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Sandra. »Mein kleiner Schatz, jetzt gibt’s das Fläschchen. Dann wirst du gesäubert und frisch gewickelt. Wollen Sie solange hinausgehen, Durchlaucht?«

      »Aber wo werde ich denn. Es ist eine Weile her, seit ich ein Kind gewickelt habe, aber ich habe nicht vergessen, wie man das macht. Die Kleine ist zu süß. Hat noch kein Zähnchen und lacht wie die Sonne.«

      Fürstin Claudia spielte mit Bettina, während Sandra das Fläschchen bereitete. Die Fürstin schüttelte die Rassel, Bettina griff tapsig danach.

      Um die verletzte Schulter hatte Fürstin Claudia noch einen Stützverband. Sie trug den rechten Arm in einer Schlinge. Als sie dem Baby die Linke entgegenstreckte, gluckste Bettina und packte den ringgeschmückten Mittelfinger der Fürstin mit ihren Händchen.

      Dabei fiel Fürstin Claudia etwas auf. Sie schaute sich Bettinas Fingerchen genauer an.

      »Bettinas kleine Finger sind krumm«, sagte sie, als Sandra mit der Babyflasche kam. »Ist Ihnen das schon aufgefallen?«

      »Natürlich.«

      »Das ist ein Familienmerkmal der Falkenaus.« Die Fürstin sah Sandra in die Augen. »Jeweils das älteste Kind hat es, eine genetische Besonderheit.«

      »So ein Merkmal ist zwar äußerst selten«, antwortete Sandra, »aber es gibt auch noch andere Menschen als die Fürsten von Falkenau, die es haben.«

      Sie gab Bettina die Flasche. Das Baby trank hungrig.

      »Nicht so schnell«, ermahnte es Sandra. »Niemand nimmt dir etwas weg.«

      Fürstin Claudia ließ sich nicht beirren.

      »Wenn Gunter der Vater der kleinen Bettina wäre, wäre es ganz natürlich, daß sie die Verwachsung an den kleinen Fingern hat. Ich finde es äußerst seltsam, daß Ihr Kind das Falkenau-Erbmerkmal aufweist, Frau Dr. Richter, während Sie behaupten, Gunter sei nicht der Vater.«

      Sandra blickte sie zornig an.

      »Durchlaucht, wer der Vater meines Kindes ist, ist ganz allein meine Angelegenheit. Ich brauche von den Falkenaus nichts, ich will auch nichts haben. Wenn ich gesagt habe, daß Gunter nicht Bettinas Vater ist, dann ist das verbindlich. Jetzt möchte ich über diesen Punkt nicht weiter reden, oder ich muß Sie bitten zu gehen.«

      Fürstin Claudia war eine stolze Frau. Aber sie besaß auch Charakter. Zudem entzückte sie das Kind. Sie senkte den Kopf.

      »Wie Sie meinen, Frau Dr. Richter.« Zögernd fügte sie hinzu: »Vielleicht bin ich damals zu abweisend gewesen, als Gunter von Ihnen erzählte. Ich kannte Sie noch nicht persönlich.«

      »Sie hätten mich kennenlernen können.«

      Bettina trank langsamer, nachdem sie den ersten Hunger gestillt hatte. Sandra versorgte anschlie­ßend ihr Kleines. Dann legte sie es ins Bettchen.

      »So, Süßes, jetzt bist du wieder frisch und sauber. Gleich geht Mami mit dir spazieren.«

      Das war ein Hinweis für die Fürstin, den Besuch zu beenden. San­dra bedankte sich nochmals für den Besuch und die Geschenke und erkundigte sich nach dem Befinden des Fürsten. Dann brach die Fürstin mit ihrem Butler auf. Sandra atmete auf, nachdem die Tür ins Schloß gefallen war.

      »Das war vornehmer Besuch, Bettina. Deine Großmutter, eine echte Fürstin. Aber das weißt du alles noch nicht«, sagte sie zu ihrem Kind.

      *

      Am Abend ließ Fürstin Claudia ihren Sohn zu sich in den Salon kommen.

      »Ich habe heute mein Enkelkind gesehen«, eröffnete sie das Gespräch.

      Gunter fiel aus allen Wolken.

      »Wie bitte? Welches Kind denn?«

      »Das Baby von Dr. Sandra Richter.«

      Gunter wendete sich brüsk ab und schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit hinaus.

      »Ich möchte mit dir über dieses Thema nicht reden, Mutter. Der Vater dieses Kindes ist Dr. René Stanitz, ein Kollege von Sandra. Sie hat es mir selbst gesagt.«

      »Dann muß sie besondere Gründe dafür haben. Ich zweifele die Vaterschaft von Dr. Stanitz an.« Sie erzählte Gunter von ihrem Besuch bei der Ärztin und dem Erbmerkmal des Babys. »Ich fand, daß du das wissen solltest. Es liegt an dir, die Verwirrung zu klären.«

      Gunter verstand seine Mutter nicht.

      »Du hast Sandra tatsächlich aufgesucht? Ich hätte nie gedacht, daß du dich soweit überwinden würdest.«

      Die Fürstin lächelte schwach.

      »Mir ist dabei kein Zacken aus der Krone gebrochen, um bei einem standesgemäßen Vergleich zu bleiben. Dr. Richter hat mir das Leben gerettet.«

      Verwirrt kehrte Gunter in seine Räume zurück. Er schlief wenig in dieser Nacht. Bevor er zu Bett ging, hatte er ein paar Telefonate geführt. Am folgenden Tag wartete er im Park auf Sandra und das Baby. Man hatte ihm bei seinem Anruf in der Klinik gesagt, daß Dr. Richter zwei freie Tage hatte.

      Am späten Vormittag sah Gunter Sandra mit dem Kinderwagen in dem Park, in dem Bettina jeden Tag spazierengefahren wurde. Sein Herz klopfte schneller. Sandra trug ein schickes Frühjahrskostüm. Ihr schönes Haar schimmerte in der Sonne. Es roch frisch und würzig, und der Himmel war blau – ein wunderschöner Frühlingstag!

      Sandra bemerkte Gunter erst, als er aufstand. Sie blieb stehen.

      »Du hier? Was willst du? Zwischen uns gibt es nichts mehr zu besprechen.«

      »Sandra, bitte, auf ein Wort. Lauf nicht weg. Vielleicht habe ich mich wie ein großer Esel benommen, aber du selbst sagtest mir, daß Bettina nicht mein Kind wäre. Das hat mich furchtbar verletzt und getroffen, denn ich habe dich leidenschaftlich geliebt. Ich liebe dich noch.«

      Sandra wollte weitergehen, aber ihre Knie waren zu schwach. Sie sah Gunter an und erkannte, wie sehr er gelitten hatte. Zweifel, die sie bisher immer unterdrückt hatte, stiegen jäh in ihr auf. Die gemeinen Machenschaften des Barons von Balsingen hatten sie damals eingeschüchtert. Sie hatte ihren Bruder vor dem Gefängnis bewahren wollen und sich eingeredet, mit einem vorbestraften Bruder und ohne Adelstitel könnte sie nie mit Gunter glücklich werden.

      Aber war es richtig, auf ihre Liebe zu verzichten und ihrem Kind den Vater vorzuenthalten? Abgesehen von allem anderen.

      Mit schwacher Stimme sagte Sandra: »Du hast dich mit Marion von Balsingen verlobt. Werde glücklich mit ihr. Bitte, geh.«

      Gunter kam noch einen Schritt näher. Er griff nach ihrer Hand. Und plötzlich zog er sie in seine Arme. Sie sagten beide kein Wort.

      Endlich brach Gunter das Schweigen. Er fragte mit rauher Stimme: »Sag es mir ehrlich: ist Bettina mein Kind?«

      Da lehnte sie den Kopf an seine Schulter und flüsterte: »Du bist ihr Vater.«

      Gunter beugte sich gerührt über den Kinderwagen.

      Seine Tochter! Und wie sie lachte! Sie hatte strahlendblaue Augen und dünnes blondes Haar, das unter dem Mützchen hervorsah. Für den Fürsten war Bettina das schönste Baby der Welt.

      Als Gunter sich aufrichtete, lag ein Leuchten auf seinem Gesicht. Er wirkte auf einmal jung und zuversichtlich.

      »Das ist mein Kind, unser Kind! Ich gebe es nicht mehr her!« Er betrachtete Bettinas Hände und die kleinen Finger. »Meine kleine Prinzessin!«

      Sie kehrten in Sandras Wohnung zurück. Dort gestand sie ihm alles. Gunter war über die Niedertracht des Barons Edgar außer sich.

      »Dieser gemeine Schuft!« rief er. »Na, der kann mich kennenlernen! Marion hat davon sicher nichts gewußt. Sie ist von einem anderen Schlag als Baron Edgar. Und Dr. Stanitz habe ich einen Charakterlumpen gescholten. Ich werde mich persönlich bei ihm entschuldigen.«

      »Was ist mir dir und Marion?« fragte Sandra.

      Das Baby spielte friedlich in seiner Wiege.

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