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noch immer hatte. Sie war zwar volljährig, aber nach dem Familiengesetz der von Balsingens war Baron Edgar das Familienoberhaupt. Ihm oblag bis zu ihrer Verheiratung die Verwaltung von Marions Vermögen.

      Er strich die Vorzüge seiner Nichte heraus und erwähnte die ruhmreiche Vergangenheit ihrer Familie. Selbst Fürstin Claudia dauerte es zu lange. Marion hielt Gunters Hand.

      Überflüssigerweise fragte der Baron: »Du hast mit Marion schon gesprochen, Gunter?«

      »Selbstverständlich.«

      »Dann gebe ich meine Zustimmung zu dieser Verbindung – und meinen Segen. Werdet glücklich, Kinder.«

      Fürstin Claudia küßte Marion auf beide Wangen.

      »Ich freue mich, dich als Schwiegertochter zu bekommen. Du wirst eine würdige Fürstin von Falkenau sein. Ihr wollt doch im Schloß wohnen wie alle Falkenaus vor euch?«

      »Ja«, antworteten Marion und Gunter gleichzeitig.

      »Darauf wollen wir anstoßen«, sagte die Fürstin. »Marthe soll Champagner bringen.«

      Sie zog an der Klingelschnur. So erfuhr Marthe als erste von den Außenstehenden die Neuigkeit. Die Freudentränen rannen ihr über die Wangen. Ehe Marion es verhindern konnte, küßte sie ihr die Hand.

      »Ich freue mich so«, stammelte sie. »Unser Fürst verlobt sich und heiratet. Das ist das Erfreulichste, was ich in den letzten zehn Jahren gehört habe. Eine besser Wahl hätte Fürst Gunter nicht treffen können.«

      Sie eilte hinaus wie beflügelt und klatschte einmal in die Hände.

      »Der Fürst heiratet!« rief sie abermals.

      »Habt ihr schon einen Hochzeitstermin im Auge?« fragte Fürstin Claudia.

      »Im Sommer«, antwortete Gunter. »Das genaue Datum kannst du mit Marion festlegen, Mutter.«

      *

      Am Abend, als das junge Paar das Schloß zu einem Spaziergang verließ, wendete sich der Baron an die Fürstin. Wie albern er immer über seinen Bart streicht, dachte sie. Außerdem kleidet er sich übertrieben elegant, ein wahrer Adliger weiß, daß er auch in schlichter Garderobe etwas darstellt.

      »Liebe Claudia, nachdem sich Gunter und Marion gefunden haben, möchte auch ich mit Ihnen über eine Herzensangelegenheit sprechen. Sie wissen, was ich für Sie empfinde. Wir sind beide noch nicht zu alt, um ein gemeinsames Glück zu finden. Was würden Sie von einer Doppelverlobung und

      -hochzeit halten?«

      Fürstin Claudia stellte sich mit Absicht naiv.

      »Soll das ein Heiratsantrag sein, Edgar?«

      »Ja, Claudia!«

      Der Baron schickte sich an, niederzuknien – nach Altväter Sitte.

      Fürstin Claudia lachte silberhell. »Edgar, ich bitte Sie! Sie schaden damit nur Ihren Bandscheiben.«

      Die Antwort ließ den Baron innerlich zusammenzucken. Der Spott schmerzte ihn. Er wußte: Sein Antrag war abgelehnt worden.

      »Ich fühle mich sehr geehrt, aber ich bin der Meinung, daß man jung heiraten und dabei bleiben sollte. Später sehe ich keinen Sinn mehr darin. Sie sind mir als Freund des Hauses hier immer willkommen, Edgar. Lassen wir es zwischen uns doch so, wie es ist.«

      Bisher hatte Baron Edgar der Fürstin lediglich die Hand geküßt und bei offiziellen Gelegenheiten mit ihr getanzt. Näher waren sie sich nie gekommen. Es fiel ihm schwer, seine Enttäuschung nicht zu deutlich zu zeigen.

      Darf ich fragen, ob Ihre Ablehnung mit meiner Person zusammenhängt, oder ob Sie grundsätzlich nicht mehr heiraten möchten?«

      »Das zweite trifft zu. Seien Sie nicht gekränkt, Edgar.«

      Der Baron beugte sich über Fürstin Claudias Hand und sagte förmlich: »Nein, natürlich nicht. Trotzdem bitte ich, mich zurückziehen zu dürfen. Ich möchte allein sein.«

      »Ach, Edgar, jetzt habe ich Sie doch verletzt! Was soll ich Gunter und Marion sagen, wenn sie nach Ihnen fragen?«

      »Sagen Sie ihnen, ich hätte Kopfschmerzen. Sie entschuldigen mich, liebste Freundin…«

      In gerader Haltung verließ der Baron den Raum. In seinem Zimmer im Gästetrakt angelangt, zündete er sich eine Zigarette an. Die Fürstin war Nichtraucherin und schätzte es nicht, wenn man in ihrer Gegenwart rauchte. Baron Edgar lief wütend im Zimmer auf und ab.

      Er sah ein, daß er sich bei Fürstin Claudia völlig falsche Hoffnungen gemacht hatte. Die Abfuhr war eindeutig gewesen.

      Sie glaubt, weil sie Fürstin ist und ich nur Baron, kann sie so mit mir umspringen, dachte er. Aber sie wird sich wundern. Aus der Verbindung zwischen Marion und Gunter wollte Baron Edgar auf jeden Fall seine geschäftlichen Vorteile ziehen.

      Er glaubte, seine Nichte in der Hand zu haben. Schließlich hatte er ihr die gute Partie verschafft. So sah er das jedenfalls.

      Von Marions Vermögen war nicht mehr viel vorhanden. Baron Edgar hatte in seinen Geschäften keine glückliche Hand gezeigt. Auch bei ihm war viel Geld am Spieltisch geblieben.

      Daß gerade er Frank Richter wegen seiner Spielschulden heftig angegriffen hatte, war im Grunde die reinste Ironie.

      *

      Nach acht Uhr abends klingelte es in Sandras Wohnung. Sie glaubte, es seien Gabi und Holger, und drückte den Türöffner. Als sie die Wohnungstür öffnete, stand Alexander Karben draußen, einen Blumenstrauß in der Hand und mit einem in Geschenkpapier eingewickelten Päckchen unterm Arm.

      Sie ist noch schöner geworden, dachte er, als er Sandra sah.

      Sie erstarrte.

      »Schickt Gunter… der Fürst von Falkenau Sie, Herr Karben?«

      »Nein, er weiß nichts davon, daß ich hier bin. Ich möchte Sie besuchen – und mir das Kind ansehen.«

      Schweigend gab Sandra die Wohnungstür frei. Sie führte den Schauspieler ins Wohnzimmer, bedankte sich für die Blumen und stellte sie in eine Vase. Für die kleine Bettina hatte Alexander eine Strampelgarnitur und ein Gummitier mitgebracht, das quietschte, wenn man darauf drückte.

      »Sie schläft«, sagte Sandra. »Aber nächste Woche nehme ich meine Arbeit in der Klinik wieder auf. Für Bettina habe ich eine Tagesmutter gefunden.«

      »Wie ist es, wenn Sie Nacht- oder Wochenenddienst haben, Frau Dr. Richter?«

      »Ich habe mit Professor Rübsam und dem Oberarzt gesprochen. Die Kollegen sind überaus verständnisvoll. Ganz kann ich die Nacht- und Wochenenddienste nicht wegfallen lassen. Das will ich auch nicht. Aber Frau Hitzinger, die Tagesmutter, ist sehr entgegenkommend. Sie hat selbst zwei Kinder und hat angeboten, Bettina auch außerhalb der normalen Zeit zu übernehmen. Zur Not kann ich die Kleine auf der Kinderstation lassen, wenn ich Dienst habe.«

      »Da haben Sie es gut getroffen.«

      »Ja, ich kann mich nicht beklagen.«

      Alexander durfte im Schlafzimmer nach der kleinen Bettina sehen. Er näherte sich der Wiege auf Zehenspitzen. Bettina schlummerte selig, den kleinen Daumen im Mund.

      Der Schauspieler lächelte.

      »Mir geht das Herz auf, wenn ich so ein Kind sehe«, sagte er, nachdem sie das Schlafzimmer wieder verlassen hatten. »Später, wenn sie groß werden, lernen sie allerlei Unarten, und die meisten Erwachsenen sind egozentrisch und hart. Kleine Kinder sind ein Stück Paradies. Ich würde alles darum geben, so ein Kind zu haben – mit der Frau, die ich liebe.«

      Sandra schenkte dem Schauspieler einen Kognak ein. Sie selbst leistete ihm mit einem Glas Wein Gesellschaft.

      Der Hausanzug stand ihr gut. Sie hatte ihre schlanke Figur nach der Schwangerschaft sehr rasch wiedergehabt.

      »Solche gefühlvollen Ansichten hätte ich von Ihnen nicht erwartet,

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