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      »Fein siehst du aus, dumm bist du auch nicht. Damit kann man was anfangen.« Mit diesen Worten verabschiedete ihn der Oberkellner Emil Letzel. Weil er wußte, daß Frank durchs Spielen Schwierigkeiten gehabt hatte, fügte er hinzu: »Und geh mir ja nicht mehr zum Roulette, verstehste? Wenn du unbedingt spielen mußt, komm zum Skatdreschen zu mir – der Punkt einen Zehntelpfennig, mehr muß es nicht sein.«

      Frank wäre dem guten Mann am liebsten um den Hals gefallen. Er schüttelte Emil die Hand. Auf der Busfahrt nach Santa Teresa, eingekeilt in der Menge auf der Plattform, dachte Frank an Deutschland und seine Schwester. Er wußte nicht einmal, wie der Baron von Balsingen wegen der unterschlagenen Summe mit ihr verblieben war.

      Immerhin hatte Frank vom Konsulat nichts gehört, es konnte also keine Anzeige erstattet worden sein. Er empfand nagende Schuldgefühle und schwor sich, nie mehr zu spielen, nicht mal Skat, wie ihm Emil empfohlen hatte. Frank traute sich selbst nicht mehr, er konnte es sich nicht leisten, den Spielteufel in sich zu entfesseln.

      Er mußte zuerst einmal versuchen, in Brasilien Fuß zu fassen. Was er als Portier verdiente, reichte allerdings gerade zum Leben. An Rückzahlung war vorerst nicht zu denken.

      *

      Der Sommer war vorbei. Die Wälder um Schloß Falkenau trugen die bunten Farben des Herbstes. Laub raschelte, und der Wind heulte. Gunter vergrub sich immer noch in seine Arbeit. Er ging nicht aus und empfing kaum Besuche von Freunde. Auf Schloß Falkenau wurde der Name Dr. Sandra Richter nicht mehr erwähnt.

      Auch Alexander Karben und die wenigen anderen, die Gunter besuchten, sprachen nicht von der Ärztin. Der Fürst hatte abgenommen, er wirkte älter und ernster. Aber es trat auch ein neuer Wesenszug an ihm zutage, eine Sachlichkeit, die manchmal schon an Härte grenzte.

      Fürstin Claudia konnte ihn nicht mehr um den Finger wickeln. Nach einer spitzen Bemerkung über seinen Mißgriff mit der nichtadeligen Geliebten, hatte Gunter das väterliche Schloß vier Wochen lang gemieden. Von da an unterließ Fürstin Claudia derlei Anspielungen.

      Eines Sonntagnachmittags sa­ßen sie wieder auf der Schloßterrasse beim Tee. Gunter war schweigsam, wie fast immer in der letzten Zeit.

      »Du hast mehrere Einladungen zur Herbstjagd erhalten, Gunter«, sagte die Fürstin. »Wie sieht es mit unserer eigenen Jagd aus? Ich kann sie nicht durchführen.«

      Die Fuchs- und Treibjagd in den Forsten von Falkenau war ein gesellschaftliches Ereignis. Jedes Jahr traf sich hier der Hochadel. Gunter lächelte bitter.

      »Denkst du schon wieder daran, mich zu verheiraten, Mutter?«

      Zur Jagd gehörte ein glanzvoller Ball. Die Töchter des Hochadels gaben sich dabei ein Stelldichein.

      Die Fürstin nippte an ihrem Tee.

      »Ich finde, daß du eine Frau unseres Standes heiraten solltest. Wie lange willst du dich noch verkriechen, Gunter? Du hast eine herbe Enttäuschung erlitten und viel Kummer gehabt, aber die Zeit des Trauerns muß auch einmal vorbei sein. Es ist eine Binsenweisheit, aber sie stimmt: das Leben geht weiter.«

      »Und Adel verpflichtet, wolltest du sicher hinzufügen.«

      »Allerdings. Weil dich eine Frau betrogen hat, kannst du nicht alle verurteilen. Das Leben fordert auch oder gerade einem Fürsten allerhand ab. Du kannst dich nicht in einem Schmollwinkel verkriechen, schau nach vorn, nicht zurück. Du hast deine Erfahrungen gemacht, jetzt weißt du, wohin du gehörst.«

      Fürstin Claudia sprach ohne Vorwurf.

      Nach einer Weile sagte Gunter: »Du hast recht, Mutter. Wir werden die Herbstjagd nicht ausfallen lassen, heute noch lasse ich die Einladungen schreiben. Wie jedes Jahr: der Fürst und die Fürstin von und zu Falkenau geben sich die Ehre… Die Gäste werden kommen. Allerdings, wenn du bei mir mit einer baldigen Heirat rechnest, muß ich dich enttäuschen. Wie steht es übrigens zwischen dir und dem Baron von Balsingen? Er macht dir schon seit längerer Zeit den Hof.«

      »Edgar hat seine angenehmen Seiten. Als Freund des Hauses schätze ich ihn sehr.«

      »Und als Ehemann?«

      »Warum bekümmert dich das so, Gunter? Der Fürstentitel bleibt dir auf jeden Fall. Falls es dich beruhigt, kann ich dir sagen, daß ich eine Heirat zumindest in der nächsten Zeit nicht erwäge. Die Rolle einer Großmutter wäre mir lieber und würde mir auch besser stehen.«

      Gunter überhörte diese neue Anspielung. Er war erleichtert. Baron Edgar mißfiel ihm nach wie vor. Er hatte geradezu einen Abscheu vor ihm, vor seinen aalglatten Manieren und seiner Raffinesse. Auf Marion von Balsingen erstreckte sich diese Abneigung nicht.

      Gunter fragte sich öfter, wie ein so nettes, natürliches Mädchen mit einem Menschen wie Baron Edgar verwandt sein und unter einem Dach leben konnte. Gunter stand auf.

      »Du entschuldigst mich jetzt, Mutter, ich muß mich um die Einladungen kümmern.«

      »Geh nur.«

      Lächelnd schaute die Fürstin ihrem Sohn nach. Die Jagd und der Ball würden ihn schon auf andere Gedanken bringen. Es war auch Zeit, Marion wieder einmal einzuladen und mit Gunter zusammenzubringen.

      *

      Am 30. September endete San­dras Zeit als Assistenzärztin. Sie erhielt ausgezeichnete Beurteilungen.

      »Wollen Sie weiter wie bisher in der Klinik arbeiten, sich als praktische Ärztin niederlassen oder Ihren Facharzt machen, Frau Kollegin?« fragte der Klinikchef Professor Rübsam.

      Sandra war allseits beliebt. Die Kollegen hatten eine Feierstunde ausgerichtet, in der auch zahlreiche Krankenschwestern und ein paar Kinder von der Kinderstation teilnahmen.

      »Zunächst möchte ich in der Main-Taunus-Klinik bleiben, Herr Professor«, antwortete Sandra. »Was meine medizinische Weiterbildung betrifft, habe ich privat etwas unternommen, um sie zu fördern.«

      »Ach?«

      »Ja. Ich bin leidenschaftliche Kinderärztin, das wissen Sie. Ich erwarte ein Kind. Es wird Anfang Februar zur Welt kommen.«

      Der Professor staunte. Er schaute auf Sandras schlanke Gestalt im Arztkittel. Zu sehen war nichts. Sandra war etwas verlegen, aber sie hielt ihre Entscheidung für richtig, mit der Wahrheit hervorzutreten. Früher oder später mußten es doch alle erfahren.

      Fast jeder im Aufenthaltsraum hatte es gehört. Dr. Stanitz, der blendend aussehende Chirurg, hob sein Sektglas, als Sandra an den Tisch zurückkehrte.

      »Auf Ihr Wohl, Frau Kollegin, und auf das Kind! Hoffentlich wird es so hübsch wie die Mutter.«

      Sandra trank einen kleinen Schluck Sekt. Wenn du wüßtest, dachte sie bei Dr. Stanitz’ Anblick, daß ich dich Gunter als Kindesvater angegeben habe…

      Beinahe hätte sie sich an dem Sekt verschluckt, denn Dr. Stanitz fragte: »Wer ist denn der glückliche Vater? Werden Sie in absehbarer Zeit heiraten, Frau Dr. Richter?«

      »Der Vater des Kindes lebt in Norddeutschland.« Die Lüge ging Sandra ganz glatt über die Lippen. »Ich werde nicht heiraten, weder ihn noch einen anderen.«

      Oberschwester Monika, ein altgedienter Stationsdrachen, spitzte die Lippen.

      Neugierig fragte sie: »Vor einigen Wochen stand in der Zeitung, Sie und Fürst Gunter von Falkenau hätten sich verlobt, Frau Dr. Richter. Wie verhält es sich damit?«

      Gunter hatte nichts mehr von sich hören lassen seit jenem letzten Gespräch in Sandras Wohnung. Obwohl sie sich sagte, daß sie nichts anderes erwarten konnte, kränkte es Sandra.

      »Der Fürst gab die Verlobungsanzeige voreilig auf«, antwortete sie auf die Frage der Oberschwester. »Wir waren lediglich – sehr gute Freunde.«

      Sandras Herz schmerzte bei diesen Worten. Nachts lag sie oft wach und dachte an Gunter. Dann spürte sie die ersten Regungen des Kindes in ihrem Leib. Sie weinte nicht mehr. Schon seit einiger Zeit nicht. Sie fand sich mit ihrem Schicksal ab.

      Sandra

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