständige Wechsel zwischen trotzigem Ansturm und verzagtem Zurücksinken; das nach Serenadenart nur von Bläsern gespielte Trio ist der einzige Satz der Sinfonie, der ein rührendes Bild von Glück und Frieden hervorzaubert, freilich verklingt es rasch wie ein schöner Traum. Denn gleich im Hauptthema des letzten Satzes schleicht der alte, verbissene Groll tigerartig wieder heran, nur noch unheimlicher als im ersten, mit dem dieser Teil sowohl die gigantischen Unisoni als die wilden Synkopen gemein hat. Die grimmige Lustigkeit des Finales von 1788 fehlt ihm. Das ist ein beständiges Gären und Brodeln der Leidenschaft, das sich bald in verzweifelter Anklage gegen das Schicksal, bald in selbstquälerischer Klage äußert, man beachte z.B. nur einmal die Durchführung, wo dem zyklopenhaften Spiel der Bässe mit dem unscheinbaren, vorangehenden Schlußgedanken eine ganz merkwürdige Stelle folgt: über einem schrillen Oktavengeflimmer der Geigen ein drängender, schmerzlicher Gesang der Bässe, gefolgt von einer trotzig polternden Achtelfigur, die einen vollen Ausbruch auf der Dominante von g-Moll mit Synkopen herbeiführt. Aber damit ist die Reprise noch nicht erreicht, vielmehr erscheinen noch zwei müde herabsinkende Takte der ersten Violinen:

      ein ganz ausgesprochener Mozartscher Rückgang, wie denn überhaupt derartige Solostellen, die halb wie ein Rezitativ klingen, in diesem Satze noch öfter wiederkehren, so z.B. am Ende der Themengruppe. Die Coda scheint das Spiel der Durchführung erneuern zu wollen, aber schon im dritten Takt rieselt es in den Geigen wie ein kalter Schauer herab, ein paar trotzige, unbändige Unisoni, und die Sinfonie schließt ebenso finster und wild ab, wie sie begonnen hat. Wohl möglich, daß Mozart dieses Selbstbekenntnis, das weder mit der damaligen Gesellschaftskunst mehr etwas gemein hat, noch aber auch die befreiende Luft der Haydnschen, geschweige denn der Beethovenschen Finales kennt, in einer trüben Stunde geschrieben hat, da ihn das Bewußtsein seiner beengenden Lage in Salzburg plötzlich übermannte, möglich auch, daß ihm der Erzbischof, dessen Musikanschauung ein derartiges Verlassen des "guten Anstandes" unmöglich gutheißen konnte, daraufhin Vorhaltungen gemacht hat. Jedenfalls hielt Mozart zunächst mit solchen elementaren Äußerungen seines Temperaments zurück und schloß sich wieder dem Herkommen an; der Konflikt war fürs erste beschworen.

      Von Divertimenti aus dieser Zeit ist zunächst die D-Dur-Serenade (K.-V. 185, S. IX. 5) zu nennen, die zur Hochzeit des jungen Andretter, des Sohnes des Hofkriegsrates in Salzburg, geschrieben und in den ersten Augusttagen 1773 dort aufgeführt wurde83. Aller Wahrscheinlichkeit gehört dazu noch der Marsch (K.-V. 189, S.X. 1), unter dessen Klängen die Spieler nach altem Brauch84 auf- und am Schlusse wieder abzogen, ein würdevolles Andante in Sonatenform, dem hohen Rang der Respektsperson durchaus angemessen. Die Serenade hat sieben Sätze; die Instrumentation der Hauptsätze weist Streicher, Oboen, Hörner und die feierlichen Trompeten auf, statt der Oboen erscheinen im vierten und fünften Satz Flöten, der zweite und dritte sind konzertartige Sätze für eine Solovioline. In Bau und Thematik ist der Einfluß J. Haydns ganz unverkennbar, er zeigt sich namentlich in der dominierenden Stellung der ersten Themen in den Themengruppen, aber auch in den ausführlichen, meist thematisch gehaltenen Durchführungen; selbst den echten Haydnschen Witz, dem Zuhörer durch das plötzliche Auftauchen des Hauptthemas in der Durchführung eine verfrühte Reprise vorzutäuschen, hat Mozart im fünften und siebenten Satz nachgemacht. Ebenso weisen die geistvolle Bläserbehandlung, die straffe Rhythmik der Menuette sowie die Melodik des zweiten Andantes und des Finales auf Haydn hin. Die beiden Sätze mit der Sologeige stehen durchaus im Zeichen des Konzerts, der zweite ist ein Rondo, worin der Hauptgedanke dem Tutti, die Nebengedanken aber dem Solisten übertragen sind. Das Ganze ist richtige Serenadenmusik von ausgesprochen festlichem und ritterlichem Gepräge. Tiefere Töne brechen nur in der langsamen Einleitung des Finales hindurch85; dieses selbst schließt mit einem gewaltigen Crescendo und rauschenden Fanfarenklängen ab.

      Auch das Divertimento in D-Dur für Violine, Viola, Fagott, Baß und zwei Hörner (K.-V. 205, S. IX. 21) und die D-Dur-Serenade für Streichquartett, 2 Oboen (2 Flöten), Fagott, 2 Hörner und 2 Trompeten (K.-V. 203, S. IX. 6) gehören wahrscheinlich in diese Zeit86. Während jenes den harmlos-fröhlichen Ton der Wiener Straßenmusik festhält und außerdem nicht nur im Formenbau, sondern auch in den Motiven J. Haydn auffallend kopiert, nimmt diese einen höheren Schwung, der sich namentlich in den langsamen Sätzen äußert. Das G-Dur-Andante ist einer der poetischsten Serenadensätze Mozarts überhaupt, und seine Coda mit der ganz neuen, in die Unterdominante herabsinkenden zarten Oboenmelodie steht den zauberhaften Epilogen späterer Andantes in nichts nach87. Auch die dreisätzige Konzertepisode des zweiten bis vierten Satzes mit der virtuos behandelten Solovioline gehört zu den Glanzpartien des Werkes. Im Bau den entsprechenden Sätzen der Andretterserenade verwandt, hat sie doch größere, an die eigentlichen Konzerte gemahnende Maße, und besonders im Andante weist der breit hinströmende, von Ausdruck überquellende Gesang der Sologeige auf die späteren Violinkonzerte hin. Der lockerste Satz der Serenade, das Finale, erinnert mit seinem Hauptthema und dessen Crescendoanlauf an gewisse Mannheimer Schlußsätze.

      In diesen beiden Stücken zeigt sich bereits ein hervorragendes Verständnis für die Eigenart der Violine. Seit frühester Jugend hatte Mozart neben dem Klavier die Geige besonders bevorzugt88 und sich darauf auch während der ersten Kunstreise und zu Anfang der ersten italienischen Reise als Solist hören lassen. In Rom hatte er indessen nicht mehr öffentlich gespielt, wenn er auch sein Studium regelmäßig fortsetzte. In Salzburg mußte er von Amts wegen in den Hofkonzerten als Geiger mitwirken; 1773 fand es der Vater keck von ihm, daß er sich bei den Theatinern eine Geige geben ließ und ein Konzert darauf vortrug89. Seit der Zeit warf er sich aber mit mehr Nachdruck auf das Violinspiel und bildete sich auch hier zum Virtuosen aus, freilich mehr auf Antrieb des Vaters als aus innerer Neigung. Denn so wie ihm das Violinspielen bei Hofe eine Last war, scheint er auch wenig Trieb zum Geigen und kein rechtes Vertrauen in seine Leistungen gehabt zu haben. "Du weißt selbst nicht, wie gut Du Violin spielst", schreibt ihm der Vater (18. Oktober 1777)90, "wenn Du nur Dir Ehre geben und mit Figur, Herzhaftigkeit und Geist spielen willst, ja, so, als wärst Du der erste Violinspieler in Europa". Trotzdem übte er sich regelmäßig und mit Fleiß, so daß der Vater ihm nach seiner Abreise schrieb (6. Oktober 1777)91: "So oft ich nach Hause gehe, wandelt mir eine kleine Melankoly zu, denn wann ich mich unserem Hause nähere, glaube ich immer, ich müsse Dich Violin spielen hören." Seit dem Jahre 1773 tritt auch in den Kompositionen für die Violine immer mehr der Charakter der Bravour hervor; sie geben den Maßstab für die technischen Fortschritte Mozarts ab. Sein Hauptnebenbuhler war der als Sologeiger angestellte Brunetti, aber auch dieser ließ ihm alle Ehre widerfahren. "Brunetti lobt Dich nun erschrecklich", schreibt der Vater (9. Oktober 1777)92, "und da ich letzthin sagte, Du spieltest doch auch passabilmente die Violin, schrie er laut: Cosa? Cazo! se suonava tutto! questo era del Principe un puntiglio mal inteso, col suo proprio danno".

      Nach seiner Abreise von Salzburg im September 1777 ließ sich Mozart in München und Augsburg auch auf der Violine hören, und wieder berichtet er ironisch über seine Erfolge aus München: "Da schauete alles groß drein. Ich spielte, als wenn ich der größte Geiger in ganz Europa wäre" (6. Oktober 1777)93, und aus Augsburg: "Ich machte eine Sinfonie und spielte auf der Violin das Konzert ex B vom Vanhall, mit allgemeinem applauso ... auf die Nacht beim soupée spielte ich das Straßburger Konzert. Es ging wie Öl. Alles lobte den schönen reinen Ton" (24. Oktober 1777)94. Später hören diese Nachrichten auf, der Vater schreibt mit Bekümmernis (9. Oktober 1777)95: "Du wirst wohl auf der Violin, so lange Du in München warst, Dich gar nicht geübt haben? Das wäre mir sehr leid", und etwas später (27. November 1777)96: "Die Violin hängt am Nagel, das bilde [ich] mir schon ein." So wird es auch gewesen sein. In Salzburg mußte er nachher wieder die Violine spielen; seitdem er sich aber in Wien aufhielt, hat er sich als Virtuose auf diesem Instrument nie mehr hören

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