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glücklich gewesen waren, an Kosenamen, die sie sich gaben und die gemeinsamen Zukunftspläne… An den Waldspaziergang, bei dem ihm Sandra gestand, daß sie schwanger war. Sie hat mich schändlich betrogen und hintergangen, dachte er, ich will keinen Gedanken mehr an sie verschwenden.

      Energisch drückte er die Zigarette aus.

      Am Abend fuhr er zu Alexander Karben nach Frankfurt und nach der Vorstellung besuchten sie ein Jazzlokal. Gunter und Alexander hatten beide eine Vorliebe für guten Jazz. Gunter merkte Alexander an, daß er über die Geburt von Sandras Kind Bescheid wußte.

      Aber der Schauspieler sprach nicht darüber. An der Bar des Hotels, in dem Alexander wohnte, nahmen sie noch einen Drink.

      »Ich habe heute erfahren, daß Sandra eine Tochter hat«, sagte Gunter. »Nun ja, warum nicht. Ich erwäge, mich in absehbarer Zeit zu verloben.«

      »Wer ist die Glückliche?«

      »Marion von Balsingen.«

      Das war für Alexander ein Treffer, der ihn zum Schweigen brachte.

      *

      Die Regenzeit hatte begonnen. In diesem Jahr war sie besonders heftig. Señora Pereiras Zustand hatte sich derart verschlechtert, daß ihr Mann mit ihr nach Brasilia in die modernste Klinik des Landes fliegen mußte. Eine Operation sollte ihr helfen, nachdem alles andere versagt hatte.

      Die älteste Tochter der Pereiras begleitete ihre Eltern. Rosangela und die siebzehnjährige Elvira blieben in Rio. Elvira besuchte noch das Lyzeum und hatte vom Hotelbetrieb kaum Ahnung. Rosangela war dem nicht gewachsen, deshalb lag die Hauptlast der Verantwortung auf Franks Schultern. Denn Joao konnte man nicht trauen, Jorge war zu dumm, um den Hotelbetrieb zu leiten, und Ernesto trank.

      Zunächst klappte alles recht gut. Bis die Regenfälle sintflutartige Ausmaße annahmen. Ganze Hügelhänge wurden abgeschwemmt, die Kanalisation schaffte die Wassermassen nicht mehr und verstopfte.

      Die tiefer gelegenen Stadtviertel von Rio standen unter Wasser. Durch ihre Straßen wälzte sich eine trübe, stinkende Brühe. Im Hotel »Bela Vista« gelangte man nur noch mit Gummistiefeln durch die Halle. Die Zimmer im Erdgeschoß waren unbewohnbar. Selbst im am Hang gelegenen Haus der Pereiras stiegen die Abwässer aus der Hauptleitung.

      Frank arbeitete Tag und Nacht, um der Katastrophe Herr zu werden. Als der Regen endlich aufhörte, mußte das Wasser aus den Kellern gepumpt werden. Das Hotelpersonal mußte die Armeetruppe in diesem Revier unterstützen.

      Die Soldaten fackelten nicht. Ein übermüdeter Sachverständiger erklärte das Hotel »Bela Vista« zur einsturzgefährdeten Ruine. Die Soldaten wollten abreißen oder sprengen. Frank und Rosangela fanden mit viel Mühe einen Regierungsbaumeister, dessen Wort mehr galt. Er erschien an Ort und Stelle und sprach dem Sachverständigen jede Fachkenntnis ab. Er erklärte das »Bela Vista« für standfest.

      Er schrieb ein entsprechendes Gutachten, Frank lief damit zu den verantwortlichen Stellen. Das Hotel war gerettet.

      Als Señor Pereira aus Brasilien zurückkehrte – seine Frau hatte die Herzoperation gut überstanden –, erlebte er eine angenehme Überraschung.

      Das Hotel war bis auf den letzten verfügbaren Platz belegt, auch mit den durch die Regenfälle obdachlos gewordenen Menschen. Der Hotelbesitzer umarmte Frank und seine Tochter. Es fiel ihm auf, daß aus Rosangela und dem Alemán ein Paar geworden war. Doch er hatte nichts dagegen einzuwenden.

      »Mutter wird in vier bis sechs Wochen zurückkehren«, sagte er. »Solange muß sie noch in Brasilia in der Klinik bleiben. Sie wird wieder gesund. Die geglückte Operation und die Tatsache, daß unser Hotel noch steht, sind die beiden schönsten Ereignisse meines Lebens.«

      »Vielleicht gibt es bald noch etwas Schönes zu feiern, Vater.«

      Rosangela schaute Frank verliebt an. Er fühlte sich etwas unbehaglich, denn er dachte an den Scherbenhaufen, den er in Deutschland zurückgelassen hatte. Seiner Schwester hatte er bisher nur zwei Postkarten geschickt, knappe Lebenszeichen, die nichts weiter verrieten, weil er sich geschämt hatte, mehr zu schreiben.

      Er wußte noch nicht, wie er sich in Zukunft verhalten sollte.

      *

      Die Überschwemmung hatte noch eine Nebenwirkung. Joao war gleich am ersten Tag, als das Wasser stieg und in Rio der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, einer Polizeistreife in die Arme gelaufen, die nach Plünderern Ausschau hielt. Er war durch sein Benehmen aufgefallen.

      Die Polizisten hatten ihn durchsucht und Rauschgift in seinen Taschen gefunden. Er hatte es aus einem Versteck vor dem Wasser geborgen. Der Rauschgifthandel, von dem im Hotel niemand etwas gewußt hatte, brachte Joao hinter Gitter.

      Für die nächsten Jahre würde er nicht ins »Bela Vista« zurückkehren. Damit war Frank seinen Erzfeind los. Das Glück lächelte ihm endlich wieder. Nicht am Spieltisch! Dort wollte er es auch nie mehr suchen.

      Deutschland war weit. Rosangela bezauberte Frank völlig, er verbannte alle anderen Gedanken. Davon, daß in Deutschland seine Nichte Bettina Nicole zur Welt kam, hatte er keine Ahnung.

      *

      Gunter und Marion ritten durch den Wald. Die Bäume und Felder waren noch kahl. Doch der Frühling meldete sich schon an. Die Sonne strahlte.

      »An der Bergstraße soll es nächste Woche zu blühen beginnen«, sagte Marion. »Dann kommt der Frühling auch zu uns.«

      Gunter nickte. Es fiel ihm schwer, einen Anfang zu finden. Schließlich zügelte er sein Pferd.

      »Bitte, halt an, Marion. Ich möchte mit dir sprechen.«

      Die Baronesse wendete die braune Stute. Im Reitkostüm sah Marion schöner denn je aus. Der frische Windhauch hatte ihre Wangen gerötet. Ihr schwarzes Haar war etwas wirr. Ihre Augen leuchteten.

      »Ja, Gunter?«

      Der Fürst blickte verlegen zu Boden. Endlich sah er Marion in die Augen. Sein männlich-schönes Gesicht gefiel ihr, und in seinen dunkelblauen Augen bemerkte sie Ruhe und innere Stärke. Fürst Gunter hatte schwer gelitten, sein Lebensmut war dadurch aber nicht gebrochen. Er war gereift und erwachsen geworden.

      »Du weißt, daß ich eine schlimme Enttäuschung erlebt habe. Wir wollen nicht über die Einzelheiten reden. Es ist vorbei. Marion, wir kennen uns schon lange. Wir wissen, was wir voneinander zu halten haben. Ich empfinde eine tiefe Zuneigung für dich, und ich hoffe, daß sich meine Gefühl für dich mit der Zeit noch vertiefen werden.«

      Die Baronesse schwieg. Sie lä­chelte nur ein wenig. Die Reitpeitsche in ihrer Hand wippte.

      »Marion, willst du meine Frau werden? Die Fürstin von und zu Falkenau?«

      Marion zögerte, obwohl sie diese Frage immer so glühend herbeigesehnt hatte.

      »Liebst du mich denn, Gunter? Mich als Mensch, meine ich, oder bist du nur der Meinung, daß du dir eine Frau nehmen solltest, und ich bin zufällig dafür am besten geeignet…?«

      »Ich habe dir die Wahrheit über meine Gefühle gesagt, Marion. Liebe ist nur ein Wort. Es wird oft mißbraucht. Unter dem Deckmantel der Liebe geschehen Ungerechtigkeiten und sogar Verbrechen. Ich habe dich sehr gern, als Frau und als Menschen.«

      Da beugte sich Marion herüber und küßte ihn auf den Mund.

      »Ich liebe dich, Gunter, mehr als alles andere auf der Welt. Wie lange habe ich mich danach gesehnt, daß du mir einen Antrag machen würdest. Ja, ich will deine Frau werden, ja, ja, und tausendmal ja.«

      Sie küßten sich lange.

      Später sagte Marion: »Dein Glück geht mir über alles andere.«

      Die Verlobung sollte Mitte April stattfinden, zu Marions vierundzwanzigstem Geburtstag. Das würde ihr schönstes Geschenk sein.

      Nach der Rückkehr ins Schloß hielt Gunter in aller Form bei Baron Edgar um Marions Hand an. Der Baron erhob sich, er hatte mit der Fürstin im Saal am Kamin gesessen.

      Er

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