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an das Kind zu denken.

      Sandra sah jetzt jedoch, wie betroffen die Oberschwester war, es würde noch mehr Gerede in der Klinik geben. Ihre aufgelöste Verlobung mit dem Fürsten von Falkenau hatte eine ganze Zeitlang als Gesprächsstoff hergehalten. Was jetzt kam, war zweifellos noch ärger.

      »Ich werde die Kinder auf die Station zurückbringen«, sagte San­dra. »Anschließend mache ich noch einmal Visite.«

      Sie verabschiedete sich. Mit einer Krankenschwester zusammen führte sie die Kinder auf die Station. Die Runde im Aufenthaltsraum löste sich auf. Außer Sandra hatten noch eine weitere Ärztin und zwei Ärzte ihre Assistenzzeit beendet.

      Professor Rübsam unterhielt sich mit dem Oberarzt von Sandras Station.

      »Dann wird die Kollegin noch vor Jahresende in Mutterschaftsurlaub gehen«, stellte er fest. »Wir müssen uns nach einer Ersatzkraft umsehen.«

      »Das wird schwierig sein«, antwortete der Oberarzt. »Dr. Richter ist kaum zu ersetzen. Trotz ihrer Schwangerschaft hat sie sich bisher nicht geschont und den Wochenend- und Nachtdienst geleistet. Sie hat sogar noch zusätzliche Dienstzeiten übernommen. Eine außerordentliche Frau…«

      *

      Marion von Balsingen stellte den Mantelkragen hoch, als sie aus dem Schloßtor trat. Die Bibliothek hatte gerade geschlossen. Der Wind pfiff, und es regnete. Sie hatte keinen Schirm dabei.

      Die Strecke zur Villa ging sie immer zu Fuß.

      Im ersten Moment erschrak Marion, als ein hochgewachsener Mann auf sie zutrat. Er hatte neben dem Baum an der Parkplatzeinfahrt gestanden, und sie hatte ihn nicht bemerkt.

      »Darf ich dir meinen Schirm anbieten?«

      »Alexander!« rief sie. »Nur zu gern! Ich fürchtete schon, ich würde wie eine gebadete Katze nach Hause kommen. Bist du mit dem Wagen da?«

      »Auf allen vier Rädern, jawohl.« Er reichte ihr einen Blumenstrauß. »Hier, ein kleines Mitbringsel.«

      Auf dem Weg zum Wagen öffnete Marion das Papier. Alexander Karben hatte ihr 15 Baccararosen geschenkt. Wochenlang hatte er nach jenem Mittagessen im Waldrestaurant angerufen und Blumen geschickt. Marion hatte zum Schluß nicht mehr reagiert, im letzten Monat hatte sie nichts mehr von ihm gehört.

      Sie überlegte sich, ob es besser wäre, ohne Alexander und seinen Schirm weiterzugehen. Aber dann wäre sie naß geworden. Außerdem konnte sie vernünftig mit ihm reden. Es gefiel Marion, daß der Schauspieler sie umwarb, neben Fürst Gunter verblaßte er allerdings.

      Marion stieg in Alexanders Sportwagen ein.

      Im Nu waren sie bei der Villa. Alexander nieste, als der Wagen in der Auffahrt hielt. Das Garagentor stand offen, die Garage war leer. Baron Edgar war also fort.

      »Ich habe mir nasse Füße geholt, als ich auf dich wartete«, sagte Alexander. »Womöglich erkälte ich mich.«

      Marion durchschaute den Trick. Das Niesen hatte nicht sehr echt geklungen.

      »Dann muß ich dich wohl zu einem Grog einladen. Sonst fällst du am Ende noch für mehrere Vorstellungen aus. Du hast mit deiner Rolle in dem Büchner-Stück großen Erfolg, Alexander. Ich habe vor drei Wochen in Frankfurt eine Vorstellung besucht. Sie hat mir sehr gefallen.«

      »Warum hast du mich nach der Vorstellung nicht aufgesucht?«

      Marion beantwortete die Frage nicht. Sie gingen ins Haus, wo sie die Rosen in eine Vase stellte. Marion bot Alexander in ihrem Zimmer im Obergeschoß den Grog an. Sie selbst trank Kaffee.

      »Ah, das tut gut.« Der Grog wärmte Alexanders Magen. »Stehst du mir immer noch gleichgültig gegenüber, Marion?«

      »Nein, Alexander, ich mag dich. Wir können Freunde sein, aber nichts anderes. Muß es denn zwischen Männern und Frauen immer nur Sex und Liebe geben? Eine Freundschaft kann viel schöner sein.«

      »Ab siebzig Jahren, sicherlich. Marion, du weißt, was ich für dich empfinde. Bitte, spiel nicht mit mir! Bist du noch immer in Gunter verliebt, diesen Einsiedler von Schloß Falkenau? Das ist er geworden, seit er die Enttäuschung mit Sandra erlebte.«

      »Darüber möchte ich nicht mit dir reden, Alexander. Vielen Dank für die Rosen. Aber schenk mir nächstens bitte keine roten mehr.«

      »Andere Rosen kann ich dir nicht geben. Übrigens, stell dir vor, Sandra Richter erwartet ein Kind.«

      »Woher weißt du das?«

      Es stellte sich heraus, daß Alexander es auf Umwegen erfahren hatte.

      »Merkwürdig«, sagte der Schauspieler. »Ich habe Sandra drei- oder viermal getroffen und gewann einen sehr guten Eindruck von ihr. Sie hält den Namen des Kindesvaters geheim, hörte ich. Ob es wohl Gunter ist?«

      »Nein. Daran ist die Verlobung gescheitert.«

      Alexander war entsetzt.

      »Wie konnte sie ihm das antun? Es ist mir unbegreiflich. Ich hätte so etwas nie von Sandra erwartet. Sie hat Gunter betrogen, und während der Zeit, in der sie mit ihm zusammen war, noch mit einem anderen Mann ein Verhältnis gehabt? Das ist unerhört.«

      »Für dich als Schauspieler sollte ein Dreiecksverhältnis doch nichts Neues sein.«

      »Viele Menschen haben eine ganz falsche Vorstellung vom Künstlerleben. Ich persönlich halte sehr viel von Treue, wenn ich eine Frau wirklich liebe. Es kommt immer auf den Menschen selbst an. Wenn Gunter nicht der Vater von Sandras Kind ist, wer ist es dann?«

      »Frag sie doch, vielleicht sagt sie es dir.«

      Marion mochte die Ärztin nicht, manchmal glaubte sie, daß sie sie haßte. Sie plauderte noch eine Weile mit Alexander. Seine Einladung, mit ihm auszugehen, verschob sie auf unbestimmte Zeit.

      Nachdem sich Alexander verabschiedet hatte, saß er niedergeschlagen in seinem Sportwagen. Er hätte viele Frauen haben können, aber er konnte nur noch an Marion denken. Gerade ihre Zurückhaltung reizte ihn.

      Ich muß sie für mich gewinnen, dachte er, koste es, was es wolle. Er gab Gas und fuhr nach Frankfurt zurück, wo er im Hotel wohnte. Am nächsten Tag suchte er Gunter auf und erwähnte bei ihm Sandras Schwangerschaft.

      Gunters Gesicht versteinerte.

      »Wenn du mein Freund bleiben willst, schweig darüber«, sagte er. »Ich kenne diese Frau nicht mehr und mag nichts von ihr wissen.«

      In diesen Worten lag alles, was es zu sagen gab.

      *

      Sandra wurde nun in der Klinik Anfeindungen ausgesetzt. Es gab Getuschel hinter ihrem Rücken. Sogar von einem Ministerium des Landes, das Träger der Klinik war, wendete man sich an den Chefarzt. Das geschah auf Betreiben von Fürstin Claudia. Sie empfand Sandras Verhalten als eine Kränkung des Hauses Falkenau. Die Fürstin versuchte, sich auf diese Weise zu rächen, Sandra sollte für das bestraft werden, was sie ihrem Sohn angetan hatte.

      Die Anwürfe scheiterten an Professor Rübsam. Mit sechzig Jahren war der Professor, der selber sechs erwachsene Kinder hatte, geneigt, von den Menschen nicht zuviel zu erwarten.

      Er schrieb in seinem Brief an das Ministerium:

      Ich bin kein Moraltheologe, sondern Mediziner. Dr. Sandra Richter hat ausgezeichnete fachliche Qualitäten, ihre Arbeit und ihr Einsatz in der Klinik sind beispielhaft. Eine Schwangerschaft sehe ich als natürliche Entwicklung an, die im Leben einer jungen Frau durchaus eintreten kann. Die privaten Verhältnisse meiner Mitarbeiter haben weder ich noch das Ministerium zu regeln, solange sie nicht den Ablauf der Klinik stören.

      Hochachtungsvoll, Professor Rüb­sam.

      Später bat er Sandra in sein Büro. Es war kurz vor Weihnachten, und Sandra wollte nun ihren Mutterschaftsurlaub antreten.

      Sandra trug ein schickes Umstandskleid. Ihre Augen strahlten, das glänzende dunkle Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefaßt. Ihr Gesicht war schöner

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