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hoch erhaben. Sie allein macht ihn des großen Sohnes wert. In seinem wechselvollen Leben hatte er gelernt, was die strenge Arbeit an sich selbst dem Menschen bedeutet. Sie sollte auch des Sohnes Leitstern werden: "die größte Kunst ist sich selbst kennen zu lernen, und dann, mein lieber Sohn, mache es wie ich, und studiere andere Leute recht kennen zu lernen"34. Wolfgangs bester Lehrmeister war auch hier das lebendige Beispiel des Vaters, der über dem Selbstbewußtsein niemals die Selbstdisziplin vergaß. Sein Ziel war das aller Väter, die sich mühevoll selbst in die Höhe gearbeitet haben: der Sohn sollte es besser haben als er selbst, er sollte eine seines Talentes würdige Stellung in der Welt erringen. Als einzigen Weg dazu hat er ihm aber von allem Anfang an die Arbeit gewiesen. Je größer das Genie, desto größer die Verantwortung vor Gott und den Menschen, desto strenger die Pflicht, mit dem anvertrauten Pfunde zu wuchern – diesen Wahlspruch hat er dem Sohne so lange vorgehalten, bis er ihm völlig in Fleisch und Blut überging.

      Was er selbst tun konnte, ihm die Pfade zu ebnen, tat er mit der gewohnten klaren Umsicht und zähen Leidenschaftlichkeit. Seine Art hatte dabei nicht selten etwas Gewalttätiges, Autokratisches, das durchaus nicht immer zum Segen für seine Kinder ausschlug. So hat er z.B. auf ihren Reisen Anforderungen an ihre Gesundheit gestellt, denen sie, wie ihre auffallend häufigen Krankheiten zeigen, einfach nicht gewachsen waren. Aber auch die Rücksicht auf den gemeinen Nutzen spielt in seiner Erziehung eine große Rolle. Daß er auf materiellen Gewinn für sich und seine Kinder eifrig bedacht war, kann ihm angesichts der kümmerlichen Salzburger Verhältnisse gewiß nicht verübelt werden, so wenig wie die unterwürfige Miene, die er aller sonstigen Menschenverachtung zum Trotz hochmögenden Herrschaften gegenüber anzunehmen liebte. Dergleichen war in der ganzen sozialen Lage des damaligen Musikerstandes nur allzu tief begründet. Weniger angenehm berührt dagegen der aufdringliche, mitunter marktschreierische Ton, mit dem er seine Kinder dem Publikum als "Wunder der Natur" anzupreisen pflegte; auch das Alter des Sohnes setzte er dabei gerne um ein Jahr herab. In solchen Fällen nahm sein brennender Ehrgeiz, der um des Ruhmes seiner Kinder willen vor keinem Mittel zurückscheute, manchmal geradezu bizarre Formen an. Auch in künstlerischer Beziehung hat sein praktischer Sinn in Verbindung mit allerhand persönlichen Abneigungen dem Sohne mitunter entschiedenen Nachteil gebracht. Sein Kunstgeschmack hatte etwas Demagogisches, er erblickte das Heil des Sohnes im engsten Anschluß an den herrschenden Modegeschmack, ans "Populare", wie er sich auszudrücken pflegte. Hier lagen seine Grenzen auch auf künstlerischem Gebiete, und Wolfgang ist dadurch in einzelne Richtungen gedrängt worden, denen er sich später entweder nur mit großer Mühe oder überhaupt nicht mehr zu entziehen vermochte.

      So ist L. Mozart zwar kein Heiliger gewesen, aber auch kein öder Philister, sondern eine starke, achtunggebietende Persönlichkeit, in seinem ganzen Wesen ein echter Jünger der Aufklärung, und von diesem Standpunkt allein wollen seine Vorzüge wie seine Schwächen beurteilt werden. Aus diesen Schwächen aber nach beliebter moderner Art ein Martyrium des Sohnes abzuleiten, ist empfindsamer Dilettantismus. Denn außer dem schönsten Erbteil, das dieser von seinem Vater überkam, dem lebendigen Vorbild eines starken, durch Selbstzucht und Pflichttreue gefestigten Charakters, bekam er von ihm noch eine ernste und hohe Kunstauffassung auf den Lebensweg mit. Dem Verfasser der Violinschule wird man es doch ohne weiteres zutrauen, daß er seine Kinder nicht bloß zu Handwerkern erzog. Sein geistiger Gesichtskreis ging weit über den des bloßen Musikantentums hinaus, er umfaßte Politik, Geschichte, Philosophie, Literatur und Kunst. Gewiß war er als echter Rationalist gewaltig stolz auf sein Wissen, aber es war ihm auch heiliger Ernst damit. Sein Verhältnis zu Gellert beweist es. Es drängte ihn, den strenggläubigen Katholiken, dem Dichter der protestantischen Aufklärung seine Verehrung zu bezeugen, und er erhielt daraufhin folgende Antwort35:

       Ich müßte sehr unempfindlich sein, wenn mich die außerordentliche Gewogenheit, mit der Sie mich ehren, nicht hätte rühren sollen; und ich würde der undankbarste Mann sein, wenn ich Ihren so freundschaftlichen Brief ohne Erkenntlichkeit hätte lesen können. Nein, mein werthester Herr, ich nehme Ihre Liebe und Ihre Freundschaft mit eben der Aufrichtigkeit an, mit der Sie mir sie anbieten. – Also Sie lesen meine Schriften gern, hochzuverehrender Herr, und ermuntern auch Ihre Freunde, sie zu lesen? Diese Belohnung, wie ich Ihnen aufrichtig sage, habe ich von dem Orte, aus dem ich sie erhalte, ohne Eigenliebe kaum hoffen dürfen. – Hat der Christ, eins von meinen letzten Gedichten, auch Ihren Beifall? Ich beantworte mir diese Frage beinahe mit Ja. Sein Inhalt, Ihr edler Charakter, den Sie, ohne es zu wissen, in Ihrem Briefe mir entworfen haben, und meine redliche Absicht, scheinen mir dieses Ja zu erlauben.

      Vielleicht war der Brief die Folge des Geschenkes Gellertscher Lieder, das Baron von Bose in Paris dem siebenjährigen Mozart machte mit der Aufforderung, sie zu komponieren, "damit sie der fühllose Religionsverächter lese und aufmerke, damit er sie höre und niederfalle und Gott anbete". Später berichtet Wolfgang der Schwester von Mailand aus den Tod des Dichters36. Man lese ferner in L. Mozarts Briefen nur die zahlreichen Stellen, die von Politik, Kriegsgeschichte, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen handeln, und man wird erkennen, daß es für Wolfgang auch außerhalb der Musik noch mancherlei Dinge zu lernen gab, die andern Musikerkindern zeitlebens verschlossen blieben. L. Mozart ist – "nehmt Alles nur in Allem" – wirklich nicht unwürdig gewesen, eines großen Künstlers Vater zu sein.

      Als er gegen Ende seines Lebens seine Kunst gewissermaßen selbst einsargte, gab er damit den Anlaß zu jenem geringschätzigen Urteil über sie, das seit Schubart37 bis in unsere Tage hinein im Schwange geblieben ist. Indessen sollte uns doch sein hohes Ansehen bei den Zeitgenossen einigermaßen stutzig machen. In neuerer Zeit ist denn auch mit Glück versucht worden, seinen Werken historisch und künstlerisch besser gerecht zu werden.38 Hängt doch mit dieser Frage die nicht minder wichtige nach dem künstlerischen Einfluß des Vaters auf den Sohn aufs engste zusammen.

      Die Zahl der Werke L. Mozarts39 ist recht erheblich. Sie umfaßt neben verschiedenen Messen, Litaneien und anderen geistlichen Kompositionen größeren oder geringeren Umfangs eine stattliche Reihe von Sinfonien, zu denen auch die programmatischen Gelegenheitsstücke gehören, Konzerte, Divertimenti und Klavierwerke; auch von "theatralischen Sachen" ist in seinem Bericht die Rede40. Erhalten sind von alledem nur etwa schwache zwei Drittel, aber schon die in letzter Zeit im Neudruck vorgelegte Auswahl genügt, um auch den Laien einen Begriff von den Fähigkeiten des Mannes zu geben.

      Was die Kirchenmusik betrifft, so wird es allerdings bei dem bisherigen Urteil, daß sie zwar den geschulten und sattelfesten Musiker verrate, aber der schöpferischen Erfindung entbehre, sein Bewenden haben müssen. Ja noch mehr: ganze Sätze sind im Tone gänzlich vergriffen, sind heiter und tändelnd, wo der Text Ernst und Würde erfordert hätte, andere sind, der uns von Wolfgang überlieferten Bestimmung des Hofes gemäß, daß die ganze Kirchenmusik höchstens drei Viertelstunden dauern dürfe41, nur sehr kurz ausgeführt und aus diesem Grunde nicht imstande, ihren Texten voll gerecht zu werden. Freilich darf dabei nicht übersehen werden, daß der größte Teil dieser Schwächen nicht auf L. Mozarts eigene Rechnung gehört, sondern der gesamten damaligen Kirchenmusik anhaftet, ein Umstand, der auch Wolfgangs Stellung zu der Kirchenmusik des Vaters einigermaßen erklärt42. Immerhin gewähren uns diese Werke einen lehrreichen Einblick in den Geist der damaligen Salzburger Kirchenmusik, in dem auch der junge Wolfgang aufgewachsen ist; manche davon gestatten außerdem fruchtbare Vergleiche mit Kompositionen des Sohnes, denen dieselben Texte zugrunde liegen.

      Ganz anders liegen die Dinge dagegen bei dem größten Teil von L. Mozarts Instrumentalmusik43. Hier, wo ihn kein Zwang äußerer Verhältnisse beengte, hatte sein Talent freie Bahn, und von seiner Eigentümlichkeit legen gleich die drei erhaltenen Klaviersonaten ein vollgültiges Zeugnis ab44.

      Der Vergleich mit Ph. E. Bach ist freilich nur bedingt richtig; vor allem paßt er nicht auf Mozarts Durchführungen, die sich, weit entfernt von Bachs thematischer Arbeit, auf die altmodische Art der Transposition und der bei ihm besonders beliebten Sequenzenketten beschränken45. Dagegen gemahnt an den norddeutschen Meister der Zug ins Ernste und Große, sowie besonders auch das Bestreben, die ersten Allegros in ihrem Gedankengehalt zu einer straffen Einheit zusammenzufassen: nur die dritte Sonate hat ein gegensätzliches Seitenthema,

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